Hartmut Weber: "Fehler in der Pausengestaltung"
Der 400-Meter-Lauf zählte zu den erfolgreichsten Disziplinen in Deutschland. Doch die letzten Erfolge sind lange her. Das wollen die „Freunde der Leichtathletik“ ändern. Der Förderverein hat 7.000 Euro zur Verfügung gestellt, um Talente zu unterstützen. Im Interview mit Leichtathletik spricht Initiator Hartmut Weber (53) über die Ziele des Projekts.
Hartmut Weber, welches war 2012 im Weltvergleich die schwächste Bahn-Laufdisziplin in Deutschland?Hartmut Weber:
Das waren die 400 Meter. Leider.
Nun haben Sie mit dem Förderverein „Freunde der Leichtathletik“ ein Projekt entworfen, um die deutschen Viertelmeiler zu unterstützen. Wie kam es dazu?
Hartmut Weber:
Ein Freund ist in den Förderverein eingetreten und unterstützt ihn mit einer größeren Summe. Ich habe mich dafür stark gemacht, ein 400-Meter-Projekt ins Leben zu rufen. Das haben wir mit den „Freunden der Leichtathletik“ ja auch schon im Dreisprung verwirklicht.
Wo setzt Ihr Projekt an?
Hartmut Weber:
Ich möchte zusammen mit Nachwuchs-Bundestrainer Jörg Peter die ganz jungen Läufer erreichen. Wir haben die zehn besten 300-Meter-Läufer der U16 aus diesem Jahr zusammen mit ihren Heimtrainern vergangenes Wochenende für drei Tage in die Sportschule Kaiserau eingeladen. Diese Jahrgänge fallen ja noch nicht in die DLV-Kader. Wir wollen ihnen das 400-Meter-Training während der Wintermonate näherbringen und Hilfestellungen bieten. Ein weiteres Treffen ist im März geplant und ein Abschluss nach den Deutschen Jugend-Meisterschaften. Außerdem möchte ich meine Philosophie in der Trainerausbildung weitergeben. Für den nächsten Jahrgang soll das Projekt auch 2014/2015 weiterlaufen.
Ist es nicht zu früh, dass sich 15-Jährige auf die 400 Meter spezialisieren?
Hartmut Weber:
Darum geht es nicht. Wir wollen die Grundlagen schaffen. Und dazu ist Schnelligkeit gefragt. Natürlich sollen einzelne 400-Meter-Rennen in die Saison eingebaut werden. Aber das Hauptaugenmerk liegt in der Verbesserung der Schnelligkeit. Das ist das A und O für einen Viertelmeiler. Wer nicht unter 20,90 Sekunden über 200 Meter laufen kann, wird es auf 400 Metern nie unter 45 Sekunden schaffen.
Können Sie Ihre Ansätze auch auf den Männerbereich übertragen?
Hartmut Weber:
Das ist eine einfache Rechnung. Es geht über 400 Meter darum, ein hohes Tempo lange zu halten. In meinen besten Jahren war meine Renngeschwindigkeit über 400 Meter 7,2 Prozent langsamer als die über 200 Meter. Das war ein guter Wert, der auch heute nur selten erreicht wird. Der schnellste Deutsche 2013 mit 45,72 Sekunden war David Gollnow. Er liegt mit 7,7 Prozent schon dicht dran. Aber seine Ausgangsleistung von 21,09 Sekunden über 200 Meter ist natürlich auch nicht optimal. Auf der anderen Seite steht Eric Krüger. Er kommt mit 20,86 Sekunden über 200 Meter nur auf 45,77 Sekunden. Er büßt damit fast neun Prozent an Tempo ein. Das ist zu viel.
Welche Trainingstipps können Sie aus Ihrer Erfahrung geben. Schließlich waren Sie 1982 Europameister und ein Jahr später WM-Fünfter?
Hartmut Weber:
Jeder Athlet reagiert anders auf Reize. Darum gibt es kein Training, das auf alle passt. Ich glaube aber, dass Fehler speziell in der Pausengestaltung gemacht werden. Das fängt bei den Pausen zwischen den Läufen an, geht über die Pausen zwischen den wichtigen Trainingseinheiten bis hin zu den Pausen zwischen den Trainingsperioden. Die Läufer müssen ausgeruht ins Rennen gehen, physisch wie psychisch.
Wie sahen Ihre letzten Tage vor einem wichtigen Rennen aus?
Hartmut Weber:
Für mich war es optimal, wenn ich acht bis zehn Tage vor einem Rennen mein Training gedrosselt und nur noch zwei, drei wettkampfspezifische Läufe gemacht habe. Der 300-Meter-Test drei Tage vor dem Rennen war obligatorisch. Vielleicht sollte man den heutigen Athleten ein wenig mehr Luft vor dem Wettkampf lassen.
Ist es für deutsche Läufer überhaupt möglich, wieder in die erweiterte 400-Meter-Weltspitze vorzustoßen?
Hartmut Weber:
Daran glaube ich fest. Klar ist es schwieriger geworden, in ein großes Finale zu kommen, da es bei drei Halbfinals immer sehr eng zugeht. Doch dann ist im Finale umso mehr möglich. Mit meiner Bestzeit von 44,72 Sekunden gewinnt man im Schnitt bei jeder zweiten großen Meisterschaft - damit meine ich WM oder Olympia - eine Medaille. So wie Ingo Schultz 2001 mit 44,87 Sekunden als WM-Zweiter.
Würden Sie einigen deutschen 200-Meter-Spezialisten den Umstieg auf die Stadionrunde empfehlen?
Hartmut Weber:
Ja, denn ihre internationalen Chancen würden steigen und das Training ist gar nicht so unterschiedlich. Das hat ja auch Erwin Skamrahl gezeigt. Mein Credo bleibt: Ein guter 400-Meter-Läufer ist auf die Schnelligkeit mehr angewiesen als auf ein überragende Ausdauer.
Quelle: Fachzeitschrift Leichtathletik