Gregor Traber - Im Galopp über Hürden
Traber: „Ein Pferd, das sich in schneller Gangart fortbewegt. Auf den Menschen übertragen: schnelles Gehen.“ So wird der Begriff „Traber“ von Duden & Co. definiert. Eine Definition, an die sich Gregor Traber so ganz und gar nicht halten mag. Egal ob dem Tübinger Hürdensprinter fünf oder zehn Hindernisse im Weg standen, egal ob diese 99 oder 106 Zentimeter hoch waren.

„Das kann nicht sein, das glaube ich nicht“, jubelte der Schwabe, als er von der Auszeichnung erfuhr. Zwar wusste er von seiner Nominierung, hatte aber andere Leichtathletik-Youngsters auf der Favoritenliste. „Unsere Mannschaft hat bei der U20-EM in Tallinn so viel gewonnen. Darum dachte ich nicht, eine Chance zu haben“, gestand Gregor Traber offen ein.
Damit spricht er seinen persönlichen Absturz im Jahr voller Höhenflüge an. Bei der U20-EM war der Abiturient als Top-Favorit angetreten und musste nach einem Fehlstart im Vorlauf ohne eine Hürde überquert zu haben die Heimreise antreten. „Ich habe in Tallinn versagt. Die Tage nach dem Rennen waren keine schönen. Aber ein solcher Fehlstart wird mir bei einer Meisterschaft nie wieder passieren“, ist sich Gregor Traber sicher. An solchen Niederlagen wachsen Menschen, profitieren Sportler für ihre weitere Karriere.
Männer-Elite geschlagen
Die hat bei Gregor Traber spätestens am 27. Februar 2011 begonnen. Nach dem Hürden-Finale der Hallen-DM streckte er die Fäuste Richtung Leipziger Hallendach und schrie seine Freude heraus. Wenige Sekunden zuvor hatte der damals 18-Jährige die deutsche Hürden-Elite in 7,75 Sekunden auf die Plätze gewiesen und sich als Jugendlicher den DM-Titel gesichert. Das gelang in den letzten Jahrzehnten keinem anderen Hürdensprinter. Selbst Frank Busemann gewann seinen Titel 1995 „erst“ einen Tag vor seinem 20. Geburtstag.
Der oft so schwierige Übergang von den Jugend- (99,1 cm) zu den Erwachsenenhürden (106,7 cm) ist Gregor Traber anscheinend spielend gelungen. Dem deutschen Jugendrekord (13,31 sec) am 19. Juni in Oberkirch ließ er neun Tage später in Biberach 13,55 Sekunden und die WM-B-Norm folgen. „An diesen Tag erinnere ich mich sehr gern. Es war mein Höhepunkt 2011. Meine Familie war da, viele Freunde haben mich angefeuert. Es war ein echtes Heimspiel“, schaut der 19-Jährige auf den 28. Juni zurück.
Neue Fans hat der Blondschopf vergangene Woche am Reutlinger Bildungszentrum Nord gewonnen. Zwei Stunden lang gab er 41 Schülern Einblicke in die Kunst des Hürdenlaufs. „Er ist sehr engagiert und motivierend“, sagte eine 17 Jahre alte Schülerin zu ihrer „besonderen Sportstunde“. Für Gregor Traber war der Auftritt selbstverständlich: „Ich möchte der Basis etwas zurückgeben.“
Mutiger Laufstil
Welche Gründe gibt es aber für die Top-Leistungen des Tübingers? Als Erstes natürlich die gute Technik. Gregor Traber ist es egal, wie hoch die Hürden sind. Er überläuft sie sauber mit einem relativ hohen Schwerpunkt. Außerdem stellt er sich den „High Hurdles“ - wie die Briten und US-Amerikaner den Hürdensprint ehrfürchtig nennen - ohne Angst entgegen. „Ich bin ein 1,90-Meter-Kerl. Da muss ich auch mit den Männerhürden klarkommen“, sagt Gregor Traber.
Trotz seiner beeindruckenden Hausrekorde hat der Teenager zusammen mit seinem Trainer Dorinel Andreescu noch Schwächen ausgemacht. So soll die Armarbeit über der Hürde intensiviert werden. Als Paradebeispiel gilt der britische Hallen-Weltrekordler Colin Jackson. Ein sportliches Vorbild ist der Brite aber genauso wenig wie Weltrekordler Dayron Robles. Am Kubaner schätzt der Tübinger die Geschmeidigkeit und den schnellen Bodenkontakt nach der Hürdenüberquerung. Details, die 2012 umgesetzt werden sollen.
Bereit für London
Noch für den Winter traut sich Gregor Traber eine Zeit von unter 7,70 Sekunden zu. Im Sommer soll dann die Olympianorm von 13,49 Sekunden unterboten werden. Das Training läuft gut. Seit dem Beginn der Aufbauphase am 10. September hat der Schüler keine Einheit verpasst.
Außerdem sucht er die Konkurrenz in hochkarätigen Rennen. Am Wochenende startet Gregor Traber beim Hallen-Ländervergleich in Glasgow (Großbritannien) erstmals für die A-Nationalmannschaft. In den folgenden Wochen ist er bei den Hallen-Meetings in Düsseldorf, Karlsruhe und Birmingham (Großbritannien) dabei. Dafür hat sein Manager James Templeton gesorgt, der unter anderem auch 800-Meter-Weltrekordler David Rudisha (Kenia) und Ex-Weltmeister Bernard Lagat (USA) betreut.
Wie man sich gegen die Besten behauptet, kann der Schüler auch von seinem „Gast-Vater“ lernen. Seit rund zwei Jahren lebt Gregor Traber in der Einliegerwohnung im Haus von Dieter Baumann. Der 5.000-Meter-Olympiasieger von 1992 legte eine Karriere im Galopp hin. Vor einer solchen könnte auch Gregor Traber stehen.
Die Leichtathleten des Jahres 2011