Gordon Wolf - „Aus dem letzten Loch gepfiffen“
Diskuswerfer Gordon Wolf blickt auf eine durchwachsene Saison zurück. Nach mittelmäßigen Wettkämpfen und mit dem Druck der Favoritenrolle reiste der Potsdamer zur U20-EM nach Novi Sad (Serbien) und gewann dort Silber. Lesen Sie im Interview, welche Sorgen der 19-Jährige vor dem Wettkampf hatte und was ihm zur Medaille verholfen hat.
Gordon Wolf, herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille. Nach der Qualifikation, in der Sie nur 56,21 Meter geworfen hatten, waren Sie ja nicht so glücklich gewesen...Gordon Wolf:
Nach der Quali war ich total fertig. Ich habe an mir gezweifelt, ob ich überhaupt noch werfen kann. Aber im Finale hat sich dann zum Glück noch alles zum Guten gewendet.
Wie war denn nach der Qualifikation das Gefühl vor dem Finale?
Gordon Wolf:
Wir hatten nachmittags vor dem Finale noch draußen geworfen. Da flogen die Disken auch auf etwa 63 Meter. Deswegen hatte ich schon ein ganz gutes Gefühl, dass ich wenigstens eine Medaille gewinnen könnte. Aber man hat natürlich immer die Unsicherheit, dass andere noch weiter werfen können. Beim Einwerfen war dann alles in Ordnung, dann habe ich die anderen noch ein bisschen beobachtet. Da dachte ich mir dann eigentlich, dass man eine Medaille sicher hat, wenn man über 60 Meter wirft.
Gleich der erste Wurf im Finale ging ja auch über 60 Meter...
Gordon Wolf:
Die Taktik von meinem Trainer Jürgen Schult und mir ist immer, dass wir den ersten Versuch sicher machen und so weit wie möglich, dass der Endkampf sicher ist. Danach versuche ich das Feld Stück für Stück aufzuräumen und an die Medaillen ranzukommen.
Letztlich haben dann aber doch fünf Athleten über 60 Meter geworfen...
Gordon Wolf:
Ja, es wurde doch knapp. Aber dann haben mich zum Glück mein Coach und das Team so hochgepusht, dass ich noch 63,02 Meter werfen konnte.
Die Anfeuerung durch andere hat also viel geholfen?
Gordon Wolf:
Ja, ich glaube ohne die Unterstützung durch das Team hätte ich es gar nicht geschafft. Ich hatte echt aus dem letzten Loch gepfiffen und hatte so viel Angst. Aber irgendwie haben mir die anderen geholfen, darüber hinweg zu kommen.
Nimmt man während des Wettkampfs denn seine Konkurrenten wahr?
Gordon Wolf:
Ich versuche immer, nicht hinzuschauen. Aber man hört ja die Ansagen und ab und an wirft man dann doch auch einen Blick in den Ring. Und das macht einen dann natürlich auch unsicher. Dann ist es wichtig, wenn man weiß, dass so viele hinter einem stehen, denen es auch egal ist, wenn ich nicht Gold gewinne. Hauptsache ich habe einen guten Wettkampf geliefert und bin mit mir zufrieden. Das respektiere ich sehr bei ihnen, und deswegen freue ich mich umso mehr.
Während des Wettkampfs tigern Sie immer ganz schön durch die Gegend...
Gordon Wolf:
Ja, da muss ich Dampf ablassen. Ich suche dann auch immer jemanden, der mir die Angst ein bisschen nimmt. Mein Coach, der auch ein wirklich guter Freund ist, hat mir dann noch ein paar Tipps gegeben. Denn in der Aufregung vergisst man oft alles. Da gibt er mir dann einen wichtigen Anschub und weist mich auf Dinge hin, die ich machen soll.
Im vergangenen Jahr war bei der U20-WM der Ukrainer Mykyta Nesterenko der haushohe Favorit, Sie standen nicht so unter Druck. Das war in diesem Jahr anders. Wie war das?
Gordon Wolf:
Dieses Jahr habe ich gemerkt, wie es ist, als Favorit zu starten. Und ich muss sagen, es ist ein ziemlich ekliges Gefühl. In der Qualifikation hatte ich schon das Gefühl, ich kann meiner Favoritenrolle nicht gerecht werden, und das ist auch ganz schön bescheiden, was du da machst. Und das als Weltmeister und Erster der Bestenliste. Meiner Freundin hatte ich daheim auch versprochen, dass ich mit einer Medaille zurückkomme. Ich stand unter einem wahnsinnigen Druck. Das hat sich alles so summiert, dass ich einfach nur noch Schiss hatte.
Sind Sie denn jetzt enttäuscht, dass es nicht wie im vergangenen Jahr Gold geworden ist?
Gordon Wolf:
Nein, das ist mir eigentlich relativ egal. Ich habe eine Medaille für das deutsche Team geholt, und nur das zählt. Gold trauer ich nicht hinterher. Ich bin froh, dass ich überhaupt eine Medaille habe. Die Konkurrenz war ja auch stark.
Es ging bei Ihnen in diesem Jahr ja auch etwas auf und ab in den Leistungen...
Gordon Wolf:
Ja, im Mai hatte ich zwei Wochen, die waren einfach grandios. Keiner wusste, wieso es so war. Danach ging es krankheitsbedingt etwas bergab. Ich habe mich schlapp gefühlt und es lief auch im Training nichts. Es gab keinen Wettkampf über 60 Meter. Und jetzt hat es auf einmal wieder geklappt. Das war immerhin mein drittbestes Ergebnis dieses Jahr. Da bin ich richtig stolz drauf.
Wie sehr hat es Sie denn beunruhigt, dass es zwischenzeitlich so gut lief? Oder haben Sie darauf vertraut, dass die Leistungen rechtzeitig wieder kommen?
Gordon Wolf:
Mein Trainer hat mir gesagt, ich solle darauf vertrauen. Ich war da eher der Pessimist. Warum werfe ich überhaupt Diskus? Warum strenge ich mich das ganze Jahr an und dann kommt so etwas dabei raus? Es war schon ernüchternd zu sehen, wie schlecht ich plötzlich war. Wenn man im Hinterkopf immer diese 66 Meter hat, die man schon geworfen hat, will man natürlich immer so nah wie möglich an seine Bestleistung ran. Ich habe meinen Trainer zu der Zeit wohl auch ganz schön genervt.
U20-EM in Novi Sad:
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