Hannah England spurtet Richtung Olympia
Zusammen mit dem Chef des Olympia-Organisations-Komitees Sebastian Coe durfte die Britin Hannah England als erste Elite-Athletin eine Runde auf der neuen Mondo-Bahn im 80.000 Zuschauer fassenden Stadion für die Spiele in London (Großbritannien) laufen. Neben der 1.500-Meter-Silbermedaille von Daegu (Südkorea) war diese Ehre das bisher schönste Erlebnis in der Karriere der 24-Jährigen Mittelstrecklerin. Großes Ziel ist es, im Sommer vor vollbesetzten Rängen im Olympia-Finale zu stehen und wieder so weit vorne wie möglich zu landen.

Nicht nur Sebastian Coe gehört zu denen, die an Hannah Englands Potential glaubten. Auch bei Doppel-Olympiasiegerin Kelly Holmes (Großbritannien) hat die Blondine ein Stein im Brett. Die erfolgreichste britische Mittelstrecklerin aller Zeiten blieb ähnlich wie Sebastian Coe nach Ende ihrer Leichtathletik-Karriere dem Sport treu. Die 41 Jahre alte frühere Trainerin bei der britischen Armee gründete 2004 Jahren die Stiftung „On Camp with Kelly“. Damit fördert sie junge Athletinnen, vor allem mit guten Ratschlägen, aber noch viel mehr. Zu den geförderten Nachwuchsläuferinnen gehörte Hannah England schon seit Beginn.
Mentorin Kelly Holmes
„Kelly und ihre Initiativen haben mir sehr geholfen“, so und ähnlich lobte Hannah England die 2004 in Athen über 800 und 1.500 Meter siegreiche Kelly Holmes. „Ich habe ihre Handynummer und ich darf sie bei Tag oder bei Nacht anrufen, wenn ich irgendein Problem habe.“ Als sie zum ersten Mal vor Kelly Holmes gestanden hatte, war Hannah England noch sehr nervös. Heute bezeichnet die erfolgreichste Britin der WM 2011 die Beste der Vergangenheit als „sehr gute Freundin und unentbehrliche Mentorin.“
Begonnen hat die Laufbahn von Hannah England während der Schulzeit in Sommertown im Norden ihrer Geburtsstadt Oxford mit Crossläufen. Mit zwölf Jahren wurde sie Mitglied im dortigen Athletic Club. Dort trainierte die Tochter eines Geologie-Professors auch auf dem Sportplatz an der Iffley Road, auf dessen Bahn im Mai 1954 eines der ganz großen Ereignisse der Leichtathletik stattfand: Roger Bannister lief die Meile dort als Erster unter vier Minuten.
Leidenschaft Tanz
Vor der Leichtathletik hatte Hannah England seit ihrem dritten Lebensjahr Ballettunterricht. Ihre Lehrerinnen lobten ihr Talent und ihren Eifer. Auch Stepptanz und moderne Tänze gehören bis heute zu ihren Hobbies. Ihr Bruder und ihre Schwester haben eine andere Lieblingssportart: Sie spielen Cricket.
Das Biochemie-Studium brachte einen Wechsel nach Birmingham und einen neuen Trainer: Bud Baldaro. Der mittlerweile 62 Jahre alte Coach hat in seiner langen Trainer-Tätigkeit rund 60 Athleten betreut, die das britische Nationaltrikot trugen. Auch zu ihm hat die junge Frau ein sehr vertrauensvolles Verhältnis.
Zwischenstation USA
Allerdings ging sie im Rahmen ihres Studiums von Birmingham auch für ein Jahr an die Florida State Universität. Grund für diesen Abstecher ein persönlicher. Der ebenfalls zur Trainingsgruppe zählende Luke Gunn studierte schon in den USA. Der heute 26-Jährige wurde 2011 britischer Meister über 3.000-Meter-Hindernis. Nach den Olympischen Spielen soll Hochzeit gefeiert werden.
Während der Studienzeit in den USA begann der Aufstieg der Mittelstrecklerin. Drinnen und draußen holte sie Siege über die Meile beziehungsweise 1.500 Meter bei den USA-Hochschulmeisterschaften.
Nachdem Hannah England nach einer Verbesserung um sechs Sekunden auf 4:06,19 Minuten bei den Britischen Trials Dritte über 1.500 Meter geworden war, freute sie sich 2008 auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Peking (China). Doch dafür war es zu früh: Der Verband zog die in den Medien als größtes britisches Talent gelobte Stephanie Twell vor, die genau am gleichen Wochenende in Bydgoszcz (Polen) zur U20-Weltmeisterin aufgestiegen war. Die Enttäuschung saß bei Hannah England tief. Erst 2010 und 2011 führte kein Weg mehr an der Läuferin des Oxford AC vorbei, da sie jeweils Landesmeisterin wurde.
Internationale Erfahrung gewachsen
Die 24-Jährige stand 2010 in drei internationalen Endläufen: Als 1.500-Meter-Zehnte bei der EM (4:05,07 Minuten) und gleich doppelt bei den Commonwealth Games als Fünfte über 800 Meter in 2:00,47 Minuten und Vierte über 1,500 Meter in 4:05,87 Minuten.
2011 wurde das bisher erfolgreichste Jahr für die 1,74 Meter große und 57 Kilogramm schwere Läuferin. Es war auch das Jahr, in dem sie Examen machte. Sie schaffte Beides mit Glanz. In Daegu kam sie als Achte auf die Zielgerade des 1.500-Meter-Laufes. Dort scherte sie sofort auf die vierte Bahn aus und spurtete mit den schnellsten letzten 100 Metern aller Finalistinnen in 4:05,68 Minuten und nur 28 Hundertstelsekunden hinter Weltmeisterin Jenn Barringer-Simpson (USA) zur Silbermedaille. Nun muss sie mit der Bürde leben, dass die britischen Fans von ihr beim Heimspiel in London ähnliches erwarten. Aber ohne Zwänge durchs Studium hat sie den Rücken frei.