Heike Meißners Rennen neben Hürden und Laufbahn
Schon einmal, beim olympischen Vorlauf in Sydney, hatte Hürdenläuferin Heike Meißner ein ähnliches Theater mitmachen müssen. Auch damals war sie wegen nicht vollständiger Hürdenüberquerung disqualifiziert worden. Wenige Minuten später wurde der Ausschluss jedoch wieder zurückgenommen. Dieses Mal dauerte es länger. Über 24 Stunden brauchten die Damen und Herren Schiedsrichter des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, um eine Tatsachenentscheidung zurückzunehmen, die einer Tatsache entbehrte.
Auch heute war Heike Meißner noch erschöpft von dem Kampf um ihr Recht, der erst gestern Abend entschieden wurde. (Foto: Klaue)
Als die Chemnitzerin am Montag ihr 400-Meter-Halbfinale als Vierte beendete hatte und damit laut erstem Ergebnis der Finaleinzug feststand, ging sie noch gut gelaunt durch die Mixed-Zone. Mit wartenden Journalisten diskutierte die 33-Jährige ihre Endlauf-Chancen. "Nicht Letzte werden", gab sie immer wieder als Ziel aus, da schon der Finaleinzug an sich ein großer Erfolg war. Doch wenig später verlor die Unterstufenlehrerin dieses Ziel vorübergehend aus den Augen, denn was ihr die Ukrainerin Tatyana Tereshchuk-Antipova erzählte, verschlug Meißner fast die Sprache. Sie war disqualifiziert worden. "Als ich auf den Computer geschaut haben, stand da wirklich dq' für disqualifiziert." ARD-Reporter informierten den DLV
Auch auf den Monitoren der Journalisten tauchten die zwei Buchstaben hinter dem Namen von Heike Meißner auf. ARD-Reporter riefen bei DLV-Mediendirektor Peter Schmitt an, der vorher noch nichts vom Aus gehört hatte. Dieser informierte zuerst Cheftrainer Dr. Bernd Schubert und Vize-Präsident Rüdiger Nickel. Beide schauten sich sofort den Lauf auf Video an und waren sicher: Da ist nichts gewesen. Heike Meißner ist korrekt gelaufen. Also legten sie Protest ein. Die Jury war gefragt.
In Ruhe begutachteten die IAAF-Offiziellen das Videoband und stellten fest, was Nickel und Schubert längst wussten: Es war kein Meißner-Fehler zu erkennen. Doch statt auf dieser Grundlage die Entscheidung zurückzunehmen, läuteten sie eine nächste Runde ein. "Die haben gesagt, es ist eine Tatsachenentscheidung gewesen und wir müssten den Gegenbeweis erbringen", berichtete Heike Meißner heute. In Windeseile schnitt die ARD neue Bilder zusammen, die zum Gegenbeweis taugten. Da aber derweil die Nacht herangerückt war, musste Meißner voller quälender Ungewissheit ins Bett gehen.
Äußerlich schon abgeschlossen
"Dienstagmorgen habe ich dann gehört, dass ich angeblich an Hürde vier den Fehler gemacht habe. Ich dachte, es sei vielleicht in der Kurve an Hürde sechs gewesen. Doch das war auch egal. Ich hatte eigentlich schon mit der Sache abgeschlossen", rekonstruiert die von Dietmar Jarosch betreute Athletin den Lauf der Dinge.
Nachdem auch während des Vormittags keine Jury-Entscheidung fiel, entschloss sie sich, ihrer Unruhe nachzugeben und in die Stadt zum Sightseeing zu gehen. Doch immer wenn das Handy klingelte, wurde sie nervös. "Auch wenn ich äußerlich schon abgeschlossen hatte, hoffte ich innerlich weiter." Der entscheidende Anruf kam um 20.05 Uhr. "Ein Journalist aus Chemnitz meldete sich bei mir und sagte, auf der Tribüne würden gerade Zettel mit der neuen Endlaufbesetzung verteilt und ich sei auch drauf."
Und weiter: "Da fiel ein enormer Druck von mir ab. Erst jetzt habe ich gemerkt, wie viel Stress das alles gewesen ist. Nun bin ich froh, dass noch ein Tag Zeit bleibt bis zum Finale. Dort habe ich nichts zu verlieren. Platz sechs oder sieben wäre schön. Ich kann entspannt an die Sache rangehen und es einfach nur genießen. Vor allem aber bin ich froh, dass meine 55,00 Sekunden anerkannt wurden."