| Berliner Trainingsgruppe

Heidler, Paesler, Woitha, Pfeiffer - Das „Hammer-Kleeblatt“

Sie stehen an verschiedenen Stationen ihrer Karriere und unterscheiden sich charakterlich. Vereint werden Betty Heidler, Carolin Paesler, Charlene Woitha und Vanessa Pfeiffer von einem gemeinsamen Ziel: Sie wollen den Hammer soweit wie möglich fliegen lassen und dafür trainieren sie gemeinsam in Berlin.
Jan-Henner Reitze

Es ist ein typischer Novembertag in Berlin: Obwohl es mitten am Tag ist, so richtig hell ist es nicht. Der Himmel grau. Das Wurfhaus im weitläufigen Sportforum Hohenschönhausen ragt hinter dem Trainingszentrum der Berliner Handball-Füchse heraus. Olympiastützpunkt, Leichtathletik-Halle, zahlreiche weitere Trainingsstätten und das Wohnheim für Sportler sind nur etwas mehr als einen "Hammerwurf" entfernt.

Seit ihrer Rückkehr in die alte Heimat Berlin im vergangenen Herbst trainiert Betty Heilder (LG Eintracht Frankfurt) hier. Nachdem Bundestrainer Michael Deyhle und Carolin Paesler (ebenfalls LG Eintracht Frankfurt) folgten, sind zur Wintervorbereitung die Nachwuchshoffnungen Charlene Woitha (SCC Berlin) und Vanessa Pfeiffer (ASV Erfurt) zu Gruppe dazu gestoßen. Außerdem gehören noch der US-Amerikaner Garland Porter (Bestleistung: 72,99 m) und Sebastian Lenz (LG Eintracht Frankfurt) dazu, der in Frankfurt trainiert.

Sein "Vierblättriges Kleeblatt", wie Michael Deyhle seine vier Athletinnen liebevoll nennt, stehen an ganz unterschiedlichen Stationen einer Sportkarriere. Vanessa Pfeiffer hat sich gerade für die Mission Leistungssport entschieden und ist dafür aus Erfurt nach Berlin gekommen. Die 20-Jährige bringt eine Bestleistung von 61,72 Metern und die Teilnahmen an den U18-Weltmeisterschaften 2011 und der U20-EM 2013 mit. Die 21-Jährige Charlene Woitha ist eine echte Berlinerin und steigerte den Rekord des Landesverbandes im zurückliegenden Jahr dreimal bis auf 65,92 Meter. Carolin Paesler übertraf 2014 erstmals die 70-Meter-Marke und stand im EM-Finale. Die 31-Jährige Betty Heidler ist seit Jahren das DLV-Aushängeschild im Hammerwurf und gehört zu den dominierenden Athletinnen weltweit.

Training in der Gruppe bringt Dynamik und Spaß

Nicht nur in der großen Alters- und Leistungsspanne sieht Michael Deyhle eine gesunde Mischung. "Für mich ist es auch erstaunlich, dass vier völlig unterschiedliche Charaktere harmonieren. Das kann man vorher nie wissen, wenn sich eine Gruppe bildet." Vanessa Pfeifer zeichnet sich durch ihre gut durchdachte Art aus, Charlene Woitha bevorzugt eher die chaotische Variante. Carolin Paesler charakterisiert Michael Deyhle als "die Ruhige“, Betty Heidler als "die Besonnene". "Der ältere Athlet profitiert von der Dynamik der jüngeren. Außerdem gibt es Vorbildfunktionen", so Michael Deyhle.

Weil Betty Heidler und Carolin Paesler die Trainingsübungen und Ansagen des Bundestrainers seit Jahren kennen und es oft schlicht einfacher ist, eine Übung anzusehen als erklärt zu bekommen, sind die beiden in gemeinsamen Einheiten des Quartetts oft zuerst an der Reihe. Jeder muss allerdings seinen eigenen Weg in der anspruchsvollen Disziplin finden. „Niemand wird kopiert“, erklärt Michael Deyhle, der Betty Heidler seit 13 Jahren betreut und dabei Höhen und Tiefen miterlebt hat.

Für eine junge Athletin wie Vanessa Pfeiffer sind die Erfolge des Gespanns Deyhle/Heidler natürlich ein Grund für den Wechsel in die Gruppe. "Weil die Vergangenheit zeigt, dass es funktioniert", so die Nachwuchshoffnung. In Erfurt fehlten Trainingspartner.

"Allein zu trainieren ist nie das Optimum", meint Betty Heidler, allein wegen des Spaßfaktors und der Möglichkeit sich nebenbei über Sport und darüber hinaus auszutauschen. Auch dabei werden Unterschiede innerhalb der Trainingsgruppe deutlich. "Manchmal denke ich: Mein Gott, bin ich weit weg“, so Heidler über die Gesprächsthemen beim Einlaufen oder während einer Pause im Training. „Das ist aber auch schön und spannend zu sehen, wer, wie tickt und wie Dinge aufgenommen und verarbeitet werden." Die Olympia-Dritte hofft, dass die Gruppe dafür sorgt, dass ihre Disziplin in Deutschland auch in langfristiger Zukunft Weltniveau zu bieten hat.  

Betty Heidler - ein Musterbeispiel der Karrieregestaltung

Nach mehr als zehn Jahren in der Weltspitze, einem Weltrekord, je einem WM- und EM-Titel, zwei WM-Silbermedaillen und einmal Olympia-Bronze ist Betty Heidler die beste Ansprechpartnerin in der Frage: Wie baue ich eine Karriere im Hammerwurf auf?

Mit der Zeit hat sich ein Stamm von größeren und kleineren Sponsoren aufgebaut, die LG Eintracht Frankfurt hilft den Hammerwurf professionell betreiben zu können, neben Unterstützung vom Verband kommen Preisgelder und Honorar durch den ein oder anderen PR-Termin in die Kasse. Beruflich ist die 31-Jährige als Polizei-Hauptkommissarin bestens aufgestellt und bereitet sich durch ein Jura-Studium zusätzlich auf die Zeit nach dem Sport vor. Die Finanzen managt Betty Heidler immer noch selbst. "Ich mache jeden Monat eine Buchhaltung." Bei der Steuer hilft ein Berater, der sich speziell mit Sportlern auskennt und beispielsweise weiß, wie mit Preisgeldern aus dem Ausland umzugehen ist.

Der Sport ist eben auch ein Geschäftsmodell und zwei Dinge waren für Betty Heidler entscheidend, dass ihr Modell über die Jahre soweit wachsen konnte, dass sie mittlerweile am Ende des Jahres etwas zur Seite legen kann: Sportlicher Erfolg und persönliche Kontakte. Soweit sind Carolin Paesler, Charlene Woitha und Vanessa Pfeifer noch nicht.

Vorkasse für den sportlichen Traum

"Was die duale Karriere angeht, also die berufliche Ausbildung neben dem Sport, sind wir in Deutschland durch die Beratung an den Olympia-Stützpunkten gut aufgestellt. Auch die Trainingsbedingungen stimmen", sagt Michael Deyhle. "Das Hauptproblem ist die Finanzierung der Sportler." Ohne finanzielle Unterstützung ihrer Eltern könnte Vanessa Pfeiffer ihren Traum von einer Hammerwurfkarriere nicht verfolgen, sie hat neben dem Sport begonnen an der TU Berlin Biotechnologie zu studieren.

"Wenn Vanessa an die Finanzierung ihrer Trainingslager denkt, bekommt sie graue Haare. Und sie ist noch zu jung, um graue Haare zu bekommen", erklärt Michael Deyhle. In Berlin müssen bei Vereinen und Sponsoren erst Ansprechpartner gefunden und davon überzeugt werden, eine Hammerwerferin ausreichend zu unterstützen. Mit der LG Nord Berlin ist ein neuer Verein gefunden, und der erste Schritt getan.

Charlene Woitha hat sich gerade für die Bundeswehr entschieden und steht damit finanziell besser dar, geht aber noch immer in Vorkasse für den sportlichen Erfolg. Bei Carolin Paelser, die ebenfalls der Sportfördergruppe der Bundeswehr angehört, halten sich Einnahmen und Ausgaben die Waage - dafür hat sie sich vorher bis auf Rang 31 in der Welt vorarbeiten. Der Weg bis dahin ist nicht nur sportlich eine Herausforderung gewesen, auch finanziell hat die 23-Jährige investiert.

In ihrem ersten großen internationalen Finale bei der EM in Zürich musste Carolin Paesler noch Lehrgeld zahlen. "Es waren einfach so viele neue Eindrücke", erinnert sie sich. Nach dem Vorkampf war Schluss. Im kommenden Jahr möchte die 23-Jährige erstmals bei Weltmeisterschaften dabei sein - und ihre Sache dort besser machen.

Betty Heidler nimmt WM ins Visier

Für Vanessa Pfeiffer und Charlene Woitha sind die U23-Europameisterschaften das Ziel des kommenden Jahres. Außerdem ist noch eine kleine interne Rechnung offen: Bei der U23-DM in Wesel im vergangenen Sommer war Charlene Woitha plötzlich in der für sie ungewohnten Favoritenrolle - nichts passte zusammen und sie wurde nur Dritte. Den Titel holte Vanessa Pfeifer. "Es tut mir zwar Leid für dich", sagt Charlene mit einem Lächeln auf den Lippen zu Vanessa, "aber ich hoffe, dass es im nächsten Jahr besser läuft."

Betty Heidler kann ihren Trainingsaufbau wieder ohne Einschränkungen angehen, nachdem sie sich nach einer Knie-OP im vergangenen Winter lange zurückhalten musste und erst spät voll einsteigen konnte. "Ich möchte weit werfen und Medaillen gewinnen", gibt sie die Ziele für 2015 aus. Der Fokus richtet sich auf die WM in Peking (China), die Enttäuschung nach der vergangenen WM in Moskau (Russland) mit dem Aus in der Qualifikation ist abgehakt und die im Zuge dessen gefallene Aussage "Nie wieder WM" vom Tisch. Weiter gejagt wird auch die magische 80-Meter-Marke.

Auch mit Blick auf ihre Trainingspartnerinnen nennt Betty Heidler einen großen Motivationsfaktor, der sie antreibt. "Wenn man mitbekommen hat, wie es ist oben zu stehen und zu gewinnen, dann möchte man das unbedingt wieder erreichen." Auf diesen Geschmack wollen auch Carolin Paesler, Charlene Woitha und Vanessa Pfeifer kommen.

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