Heinig: „Drei Teams haben Medaillen-Chance“
Mit der Cross-EM am Sonntag (8. Dezember) in Belgrad (Serbien) steht der letzte internationale Höhepunkt des Leichtathletik-Jahres auf dem Programm. Im Interview spricht der Leitende Bundestrainer Wolfgang Heinig über die Chancen der deutschen Starter und die Spezialisierung der Cross-Favoriten.
Wolfgang Heinig, 32 deutsche Starter gehen bei der 20. Cross-EM am Sonntag in Belgrad ins Rennen. Wie viele von ihnen haben Medaillenchancen?Wolfgang Heinig:
Drei Teams haben realistische Medaillenchancen. Im Einzel ist es mit den Voraussagen nicht immer ganz so einfach, da man nicht weiß, wer in welcher Form antritt. Das gilt speziell für die Nachwuchsklassen, wo jedes Jahr unbekannte Läufer aufrücken.
Die besten Aussichten haben schon fast traditionell die Frauen-Teams in der U20- und U23-Klasse. Warum tut sich das vermeintlich „starke Geschlecht“ in den vergangenen Jahren so schwer im Gelände?
Wolfgang Heinig:
Die genannten Teams haben gute Chancen, das stimmt. Man muss aber auch klar sagen, dass die Konkurrenz in den vergleichbaren Männer-Klassen deutlich größer ist. Dort geht es auch enger zur Sache. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir diesmal mit unserem Männer-Team gut abschneiden werden. Mit Läufern wie Philipp Pflieger, Steffen Uliczka und Richard Ringer haben wir das stärkste Männer-Team seit vielen Jahren am Start.
Nicht für die EM nominiert wurde Homiyu Tesfaye. Warum ist der WM-Fünfte über 1.500 Meter nicht dabei?
Wolfgang Heinig:
Er wäre ohnehin nur in der U23-Klasse gestartet, nicht bei den Männern. Da sein Vater aber schwer erkrankt ist, hat es ihm die Bundeswehr ermöglicht, in seine Heimat Äthiopien zu fliegen. Er wird erst wieder am 16. Dezember zurückkommen. Da er ja Sportsoldat ist, musste die Bundeswehr der Reise zustimmen. Ich hatte schon Kontakt mit ihm und bin beruhigt, dass er sicher in seinem Heimatdorf angekommen ist. Homiyu ist noch jung, er kann noch in den kommenden beiden Jahren bei der Cross-EM in der U23 starten.
Von einem deutschen Talent zum nächsten: Eine der Jüngsten im Team hat bei den Rennen zuletzt am meisten überzeugt. Was trauen Sie der 16-jährigen Alina Reh bei der EM zu?
Wolfgang Heinig:
Hinter ihr lieg ein starkes Jahr mit Platz fünf bei der U18-WM und den gelungenen Crossrennen wie Ende November in Darmstadt. Ich möchte da aber keine zu große Erwartungshaltung aufbauen. Alina soll ohne Druck ins Rennen gehen, dann wird sie auch ein gutes Ergebnis erzielen.
Was macht eigentlich einen guten Crossläufer aus, beispielsweise den ukrainischen Seriensieger Serhiy Lebid oder die irische Titelverteidigerin Fionnuala Britton?
Wolfgang Heinig:
Sie planen die Saison ganz anders als die Bahn- oder Straßenspezialisten. Sie wollen im November und Dezember in Topform sein, darauf ist ihr Training ausgelegt. Da können natürlich viele Bahnspezialisten nicht mithalten, die gerade erst wieder mit dem Aufbautraining begonnen haben.
Sollten Bahnläufer nicht auch verstärkt Crossrennen in ihre Saisonvorbereitung integrieren. Schließlich wird im Gelände die Kraftausdauer enorm geschult …
Wolfgang Heinig:
… Crossläufe sind ein gutes Mittel im Trainingsaufbau, ohne Frage. Eine echte Crosssaison vorzubereiten, ist für viele Bahnläufer aufgrund der Periodisierung nicht ganz einfach. Aber ein, zwei Crossrennen in den Saisonaufbau einzubauen, halte ich für ein probates Trainingsmittel.
Hätten Sie den stärksten deutschen Bahn-Langstreckler Arne Gabius gern in Belgrad mit dabei gehabt?
Wolfgang Heinig:
Natürlich wäre Arne Gabius in Top-Form eine Verstärkung für unser Team. Aber er legt den Schwerpunkt auf die Hallensaison mit der WM in Sopot. Die möchte er optimal vorbereiten, da passt die Cross-EM nicht in den langfristigen Aufbau.
Erst einmal bei nunmehr 20 Auflagen wurde die Cross-EM in Deutschland ausgetragen, 2004 auf Usedom. Wäre es nicht an der Zeit für eine erneute Austragung hierzulande, um dem Crosslauf in Deutschland ein bisschen Schub zu verschaffen?
Wolfgang Heinig:
Ich würde mich natürlich freuen, wenn es mal wieder eine Cross-EM in Deutschland geben würde. Ob es aber so weit kommt, müssen die entsprechenden Gremien entscheiden. Mit der Team-EM kommendes Jahr in Braunschweig und den Europameisterschaften 2018 in Berlin stehen bei uns zwei absolute Leichtathletik-Höhepunkte an. Damit sind natürlich Organisationskapazitäten vergeben, die auch eine Cross-EM benötigt. Aber eine Austragung auf Strecken mit Crosstradition wie in Darmstadt oder Regensburg hätte schon ihren Reiz.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift