| Langhürden-Talent

Gisèle Wender gespannt auf neues Wettkampf-Format in Buenos Aires

Zwei internationale U18-Medaillen hat Hürdenläuferin Gisèle Wender schon. Jetzt nimmt die 17-Jährige an den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires teil. Sie sind für die Berlinerin eine Zugabe, bei der sie ihr Bestes geben will.
Pamela Lechner

Beim Einkleidungstermin vor zwei Wochen in Frankfurt hatten die Teilnehmer der Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires (Argentinien; 6. bis 18. Oktober) vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) alle wichtigen Informationen zur Reise nach Südamerika, zu den Sportstätten und Abläufen vor Ort erhalten – am Montag begann nun endlich die Reise zu einem für viele neuen Kontinent. Eine von 20 deutschen Leichtathleten, die sich bei der U18-EM in Györ (Ungarn) für die Youth Olympic Games qualifiziert hatten, ist Gisèle Wender.

Die junge Berlinerin sieht das Event als Zugabe für eine erfolgreiche Saison, die wegen einer Verletzung schwierig begonnen hatte, aber doch noch eine gute Wendung nahm: In Ungarn konnte die 17-Jährige bereits ihre zweite internationale Medaille sammeln. Nach Bronze 2017 bei den U18-Weltmeisterschaften in Nairobi (Kenia) glänzte die Medaille diesmal sogar golden. Mit einer neuen Bestzeit von 58,88 Sekunden gewann sie den Titel über 400 Meter Hürden, in Argentinien ist sie als beste Europäerin am Start.

Gisèle Wender ist ein absoluter Wettkampf-Typ: Wenn es drauf ankommt, kann sie schneller laufen als zuvor und mit ihrer guten Ausdauer wichtige Rennen auf der Zielgeraden für sich entscheiden. "Ich brauche dieses Wettkampf-Feeling und einen gewissen Druck, um über mich hinauswachsen zu können und meine Leistung zu bringen. Bis jetzt hat es immer mit Bestzeiten bei großen Meisterschaften geklappt", sagt die junge Athletin.

Interessiert am neuen Format von zwei Final-Rennen

Die Erwartungen für Buenos Aires formuliert sie zurückhaltend, denn in den Tagen vor der Abreise hatte sie sich eine Erkältung eingefangen. "Ich will auf jeden Fall mein Bestes geben, mache mir aber nicht zu viel Druck." Der späte Termin der Jugendspiele – die Leichtathletik-Wettbewerbe beginnen am 11. Oktober, eine Zeit, zu der andere Athleten in der Saisonpause oder schon wieder im Aufbautraining sind – sei dagegen kein Problem. Aufgrund einer Verletzung zu Saisonbeginn (Sehnen- und Bänderanriss) war sie erst spät eingestiegen, was ihr jetzt entgegen kommt: "Ich denke, ich bekomme das ganz gut hin."

Nach der Jugend-DM in Rostock, wo die Schülerin ihren Titel in der U18 erfolgreich verteidigte, machte sie einen kurzen Urlaub in Nizza (Frankreich) und fing dann langsam wieder mit dem normalen Training an – mit dem Fokus auf Buenos Aires. Das Spannende: Bei den Jugendspielen wird es ein neues Format geben. Die Zeiten aus zwei Final-Läufen werden addiert, die schnellste Gesamtleistung gewinnt. "Man muss also zweimal topfit auf den Punkt da sein", blickt die U18-Europameisterin voraus.

Der erste Lauf über 400 Meter Hürden ist am 13. Oktober, der zweite am 16. Oktober. "Ich finde das neue Format zum Ausprobieren ganz interessant, was nicht heißt, dass man es immer so machen sollte. So kommt es darauf an, wer die konstantere Läuferin ist. Auf Dauer wäre es aber ganz schön anstrengend, zweimal voll laufen zu müssen." In der aktuellen IAAF-Weltbestenliste der U18 steht Gisèle Wender mit ihrer Bestzeit auf Platz sechs. Jedoch ist nur eine der beiden US-Amerikanerinnen vor ihr auch startberechtigt – eine gute Ausgangsposition also.

Spezialisierung ein Jahr vor der U18-WM

Ihre Disziplin, die 400 Meter Hürden, findet das DLV-Talent spannend: "Es sind erstmal 400 Meter, die du überwinden musst, also eine ganze Runde, und dann stehen noch zehn Hürden im Weg, die du jedes Mal neu überqueren musst", erzählt sie. "Deswegen kann man auch nicht siegessicher in ein Rennen gehen, weil man jedes Mal an einer Hürde hinfallen oder stolpern kann. Man muss immer konzentriert sein, damit man ins Ziel kommt."

Die Spezialisierung auf die Langhürden kam im Jahr vor der U18-WM – das Finale in Nairobi war erst ihr fünftes Rennen. Nach dem klassischen Weg über den Blockwettkampf – aufgrund ihrer guten Ausdauer startete sie im Block Lauf – wurde sie bei den Deutschen U16-Einzelmeisterschaften 2016 in Bremen Siegerin über die Einstiegsstrecke 300 Meter Hürden und entschied sich statt für den Siebenkampf für die Langhürden.

Schon seit 14 Jahren wird Gisèle Wender von ihrer Heimtrainerin Christina Scheibe betreut, sprich im zarten Alter von drei Jahren hatte sie mit der Leichtathletik in der Eltern-Kind-Gruppe begonnen. Ihre Mutter war damals auch Leichtathletin, Gisèle Wender blieb über die Kinder- und Jugend-Gruppe dabei. Ihre Trainerin legt Wert auf eine allgemeine Ausbildung, um Dysbalancen zu vermeiden. Sie will das Talent behutsam aufbauen, die Trainingsumfänge nicht zu früh steigern. In ihrem kleinen Heim-Verein, dem SV Bau-Union Berlin, trainiert die 17-Jährige meist mit Jüngeren.

Kadertraining bei Willi Mathiszik

Daneben ist die zweimalige Deutsche U18-Meisterin zum Kadertraining regelmäßig für Einheiten unter anderen zusammen mit Kurzhürdensprinterin Vanessa Hammerschmidt (LG Nord Berlin) bei Landestrainer Willi Mathiszik. Dieser war früher selbst ein Weltklasse-Hürdensprinter und hatte 2011 das WM-Halbfinale in Daegu (Südkorea) erreicht. "Mit Willi macht die Arbeit viel Spaß, er kann viel von seiner eigenen Erfahrung an uns weitergeben und auch noch viel vormachen."

Der Blick in die Zukunft reicht bei Gisèle Wender erstmal bis ins Jahr 2020. Im Olympia-Jahr will sie die Anna-Seghers-Oberschule "hoffentlich mit einem guten Abitur" abschließen und schauen, wo sie bis dahin im Sport steht. Einen konkreten Berufswunsch hat sie noch nicht. Wenn die freie Zeit es zulässt fotografiert sie gerne, zum Beispiel das Wettkampfgeschehen jüngerer Vereinskameraden oder auch der Trainingsgruppe ihres Freundes beim SV Preußen Berlin.

Bei ihren ersten beiden internationalen Teilnahmen in Györ und Nairobi spielte sich alles Geschehen zwischen Stadion und Unterkunft ab. In Buenos Aires hofft Gisèle Wender, etwas mehr vom Land zu sehen, aufgrund des langen Aufenthaltes und der unterschiedlich gelegenen Sportstätten stehen die Aussichten dafür gut. Mit dabei auf der Reise hat die 17-Jährige ihre Glücksbringer und zwei Kettenanhänger, selbst gemachte Geschenke von ihrem Vater: Eine Hürdenläuferin und die Olympischen Ringe sind die passenden Motive.

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