Günther Weidlinger trägt die Hoffnungen Österreichs
Es war ein schlimmer Tag für Günther Weidlinger, der Tag, an dem er in Nürnberg aus allen Träumen stürzte. Elarbi Khattabi, der Marokkaner, war ihm am Wassergraben auf die Ferse getreten. Weidlinger verlor die Balance, kam bei der Landung schief auf und knickte um. Ratsch! Die rechte Achillessehne war durch. Komplett gerissen! Wie ein Häuflein Elend lag er da und heulte bittere Tränen.
Günther Weidlinger trägt Österreichs Hoffnungen (Foto: Kiefner)
Knapp vierzehn Monate ist es her, dass ihn der "Horror-Crash" aus der Erfolgsspur geworfen hat. Jos Hermens, sein Manager, damals hautnah dabei, kriegt noch heute eine Gänsehaut: "Es sah fürchterlich aus." Günther Weidlinger, nach dem Ausfall von Stephanie Graf die große Hoffnung der Österreicher bei der EM in München, hat dies Negativ-Erlebnis längst verdaut. "Das ist Vergangenheit", will er nicht nachkarten, "was zählt, ist die Zukunft." Weidlinger, der Olympia-Achte von Sydney, schaut nach vorn und nicht zurück. "In München möchte ich vorne mitmischen", betont er mit ernster Miene, "und ich bleibe dabei: Eine Medaille soll's sein!" Sein EM-Ticket hatte er bereits frühzeitig sicher, denn im Juni in Dortmund stürmte er in 8:23,91 Minuten über die Ziellinie und knackte die österreichische Norm (8:34) gleich im ersten Bahnrennen nach monatelanger Zwangspause.Günther Weidlinger hat gutes Gefühl
Die Form sei okay. Auch wenn sein Auftritt beim Golden League-Meeting in Monaco (8:31,95 min) arg daneben gegangen ist. Dort war der Holländer Simon Vroemen mit 8:06,91 Minuten überraschend Europarekord gelaufen. Damit ist er nun Favorit in München und Weidlinger nur noch Außenseiter. Gleichwohl habe er ein gutes Gefühl und keinerlei Grund zu klagen. "Die Sehne hält", freut sich der 24-jährige Hindernis-Mann (Bestzeit: 8:10,83 min), der schon zwei Mal Gold bei europäischen Titelkämpfen gewonnen hat: 1997 bei den Junioren-EM und 1999 bei der U23-EM. "Der Wassergraben stellt auch kopfmäßig kein Hindernis dar. Ich gehe ganz normal drüber. Und wenn ich Probleme bekomme, wechsle ich das Bein." Dann werde er mit dem Linken landen, um das Rechte zu schonen. So einfach sei das.
Hindernis im Garten
Günther Weidlinger ist ein heller Kopf, hat neben der Lauferei Elektronik und Informatik studiert. Mit 1,69 m Körpergröße schaut er aus wie ein kleiner Professor, der nichts dem Zufall überlässt. "Ich habe mir bei meinen Eltern im Garten ein Hindernis aufgebaut und trainiere dort regelmäßig", erzählt Weidlinger, der in Neukirchen bei Braunau heimisch ist, "dadurch hat sich meine Technik enorm verbessert." Selbst ist der Mann, sagt er sich und ist sich dabei der Unterstützung von Vater Heinrich sicher.
Der Herr Papa ist sein Entdecker und Trainer. Früher leitete er in Braunau Lauftreffs für ältere Semester. Der Filius machte eifrig mit, rannte bald allen davon und soll nun in München eine Medaille holen. Dieter Baumann, bemerkt er, sei sein Vorbild. 1994 war der Schwabe Europameister. 2002 will Weidlinger nachziehen.
Ulrich Hörnemann