Große Gefühle zum Abschied von Nadine Kleinert
Zum Abschied flossen Tränen: Nadine Kleinert hatte beim ISTAF in Berlin ihren letzten Auftritt vor ganz großem Publikum. Und das an der Stelle, an der sie mit WM-Silber 2009 ihren schönsten Erfolg feierte. Vor allem Valerie Adams, der sie damals unterlag und die auch beim ISTAF mit 20,58 Metern gewann, wird die 37-Jährige vermissen – im Gegensatz zu den zahlreichen gedopten und überführten Kolleginnen wegen denen sie einige ihrer elf internationalen Medaillen mit großer Verspätung erhielt.
Schon vor ihrem Wettkampf beim Berliner ISTAF übermannten Nadine Kleinert (SC Magdeburg) die Emotionen. „Valerie Adams und ich sind zusammen reingegangen, haben uns angeschaut und da schon fast angefangen zu heulen“, erzählte sie später, nachdem sie ihren letzten Wettkampf vor großem Publikum als Vierte mit 17,73 Metern beendet hatte.Den Schlusspunkt hinter eine große Karriere setzen jetzt noch ein Spaßwettkampf in Binz auf Rügen am Sonntag, bei dem es darum geht, mit möglichst wenigen Stößen in der Addition 100 Meter zu übertreffen, und die Militär-EM am 15. September in Warendorf.
Zwei verrückte Hühner
Mit der Neuseeländerin Valerie Adams verbindet Nadine Kleinert eine besondere Freundschaft. „Nach dem Wettkampf haben wir dann endgültig geweint. Sie musste direkt zum Flughafen, und wir sehen uns jetzt gar nicht mehr. Valerie ist ein total verrücktes Huhn, die muss man einfach lieb haben. Wir sind beide aus demselben Holz geschnitzt.“ Und so musste sich die Weltmeisterin und Olympiasiegerin zum Abschied auch noch ein paar Sticheleien anhören. „Ich habe ihr gesagt, wenn ich gehe, bist du die Älteste, gewöhn dich schon einmal dran. Jeden Tag wird es dir mehr wehtun.“
Aber nicht nur wegen des Abschieds von ihrer langjährigen Weggefährtin Valerie Adams war der Wettkampf im Berliner Olympiastadion ein ganz besonderer für die 37-Jährige. „Wenn ich nur an das Olympiastadion denke, bekomme ich schon eine Gänsehaut“, meinte sie mit funkelnden Augen. 2009 hatte sie bei der Heim-WM hier Silber (20,20 m) gewonnen. „Das war emotional mein größter Erfolg.“
Athen mit unschönem Beigeschmack
Zwar sei ihre Silbermedaille von Olympia 2004 rein sportlich wohl noch höher einzuordnen, „aber die hat immer auch einen unschönen Beigeschmack“. In Athen hatte die Russin Irina Korzhanenko ursprünglich Gold gewonnen, das ihr dann nachträglich wegen Dopings aberkannt wurde. Kleinert rückte noch vom Bronze- auf den Silberrang vor. Genauso ärgerte sie im Nachhinein aber, dass sie damit nur vier Zentimeter hinter der neuen Olympiasiegerin Yumileidi Cumbá (Kuba) lag.
Es war nicht das einzige Mal, dass Nadine Kleinert auf dem Siegerpodest nicht die richtige Medaille umgehängt bekam – oder gar nicht auf dem Siegerpodest stand, obwohl sie letztlich zu den Medaillengewinnerinnen gehörte. Immer wieder wurden nachträglich Konkurrentinnen wegen Dopings gesperrt.
Fehlende Medaillen
„Zwei Medaillen stehen noch aus“, meint die 14-malige Deutsche Meisterin. Bei der WM 2005 in Helsinki war sie zunächst Fünfte gewesen. Nach der Dopingsperre der Russin Svetlana Krivelyova rückte sie schon auf den vierten Rang vor. Dieses Jahr im März kam nun heraus, dass auch Weltmeisterin Nadzeya Ostapchuk bei ihrem Erfolg mit unerlaubten Mitteln nachgeholfen hatte. Dadurch würde Kleinert auf den Bronzerang vorrücken.
„Jetzt wo sie auch für 2005 überführt wurde, sollte man alle Proben von ihr raussuchen und auswerten. Die müssen nur die Proben von 2006, 2007 und 2008 aufmachen. Da wird kein anderes Ergebnis rauskommen“, meinte Kleinert, weswegen sie auch vermutet, für die WM 2007 nachträglich Silber statt Bronze zu bekommen. Ostapchuk war damals in Osaka Zweite hinter Valerie Adams.
Glanzvolle Karriere
Die Proben von 2005 offenbaren nicht das einzige Dopingvergehen von Ostapchuk: Im vergangenen Jahr wurde ihr einen Tag nach Beendigung der Olympischen Spiele ihre Goldmedaille wieder aberkannt, weil sie positiv auf das anabole Steroid Methenolon getestet worden war. Ob die 32-Jährige lebenslang gesperrt wird, sei noch offen. „Gut zu wissen ist, dass alle, die in Berlin und das ganze Jahr über mit mir im Wettkampf standen, jeden Wettkampf boykottieren werden, bei dem sie auftaucht“, erzählte Kleinert von der Einigkeit unter den Athletinnen. „Das finde ich gut, das freut mich, da kann ich gehen. Die braucht nicht wiederkommen, die wird ihres Lebens nicht froh.“
Das sind die unschönen Stellen in einer glanzvollen Karriere von Nadine Kleinert. Vor 20 Jahren gewann sie mit Silber bei der U20-EM ihre erste internationale Medaille, zehn weitere folgten. Die letzte im vergangenen Jahr mit Gold bei der EM. In diesem Jahr hat sie sich auf einer langen Abschiedstournee von den Sportplätzen der Welt verabschiedet. Obwohl, so ganz Abschied nehmen will sie noch nicht.
Zukunft als Trainerin
Als Trainerin würde sie künftig gern ihr Wissen weitergeben. Den B-Trainerschein hat sie schon in der Tasche, die Ausbildung zur A-Trainerin hat sie absolviert. „Gerade sitze ich an meiner Hausarbeit. Wenn die abgegeben ist, werde ich zur letzten Prüfung zugelassen.“ Was danach kommt, steht noch in den Sternen. „Ein Jahr bin ich noch Übungsleiterin einer Schülergruppe in Magdeburg“, erzählt sie. Danach dort eine Trainerstelle zu bekommen, scheitert derzeit angeblich an einer fehlenden Planstelle.
Noch bis 2017 hat sie durch den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, eine Anschlussförderung nach der sportlichen Karriere, eine gewisse finanzielle Absicherung. In dieser Zeit will sie ihre neue Karriere starten. Mit einem Bachelorstudium Leistungssport in Berlin will sie sich auch die Möglichkeit eröffnen, im Ausland arbeiten zu können.
Nur einen Plan hat sie ad acta gelegt: eine Karriere als Boxerin. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es keine garantierten Kämpfe für sie gab. „Wenn nach drei Kämpfen keiner mehr gegen mich hätte boxen wollen, hätte ich das ganze Jahr ohne Geld dagestanden.“ Und wenn sie beim Boxen auch nur ähnlich erfolgreich gewesen wäre, wie in ihrer Karriere als Kugelstoßerin, wäre es kein Wunder gewesen, wenn die Boxerinnen ihr aus Angst aus dem Weg gegangen wären.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift