Gottes Hand über dem Ulmer Donaustadion
Nicht weniger als „Gottes Hand“ war bei Jürgen Hingsens ersten seiner drei Weltrekorde im Spiel, den er am 14. und 15. August 1982 im Ulmer Donaustadion aufstellte. An gleicher Stelle finden in diesem Jahr die Deutschen Meisterschaften (4./5. Juli) statt. Vielleicht werden auch die heutigen Stars zu herausragenden Leistungen beflügelt - unter den Augen von Jürgen Hingsen, der an seine Erfolgsstätte zurückkehrt.
Nach einem sensationellen ersten Tag, an dem Jürgen Hingsen vor 27 Jahren alle seine fünf Disziplinen gewann, plagten den gebürtigen Duisburger im zweiten Teil des Zehnkampfs ein verrenkter Wirbel und ein Hexenschuss, dennoch standen am Ende 8.723 Punkte auf seiner Habenseite.„Der erste Weltrekord war der schönste. Damals verbesserte ich mich um 200 Punkte im Vergleich zum letzten Zehnkampf in Götzis”, erinnert sich Jürgen Hingsen an die Tage von Ulm. In dem österreichischen Mehrkampf-Mekka, wo dieser Tage Michael Schrader (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) siegte, war es einmal mehr der ewige Rivale Daley Thompson (Großbritannien) gewesen, der damals mit Weltrekord gewann.
Doch Jürgen Hingsen konnte im Donaustadion zurückschlagen. Vor 10.000 begeisterten Zuschauern sammelte er in den ersten fünf Disziplinen rund 4.700 Punkte, unter anderem stellte er mit 2,15 Metern im Hochsprung und 47,65 Sekunden über 400 Meter persönliche Bestleistungen auf, die bis über das Ende seiner Laufbahn Bestand hielten. Doch in der Nacht von Samstag auf Sonntag stellten sich Rückenprobleme ein. Ein Hexenschuss musste mit Physiotherapie und einem lokalen Anästhetikum behandelt werden.
Auf Weltrekordkurs mit Hexenschuss
Dementsprechend schwierig verlief der Start in den zweiten Wettkampftag. „Ich war kaum in der Lage die Hürden zu laufen, daher war die Zeit nicht so toll“, erinnert sich der Zwei-Meter-Hüne. Doch trotz aller Probleme mit dem Rücken blieb Jürgen Hingsen bis zu den abschließenden 1.500 Metern auf Weltrekordkurs.
Die Tage in Ulm waren sehr heiß, nicht gerade optimal für eine gute 1.500-Meter-Zeit nach neun kräftezehrenden Disziplinen. Doch dann kam die „Hand Gottes“ ins Spiel. Ein Gewitter zog über dem Donaustadion auf und ließ die Temperatur um fast zehn Grad fallen, der Regen erhöhte den Sauerstoffgehalt in der Luft.
Legendenstatus war geboren
In 4:21,61 Minuten blieb Jürgen Hingsen rund drei Sekunden unter der für einen neuen Rekord geforderten Zeit. „Der erste Weltrekord ist der Entscheidende gewesen. Die Medien überschlugen sich, der Legendenstatus war geboren.“ Da spielte es keine Rolle, dass wenige Wochen später bei den Europameisterschaften in Athen (Griechenland) Daley Thompson sich seinerseits wieder die Bestmarke zurückholte und Jürgen Hingsen das direkte Duell als Zweiter beendete.
Auf Einladung des damaligen Ulmer Oberbürgermeister Dr. Hans Lorenser und einem Sponsor wurde der Erfolg ausgiebig gefeiert. Zu den Deutschen Meisterschaften am 4. und 5. Juli plant Jürgen Hingsen eine Rückkehr als Zuschauer an seine alte Erfolgsstätte. Denn die Leichtathletik liegt dem 51-Jährigen, der in München bei einem großen Versicherungskonzern arbeitet, am Herzen, auch wenn er sich mehr „Typen und Typinnen mit Charisma“ wünschen würde, so wie er es einer war und bis heute geblieben ist.
Deutsche Meisterschaften in Ulm