| Interview der Woche

Hendrik Pfeiffer: „Ich bin im siebten Himmel“

Hendrik Pfeiffer lief mit 2:13:11 Stunden am Sonntag bei seinem Marathon-Debüt in Düsseldorf die Olympia-Norm (2:14 h). Warum der 23-Jährige die klassischen 42,195 Kilometer viel früher als geplant gelaufen ist und er im nächsten Jahr wieder eine Saison auf der Bahn einschieben will, erklärte der Wattenscheider nach seinem Coup im Interview.
Christian Fuchs

Hendrik Pfeiffer, herzlichen Glückwunsch zur Olympia-Norm. Wie fühlt sich das für Sie an?

Hendrik Pfeiffer:

Das ist unbeschreiblich. Seit ich ein kleines Kind war, habe ich davon geträumt. Jetzt bin ich 23 und habe einen Schritt vor dem nächsten gemacht, indem ich den Marathon schon um ein Jahr vorgezogen habe. Dass sich jetzt alles erfüllt, was ich mir vorgenommen habe, das ist unglaublich. Damit bin ich im siebten Himmel.

Wie ist das Rennen in Düsseldorf gelaufen?

Hendrik Pfeiffer:

Die erste Hälfte bin ich in 66:36 Minuten gelaufen. Die zweite noch einen Tick schneller. Es war ein negativer Split. Das ist perfekt. Das habe ich mir nicht erträumt. Ich hatte zwar mit der Olympia-Norm geliebäugelt, habe die Chance aber realistisch bei 30 zu 70 gesehen. Gerade bei einem Marathon-Debüt gibt es ja viele Unwägbarkeiten wie das Trinken. Das ist alles perfekt aufgegangen.

Einen negativen Split läuft man auch nicht einfach so. Hat die Taktik sogar besser funktioniert als geplant?

Hendrik Pfeiffer:

Ja, die Taktik ist sogar besser aufgegangen. Mein Ziel war es, gleichmäßig um die 3:10 Minuten [Anm. d. Red.: pro Kilometer) zu laufen und bei 66:50 Minuten den Halbmarathon durchzugehen. Wir waren dort schon 16 Sekunden schneller. Ich habe mich aber so gut gefühlt und meine Tempomacher haben so solide und gleichmäßig das Tempo gemacht, dass ich da einfach mitgegangen bin und mir keine Gedanken gemacht habe. Der Punkt der Ermüdung kam einfach nicht. Man hört ja immer die Mythen: Bei Kilometer 35 geht es richtig los, dann kommt der Mann mit dem Hammer. Als ich aber bei 30 Kilometer war, dachte ich schon, dass es überhaupt kein Problem ist. Natürlich musste ich bei Kilometer 35 beißen, aber ich hatte nie das Gefühl, dass ich die Zeit verfehlen würde. Ich hatte mir schon einen Puffer herausgelaufen, der brasilianische Tempomacher brachte mich noch bis Kilometer 36. So ist alles wie im Flug vergangen. Die letzten sechs Kilometer habe ich auch gebissen. Ich wusste aber einfach in dem Rennen schon relativ früh, dass ich die Zeit drauf habe.

Gab es im Rennen überhaupt keinen kritischen Punkt und überhaupt keine Zweifel?

Hendrik Pfeiffer:

Nein, das ist das Überraschende daran. Im Vorfeld hatte ich natürlich selbst sehr viel gezweifelt. Ich wusste aber auch, dass ich kein Risiko eingehe. Ich hatte schon die EM in Amsterdam sicher und es war jetzt noch ein Experiment. Diese Unbekümmertheit konnte ich so gut umsetzen, wie ich es mir nie erträumt habe. Vielleicht habe ich jetzt meine Strecke gefunden, dass ich einfach das Talent zum Marathon habe. Ich werde auch langfristig darauf setzen, dass ich mich im Marathon noch weiter steigern kann.

Viele Läufer steigen erst viel später auf den Marathon um. Ist Ihr Beispiel ein Signal an andere, es ein bisschen früher zu versuchen?

Hendrik Pfeiffer:

Es gibt auch schon einige, die damit liebäugeln. Ich wäre auch 2017 mit 24 noch sehr jung gewesen. Ich denke mir: Warum nicht einfach mal ein Risiko eingehen? Es gibt momentan einen Aufschwung im deutschen Laufbereich. Da passt es sehr gut in diese Situation rein, dass es auch bei jüngeren Leuten klappen kann. Aber ich werde nächstes Jahr noch einmal einen Schritt zurückgehen auf die Bahn. Ich muss auf jeden Fall noch einmal die Unterdistanzen verbessern. 2018 möchte ich mit der Heim-Europameisterschaft in Berlin endgültig im Marathon angekommen sein. Jetzt habe ich aber erst einmal Rio, und das ist einfach nur was Großes.

Da muss doch schon eine riesige Vorfreude aufkommen…

Hendrik Pfeiffer:

Es ist jetzt schon vor Düsseldorf, obwohl ich mir meiner Sache überhaupt nicht sicher war, eine Vorfreude aufgekommen. Das ist einfach eine Faszination. Selbst die Halbmarathons sind natürlich toll und super in der Breite besetzt, aber ein Marathon ist immer noch was anderes und hat auch in der Gesellschaft einfach einen anderen Klang. Diese Begeisterung habe ich natürlich jetzt auch in den Wochen vor dem Marathon mitgenommen.

Damit hat der Marathon für Sie einen viel größeren Reiz als die Bahn?

Hendrik Pfeiffer:

Definitiv. Das wusste ich aber auch schon sehr lange. Ich habe mit 14 mit dem Laufen angefangen und relativ schnell hat mein damaliger Trainer, Jürgen Palm vom LAZ Rhede, gesagt, dass mich der Weg zum Marathon hführen wird. Ich hatte damals schon mehr Ausdauer als Schnelligkeit. Der Reiz auf der Straße am Start zu stehen, ist viel größer. Auch in Düsseldorf gab es Massen an Zuschauern. Alle fiebern mit, jeder kann etwas mit der Marathonzeit anfangen. Dazu kommt die historische Bedeutung.

Wann haben Sie im Laufe der letzten Jahre daran geglaubt, dass Olympia ein realistisches Ziel ist?

Hendrik Pfeiffer:

Ich war mir sicher, dass ich es irgendwann schaffen werde. Aber auf keinen Fall schon 2016. Ich habe 2020 angepeilt. Die Entscheidung, so früh auf den Marathon zu wechseln, kam eben durch die Änderung der Normen auf 2:14 Stunden. Da habe ich mir gedacht, das ist schon ziemlich schnell, aber warum soll es bei den Halbmarathon-Zeiten, die ich stehen habe, nicht klappen? Es war dieser Traum geboren. Dann bin ich zu meinem Trainer gegangen und habe gesagt, eher noch im Scherz: „Tono, lass mal umplanen.“ Er hat dann einfach „Ja“ gesagt. Ich hätte damals nie gedacht, dass er mir das zutraut. Durch seine Zustimmung habe ich aber sehr viel Rückhalt gespürt. Wenn der Trainer an einen glaubt, dann ist das immer ein Zeichen, dass es auch klappen kann.

Nun war es aber auch so, dass es bei Ihnen vor Düsseldorf ein dickes Fragezeichen gab…

Hendrik Pfeiffer:

Das stimmt. Es hätte mir in der Seele weh getan, wenn ich nicht hätte starten können. Ich hatte den Muskel auf Höhe des Schienbeins unglaublich zugespannt. Ich konnte gar nicht mehr auftreten. Deshalb konnte ich in der Vorbereitung nicht mehr so viel machen. Ich hatte dadurch acht Tage Ausfall, dann aber eine sehr gute ärztliche Betreuung bei uns am Olympiastützpunkt in Wattenscheid. Der Arzt hat das wieder sehr gut hinbekommen, so dass ich am Start stehen konnte.

Welche Rolle hat es für Sie gespielt, dass ein Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) gezeigt hat, man kann einen deutschen Rekord laufen, und dass auch Athleten wie der Regensburger Philipp Pflieger oder Julian Flügel (Asics Team Memmert) die Olympia-Norm erreicht haben?

Hendrik Pfeiffer:

Das hat eine große Bedeutung. Arne ist natürlich für fast alle in der Laufszene ein Vorbild, weil er einfach in Dimensionen reinläuft, in denen noch nie ein Deutscher war. Man hat ja trotzdem relativ viel mit ihm zu tun. Ich war in Kenia im Trainingslager mit ihm zusammen. Wir haben zwar keine Einheiten zusammen trainiert, aber man hat sich immer gesehen. Das bringt natürlich eine große Motivation, wenn jetzt auch im eigenen Land Vorbilder sind. Das hat mit Sicherheit auch dazu beigetragen, dass ich mir die Olympia-Norm zugetraut habe. Auch ein Philip Pflieger hat gezeigt, dass es möglich ist. Ich bin jetzt auch auf diesen Zug aufgesprungen und ich denke, es werden noch einige folgen. Auch mein Pacemaker Tom Gröschel will zumindest im nächsten Jahr einen Marathon in Angriff nehmen. Vielleicht hat das eine Sogwirkung, so dass noch einige mehr kommen bis 2020.

Haben Sie langfristig im Marathon ein bestimmtes Ziel, die Zeit betreffend?

Hendrik Pfeiffer:

Ich will auf jeden Fall mal unter 2:10 Stunden gewesen sein. Das habe ich schon recht früh formuliert. Zu diesem Ziel, dem wir jetzt schon ein Stück näher gekommen sind, stehe ich immer noch. Jetzt ist natürlich jede Minute im Training noch einmal viel Arbeit. Ich habe bei weitem noch nicht das Training ausgereizt. Da sind noch einige Schrauben, an denen ich drehen kann. Unter 2:10 möchte ich mal gelaufen sein. Dann ist nach oben alles offen.

Mehr:

<link news:47171>Hendrik Pfeiffer knackt die Olympia-Norm

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