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Gianmarco Tamberi - Italiens neuer Überflieger

Ungeschlagen blieb Hochspringer Gianmarco Tamberi in diesem Winter. Dabei ging die Karriere des Hallen-Weltmeisters nicht immer steil nach oben. Ein Wendepunkt war „Hochsprung mit Musik“ im Sommer 2015 in Köln. Genau dort hatte er ein halbes Jahr zuvor noch einen der schwächsten Wettkämpfe seiner Karriere abgeliefert.
Martin Neumann

Wer am 28. Januar 2015 „Hochsprung mit Musik“ in der Halle der Deutschen Sporthochschule Köln verfolgt hat, wird sich gut an Gianmarco Tamberi erinnern. Nicht unbedingt an die Höhenflüge des Italieners – für ihn war nach 2,17 Metern Schluss –, sondern eher an den ungewöhnlichen Bart-Style des 23-Jährigen. Er rasiert sich nämlich immer nur die eine Gesichtshälfte. Seit 2011 schwört Tamberi auf diesen Look. „Zunächst war es nur Spaß, aber mittlerweile ist es mein Glücksbringer“, sagte der Italiener vor der Hallen-WM in Portland bei einer Pressekonferenz.

Wenige Tage später hatte der Landesrekordler dann wirklich das Glück auf seiner Seite. Im Oregon Convention Center brauchte der Italiener sowohl über 2,29 als auch über 2,33 Meter drei Versuche, um im Wettbewerb zu bleiben. 2,36 Meter nahm Tamberi hingegen gleich im ersten Anlauf, während die verbliebenen drei Konkurrenten scheiterten. So war dem 23-Jährigen der Hallen-WM-Titel nicht mehr zu nehmen. Es war die erste Medaille überhaupt für Italiens Hochspringer bei Hallen-Weltmeisterschaften.

Abo auf Platz eins

„Es war kein leichter Wettkampf für mich, weil die Bahn so schnell war. Aber irgendwann habe ich das nützen können und bin über 2,36 Meter geflogen. Ein großartiges Gefühl“, jubelte Tamberi nach seinem Gold-Coup. Ohnehin war der WM-Achte von 2015 in dieser Hallensaison auf Platz eins abonniert. Die vier Wettkämpfe vor Portland gewann er mit Höhen zwischen 2,33 und 2,38 Metern. Bei seinem Sieg in Hustopece (Tschechien) stellte er zudem die Weltjahresbestleistung (2,38 m) auf.

Dabei ging die Karriere des 1,92 Meter großen Hochspringers nicht immer steil nach oben. Einen Monat nach seinem 20. Geburtstag meisterste er erstmals 2,30 Meter. Genauer gesagt 2,31 Meter bei den Italienischen Meisterschaften im Juli 2012 in Bressanone. Den Sieg feierte er auf ganz eigene Weise: Er ließ die Latte danach zum Spaß auf die Weltrekordhöhe von 2,46 Metern legen. Natürlich scheiterte er. Weitere vier Wochen später das Olympia-Debüt in London. Mit 2,21 Metern blieb er allerdings chancenlos in der Qualifikation hängen.

Nach drei Jahren wieder 2,30 Meter

Es folgten zwei Jahre der Stagnation. 2,30-Meter-Sprünge? Fehlanzeige! Fast drei Jahre musste Gianmarco Tamberi warten, bis er wieder die begehrte Marke überflog. Und wieder spielte Köln eine Rolle. 2,34 Meter meisterte er bei „Hochsprung mit Musik“ am 1. Juli 2015 im Netcologne Stadion und verbesserte damit den Landesrekord um einen Zentimeter. Von seiner Anfangshöhe von 2,16 Metern bis zum Rekordsprung leistete er sich nur einen Fehlversuch bei 2,24 Metern. Einen Monat und einen Tag später steigerte er seine Marke im Hochsprung-Mekka Eberstadt um weitere drei Zentimeter. Damit war Tamberi endgültig in der absoluten Weltspitze angekommen.

Wie aber erklärt sich der neue Hallen-Weltmeister diesen „Durchbruch auf Umwegen“? Als Erstes führt er die Konkurrenzsituation an: „Der Hochsprung in Italien ist momentan richtig stark. Keiner will Zweiter werden, wir beide wollen immer höher springen als der andere.“ Damit spielt der 23-Jährige auf Marco Fassinotti an. Der zweite italienische Hochspringer von Weltklasse-Format steigerte sich diesen Winter auf 2,35 Meter, musste sich aber in Portland mit 2,25 Meter und Platz neun begnügen.

Vater war selbst Weltklasse-Hochspringer

Des Weiteren nennt der Hallen-Weltmeister sein gutes und kontinuierliches Training in diesem Winter als Grund: „Ich habe 200 Prozent gegeben und war 200 Prozent fokussiert.“ Trainiert wird er seit Jahren von seinem Vater Marco.

Der war selbst ein Weltklasse-Hochspringer mit einer Bestleistung von 2,28 Metern (damals lag der Weltrekord bei 2,36 m) und stand 1980 im Olympia-Finale von Moskau. Auch Gianmarcos zwei Jahre älterer Bruder Gianluca hat sich der Leichtathletik verschrieben. Er hält mit 78,61 Metern den italienischen U23-Rekord im Speerwurf.

Kandidat für den 2,40-Meter-Klub

Mit der Sommersaison und den Olympischen Spielen in Rio will sich Gianmarco Tamberi wenige Tage nach seinem Triumph in Portland noch nicht beschäftigen. „Ich hab eine Menge für die Zukunft gelernt. Analysiert habe ich den Wettkampf aber noch nicht, lieber möchte ich momentan meine wundervolle Medaille genießen“, sagte der Italiener. Ein Kandidat für eine Olympia-Medaille und den Sprung über die 2,40-Meter-Marke – nach zehn erfolglosen Versuchen in diesem Winter – ist er nach dem Auftritt in Portland in jedem Fall.

Und vielleicht sieht man den „Halb-Bärtigen“ vor Rio ja auch wieder in Köln? „Hochsprung mit Musik“ ist für den 8. Juli geplant – und an die Stätte seines ersten Landesrekords hat der Hallen-Weltmeister (auch wenn er jetzt in eine andere Startgeld-Liga gesprungen ist) mit Sicherheit beste Erinnerungen.

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