| Interview Hochsprung-Legende

Heike Henkel – Immenser Erfahrungsschatz als Mentaltrainerin

In Barcelona 1992 noch Hochsprung-Olympiasiegerin, arbeitet Heike Henkel heute als Mentaltrainerin. Durch Workshops und Vorträge teilt sie nun ihr Wissen, das sie sich über Jahre im Hochleistungssport angeeignet hat. Auch bei der Förderung im Spitzensport hat die 52-Jährige ganz genaue Vorstellungen.
Nicolas Trinklein

Heike Henkel, früher waren Sie als Top-Athletin im Hochsprung für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) unterwegs. Heute geben Sie Workshops, sind Mentaltrainerin, eine gefragte Vortragsrednerin oder wie Sie selbst über sich sagen – Expertin für Hochleistung. Wie haben Sie diesen großen Spagat gemeistert?

Heike Henkel:

Nach der Geburt meines ersten Sohnes, Ravn, hatte ich zunächst mein Grafik-Design Studium abgeschlossen. Das war streckenweise neben dem Sport ziemlich anstrengend. Für mich war es deshalb auch mein zweiter „Olympiasieg“. Dann war mein zweiter Sohn, Morten, unterwegs und ich streckte meine Fühler nach möglichen neuen Aufgaben aus. Ich hatte den Vorteil noch aus der aktiven Zeit finanziell durch Kooperationspartner zu profitieren, so konnte ich mir Zeit mit Überlegungen lassen, in welche Richtung ich gehen will. In den Beruf als Grafik-Designerin einzusteigen, war zu schwierig, da mir Berufserfahrungen, die man während des Studiums sammelt, durch den Sport fehlten. Klar war für mich immer, dass der Sport zunächst erste Priorität hatte. Dann bemerkte ich, dass ich über einen immensen Erfahrungsschatz durch den Hochleistungssport verfügte und den wollte ich mit anderen teilen.

Wie kann man sich einen Workshop mit Ihnen vorstellen? Wo setzen Sie die Schwerpunkte?

Heike Henkel:

Zunächst müssen die Zuhörer einen kleinen Einblick über meine sportliche Laufbahn ertragen. Viele können sich gar nicht vorstellen, was es heißt Hochleistungssportler zu sein. Nämlich Risikobereitschaft, Fleiß, Flexibilität, Prioritäten setzen, sich immer neuen Herausforderungen stellen, Geduld und Ausdauer und nicht zuletzt die pure Lust an Spitzenleistung. Um nur einige Fähigkeiten zu nennen, die ein Spitzensportler mitbringt. Fähigkeiten, die auch im Berufsleben wichtig sind, um erfolgreich zu sein. Der Schwerpunkt liegt aber darin, dass die Teilnehmer sich selbst betrachten und herausfinden, welche Fähigkeiten sie schon besitzen und welche sie mehr fördern sollten. Mit spielerischen Übungen und regem Austausch lernen sie, sich individuelle Rahmenbedingungen zu stecken, die förderlich für sie sind und warum es so wichtig ist, eigenverantwortlich zu handeln.

Als ehemalige Europameisterin, Weltmeisterin und Olympiasiegerin kann man sicher viele wegweisende Erfahrungen weitergeben. Welche sind Ihnen dabei besonders wichtig?

Heike Henkel:

Mut über sich hinauszuwachsen, Niederlagen akzeptieren und aus ihnen lernen und das Zutrauen, sich Dinge vorzustellen, die einem zunächst unmöglich vorkommen. Ich mag den Spruch: "Es gibt Dinge, die man sich nicht vorstellen kann, bis man beginnt, sie sich vorzustellen."

Sie helfen anderen Menschen bei der Stressbewältigung durch Workshops. Welche Zielgruppe kann von diesen Workshops profitieren?

Heike Henkel:

Jeder, der merkt, dass der Stress bei ihm oder ihr zu viel Energie frisst und die eigenen Potenziale nicht mehr abgerufen werden können. Also jeder, der sich auf Dauer überfordert fühlt. Ein Leistungssportler steht permanent unter Strom. Und ein Beispiel, wie man sich vor überhöhtem Stress schützen oder wie man damit umgehen kann, habe ich im Leistungssport gelernt.

Spitzensportler stehen häufig im Fokus der Medien. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, den Athleten eine Medienschulung anzubieten?

Heike Henkel:

Ich halte es generell für sehr wichtig, sich auf möglichst viele Eventualitäten vorzubereiten. Das sind z.B. die Bedingungen, wie Wetter, Anlage, Unterkunft etc., die mich bei einem Wettkampf erwarten. Und dazu gehört es auch, für Interviews gewappnet zu sein. Hier ist es besonders wichtig, sich schon vorher bewusst zu machen, wie ich in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden will. Verstellen sollte sich keiner, aber die Erfahrungen von Experten sollte man auf jeden Fall in Anspruch nehmen.

Neben Ihrer Sportler-Karriere haben Sie einen Diplom-Abschluss als Grafik-Designerin an der Fachhochschule für Gestaltung in Köln absolviert. Schon früh haben Sie erkannt, dass man sich eine zweite Karriere aufbauen muss, um nach dem sportlichen Erfolg beidbeinig im Leben stehen zu können. Welche Tipps können Sie aus Ihren erlebten Erfahrungen den heutigen Top-Athleten mit auf den Weg geben?

Heike Henkel:

Zu einem Plan A, also Hochleitungssport, gehört immer ein Plan B. Wie auch immer der aussieht. Eine Sportkarriere dauert nicht ewig und sie kann auch ganz schnell von heute auf morgen zu Ende sein. Darauf sollte man vorbereitet sein. Außerdem hat mir das Studium den nötigen Ausgleich zum Leistungssport geboten.

Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht die Förderung im Spitzensport?

Heike Henkel:

Ohne Förderung geht nichts. Es wird immer schwieriger neben Schule, Ausbildung und eventuell Familie, sich mit gutem Gewissen für den Sport zu entscheiden. Entscheidet man sich für das eine, entscheidet man sich gleichzeitig eine wenig gegen das andere. Zumindest für die Zeit im Leistungssport. Und ich befürchte, dass in Zukunft immer weniger dazu bereit sein werden, sich ohne moralische oder finanzielle Unterstützung, für den Hochleistungssport zu entscheiden. Es geht nicht darum, durch den Sport reich zu werden. Der Sportler braucht aber eine gewisse Absicherung, um nach dem Sport im Berufsleben Fuß zu fassen. Ich wäre z.B. auch dafür, dass die aktive Zeit bei der Rente angerechnet wird. Wenn man sich für den Hochleistungssport entscheidet, dann bitte konsequent. Und damit meine ich die Geldgeber. Ein bisschen Hochleistung gibt es nicht. Die Förderung beginnt übrigens schon vor dem Hochleistungssport. Meiner Meinung nach ist es immer noch Zufall, dass ein Jugendlicher im Leistungssport ankommt. Ich wünsche mir eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen, eine flächendeckende Talentsichtung und natürlich die dafür nötige finanzielle Unterstützung vom Ministerium.

Mit Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart) hat der DLV wieder eine junge Top-Athletin im Hochsprung. Wie sehen Sie ihre Chancen für die Zukunft und die allgemeine Entwicklung im Hochsprung im Gegensatz zu früher?

Heike Henkel:

Sie hat den Einstieg in die Weltklasse geschafft, jetzt heißt es sich dort zu behaupten. Das Potenzial hat sie auf jeden Fall, aber ich weiß natürlich aus eigener Erfahrung wie schwierig das ist und dass jeder sein Tempo hat. In meiner Wahrnehmung haben wir im Jugendbereich einige Talente. Die Gefahr besteht leider, dass viele im Erwachsenenalter nicht ankommen. Ich kann nicht genau sagen, woran das liegt. Man sollte bei Jugendlichen immer im Fokus haben, dass der Erfolg meiner Meinung nach langfristig aufgebaut werden sollte. Ein hoch spezialisiertes Training im Jugendalter bringt vielleicht kurzfristig tolle Erfolge, aber langfristig vielleicht auch ein Motivationsloch oder führt den/die Athlet/in doch ganz schnell an ihre Grenzen. Wenn eine Athletin in jungen Jahren schon weitestgehend austrainiert ist, womit soll man im Training denn noch neue Reize schaffen?

In zwei Jahren findet in Berlin die EM 2018 statt. Warum ist es wichtig, dass eine so international hochkarätige Meisterschaft mit europäischer Beteiligung in Deutschland ausgetragen wird?

Heike Henkel:

Sehr wichtig. Leichtathletik live mitzuerleben hat immer noch einen besonderen Reiz und bringt sie den Menschen wieder näher. Im Fernsehen findet sie ja immer weniger statt und verschwindet dann auch aus dem Gedächtnis der Leute. Nur Live-Events können die nötige Atmosphäre transportieren, um die Menschen für etwas zu begeistern. Die WM 2009 hat es gezeigt. Die Leute haben Lust darauf und die Athleten im Übrigen auch. Das sind die besten Voraussetzungen, um die Leichtathletik wieder ins rechte Licht zu rücken.

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