Heinz Fütterer - "Kleine Feier im Schwarzwald"
Die Fünfziger Jahre waren ohne Zweifel "goldene Jahre" des deutschen Sprints. Manfred Germar, Martin Lauer, Armin Hary und Heinz Fütterer zählten zu den bedeutendsten Vertretern. Heinz Fütterer ist Ältester dieser Phalanx an deutschen Sprintern und feiert am Samstag in seinem Heimatort Elchesheim-Illingen (Landkreis Rastatt) seinen 75. Geburtstag.
Heinz Fütterer - Für so manchen Spaß zu haben (Foto: Schröder)
Alexander Pochert hat sich für leichtathletik.de mit dem Badener, der "der weiße Blitz" genannt wurde, unterhalten.leichtathletik.de:
Herr Fütterer, wie werden Sie Ihren Ehrentag feiern?
Heinz Fütterer:
Diesmal habe ich eine Feier im kleinen Kreis mit der Familie in einem Hotel im Schwarzwald vorbereitet. Meinen 70. Geburtstag habe ich damals in großer Runde mit vielen ehemaligen Athleten begangen. Mein 80., so der Herrgott es will, soll dann wieder groß gefeiert werden.
leichtathletik.de:
Wie wurde Ihr Talent für die Leichathletik entdeckt?
Heinz Fütterer:
Bei Dreikämpfen (60 Meter, Weitsprung, Ballweitwurf) in der Schulzeit war ich mit Abstand immer einer der Besten. Daraufhin habe ich mich entschieden, damals noch barfuss laufend, an den Kreismeisterschaften von Raststatt teilzunehmen, die ich für mich entscheiden konnte. Das Interessante daran war, dass ich zu dieser Zeit noch ohne Verein war und ich bei den Veranstaltern immer angab, dass ich Mitglied beim Leichtathletikverein Illingen wäre. Das war natürlich nicht ganz wahr, denn in meiner kleinen Heimatgemeinde gab es überhaupt keine Leichtathletikabteilung.
leichtathletik.de:
Ihren ersten nationalen Meistertitel errangen Sie 1949 dann als Weitspringer. Später wurden Sie dann aber ein "reinrassiger" Sprinter. Wie kam es zu diesem Wandel?
Heinz Fütterer:
In Braunschweig wurde ich, zu der Zeit startete ich für den SV Germania Bietigheim, deutscher Jugendmeister im Weitsprung. Aber schon damals hat mir der Sprint besser gefallen. Der direkte Kampf Mann gegen Mann, das hat mich gereizt. Nach meinem Wechsel nach Karlsruhe, zum KSC, war ich dann ausschließlich Sprinter. Der Umzug nach Karlsruhe ging einher mit einem Berufswechsel, vom gelernten Fischer wurde ich dort zum Kaufmann bei den Badenwerken.
leichtathletik.de:
Ab 1953 begann dann endgültig Ihre große Zeit. In Berlin konnten Sie zum ersten Mal die amerikanischen Sprinter besiegen…
Heinz Fütterer:
Genau, nachdem ich dreimal davor in Brustbreite gegen den damaligen US-Meister in Mailand, London und Oslo verloren habe, konnte ich mich in Berlin zum ersten Mal über die 100 und 200 Meter durchsetzen. Nach Berlin musste ich bei keinem Rennen mehr, bis 1955, eine Niederlage einstecken. Bei den ganzen Meetings 1953 bin ich immer zusammen mit den Amerikanern durch Europa gereist und ich habe einiges von ihnen lernen können. Für die ging ein 100-Meter Lauf nicht 100 Meter, sondern 100 und einen Zentimeter. Auch ihre Härte im Training, die mit einer großen Lockerheit gepaart war, war bewundernswert
leichtathletik.de:
Ihr großes Jahr war 1954, Sie wurden Europameister über die 100 und 200 Meter und konnten die Saison mit einem Weltrekord in Japan beschließen. Welche Erinnerungen haben Sie an Japan?
Heinz Fütterer:
Das war schon eine verrückte Reise nach Japan. Wir mussten in vier Wochen bei zehn Veranstaltungen laufen. Ich bin jedes Mal über die 100 Meter, 200 Meter und die Staffel an den Start gegangen. Am Ende hatte ich 30 Rennen in den Beinen. Und beim 29. in Yokohama konnte ich Jesse Owens Weltrekord (10,2 sec) einstellen. Das war die Leistung, die am meisten hier in Deutschland bejubelt wurde. Für mich persönlich war der Europarekord über 200 Meter der Höhepunkt. Das war nämlich nur 30 Minuten nach dem 100 Meter-Weltrekord. Ich konnte meinen Rekord von den Europameisterschaften in Bern noch mal um eine Zehntel auf 20,8 Sekunden verbessern. Speziell durch die Erfahrung in Japan, wo ich enorm viele Rennen gelaufen bin, kann ich sagen, Training kann nie einen Wettkampf ersetzen.
leichtathletik.de:
Dieses Jahr wurde dann auch gebührend belohnt und Sie wurden zum "Sportler des Jahres" gewählt…
Heinz Fütterer:
Das kam für alle, auch für mich selbst, sehr überraschend. Eigentlich dachte man, dass Fritz Walter, der im selben Jahr die deutsche Fußballnationalmannschaft zum Weltmeistertitel geführt hatte, gewinnen würde. Doch ich konnte die Wahl klar für mich entscheiden. Die Preisverleihung fand in einem Nebenzimmer eines Hotels in Karlsruhe statt. Geehrt wurde ich vom Oberbürgermeister und eigentlich sollte ich ein Moped geschenkt bekommen. Das konnte ich natürlich nicht annehmen, weil wir Athleten alle Amateure waren und deswegen keine größeren Geschenke annehmen durften. Stattdessen bekam ich dann ein Fahrrad.
leichtathletik.de:
Das Olympiajahr 1956 war weniger erfolgreich verlaufen. Was waren die Gründe?
Heinz Fütterer:
In dem ganzen Jahr habe ich mich in hervorragender Form befunden. 1956 ist eine gemeinsame Mannschaft aus der BRD und der DDR an den Start gegangen. Deswegen mussten wir westdeutschen Athleten zu einer Ausscheidung nach Ost-Berlin. Bei den 100 Metern spürte ich schon, dass ich eine Verhärtung in meinem Oberschenkel hatte. Eigentlich wollte ich deshalb auf einen Start über die 200 Meter verzichten. Doch der Stadionsprecher machte mir einen Strich durch die Rechnung und kündigte meinen Start über die 200 Meter an. Somit blieb mir keine Wahl und ich musste die 200 Meter laufen. Am Ausgang der Kurve fühlte ich die Schmerzen und mir war klar, dass der Muskel gerissen war. Die nächsten vier Wochen verbrachte ich dann im Krankenhaus in Berlin. Meine Chancen für die Olympischen Spiele in Melbourne waren damit natürlich dahin und am Ende musste ich mich mit einer Bronzemedaille mit der 4x100 Meter-Staffel zufrieden geben.
leichtathletik.de:
1958 haben Sie im Alter von 27 Jahren Ihre Karriere beendet. Davor haben Sie beim Sportfest des ASV Köln mit einer zusammen gewürfelten 4x100 Meter-Truppe einen legendären Weltrekord aufgestellt. Wie haben Sie diesen Abend erlebt?
Heinz Fütterer:
Die Staffel, die dort lief, ist aus der Not geboren. Sowohl bei uns Karlsruhern, als auch bei den Kölnern waren wichtige Personen verletzt und so haben wir beschlossen, eine Staffel zusammen zu stellen. Der Weitspringer Manfred Steinbach begann und übergab auf der Geraden den Stab an den Kölner Martin Lauer. Martin Lauer übergab dann an mich und ich als ausgewiesener Kurvenspezialist legte die vorletzten 100 Meter zurück. Schlussläufer war dann Manfred Germar, der unter dem Jubel des ausverkauften Stadions den Stab ins Ziel brachte. Meine Karriere beendete ich dann am Ende des Jahres, weil zu Hause nach der Geburt meiner Tochter eine Familie wartete, die versorgt werden musste. Wir konnten mit unserem Sport damals kein Geld verdienen und es ging einfach um die Existenz. Mein Glück war dann, dass ich ein Jahr später bei einem Sportartikelhersteller Repräsentant werden konnte. Ich verdiente dort gut, auch weil ich mich mit großem Ehrgeiz in meine Arbeit stürzte. Durch die Arbeit hatte ich natürlich auch das Privileg, viele Sportveranstaltungen besuchen zu können und somit immer in Kontakt mit dem Sport zu bleiben.
leichtathletik.de:
Sind Sie heute auch noch sportlich aktiv?
Heinz Fütterer:
Nicht mehr als Läufer, aber mit dem Golfen habe ich einen Leidenschaft entdeckt, der ich sehr gerne nachgehe. Rund um meinen Heimatort Illingen erreicht man zwölf Plätze in dreißig Minuten und trotz meines künstlichen Hüft- und Kniegelenks habe ich große Freude am spielen.
leichtathletik.de:
Haben Sie zu Ihren alten Freunden und Rivalen wie Manfred Germar, Armin Hary oder Martin Lauer noch Kontakt?
Heinz Fütterer:
Mit Armin Hary ist es ein wenig schwierig. Aber mit den anderen ist der Kontakt nach wie vor vorhanden. Unsere Frauen telefonieren fast wöchentlich miteinander und es ist über den Sport hinaus eine enge Freundschaft entstanden.
leichtathletik.de:
Zum Abschluss, welchen Geburtstagswunsch haben Sie, Herr Fütterer?
Heinz Fütterer:
Eigentlich nur einen. Der KSC soll diese Saison aufsteigen, damit wir nächstes Jahr wieder Bundesligafußball im Wildparkstadion erleben werden.
Heinz Fütterer wurde als 29. Persönlichkeit vergangener Leichtathletik-Tage in die Hall Of Fame von leichtathletik.de aufgenommen! Vorher würdigten wir dadurch bereits die Leistungen von Harald Schmid, Karl-Friedrich Haas, Carl Kaufmann, Klaus Wolfermann, Marlies Göhr, Bärbel Wöckel, Manfred Germar, Willi Holdorf, Heike Drechsler, Hartwig Gauder, Liesel Westermann-Krieg, Thomas Schönlebe, Rudolf Harbig, Bodo Tümmler, Lina Radke, Lutz Drombowski, Willi Wülbeck, Rosemarie Ackermann, Sabine Braun, Heide Ecker-Rosendahl, Lisa Gelius, Armin Hary, Ronald Weigel, Bert Sumser, Oliver-Sven Buder, Ulrike Nasse-Meyfarth, Lilli Henoch und Ilke Wyludda.
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