| Porträt

Henrik Hannemann voll im olympischen Fokus

Für jeden Rekord zu haben: Nachwuchs-Hürdensprinter Henrik Hannemann hat in der Hallensaison nicht nur die deutsche U18-Bestleistung geknackt, sondern vor einer Woche in Hamburg auch die Landesrekorde über 100 (10,82 sec) und 400 Meter flach. Mit seiner Zeit von 48,55 Sekunden steht er außerdem auf Platz eins der DLV-Bestenliste. Ein guter Grund für den 17 Jahre alten Zeugen des U20-Europarekordes im 110-Meter-Hürden-Finale von Mannheim in der Zukunft auch die Langhürden im Auge zu behalten.
Pamela Ruprecht

Hürdenfreies Wochenende: Bei den Norddeutschen Meisterschaften in Hamburg standen keine Hürden auf der Laufbahn. Der Weg war frei für Henrik Hannemann, zu zwei U18-Landesrekorden für Schleswig-Holstein, 100 und 400 Meter in neuen Bestzeiten. Die 400-Meter-Zeit ist aktuell sogar Deutsche Jahresbestzeit. „Das erstaunliche war, dass ich die Rennen aus der reinen Hürdenvorbereitung gelaufen bin“, sagt Hannemann.

Dass er über längere Distanzen schnell ist, wusste der Athlet der LG Neumünster aber. 2012 war er über die 300 Meter Hürden schon dicht an die Deutsche U16-Bestleistung gelaufen. Die Langhürden haben er und sein Trainer seither im Hinterkopf. An einen Disziplinwechsel denkt Henrik Hannemann (noch) nicht. Auch in seiner Paradedisziplin, den 110 Meter Hürden kann er Tempo und Stehvermögen bestens gebrauchen. „Ein bisschen Ausdauer muss man hinten raus schon haben, eine breite Basis kann nicht schaden.“

Langhürden als Option

Wenn der Teenager in die Zukunft blickt und von Olympia träumt, denkt er auch an die längere Distanz. „Wenn es mit den Kurzhürden bei den Männern nicht klappt, möchte ich mir die 400 Meter Hürden als Option offen halten.“ Schnelligkeitsausdauer bringt er mit, das beweisen die 400 Meter. Und technisch ist er bei der Hürdenüberquerung sowieso ausgebildet.

In der vergangenen Hallensaison stellte er gleich im ersten Rennen über 60 Meter Hürden eine neue Deutsche U18-Bestleistung auf (7,83 sec). „Das hatte ich nicht erwartet, da ich den Lauf aus vollem Training bestritten habe und es ohne Konkurrenz nicht ganz leicht war.“ Umso größer war die Überraschung und Freude bei dem Nachwuchstalent.

Endspurt in Baku

Sein bisher aufregendster Wettkampf war die Qualifikation für die Olympischen Jugendspiele in Nanjing (China; 16. bis 28. August). Im Vergleich zur U18-WM im vergangenen Jahr in Donetsk (Ukraine) war der Druck größer. Bei der Ausscheidung in Baku (Aserbaidschan) gab es im Hürdensprint nur zwei Quotenplätze, das hieß vor dem entscheidenden Finallauf: Nur die ersten beiden kommen weiter.

„Aber mit Druck kann ich ganz gut umgehen. Ich denke in solchen Situationen nicht großartig nach, ich konzentriere mich einfach auf meinen Lauf, gehe nochmal alles durch. Konzentriere mich auf nichts anderes, auf keinen Konkurrenten. Ich mach`einfach mein Ding.“ Das ging auf: Im Vorlauf noch zu nah an und zu hoch über den Hürden, brachte Henrik Hannemann seine Top-Leistung im Endlauf aufden Punkt, in 13,59 Sekunden auf Rang zwei – so schnell war er davor nie.

Dass er vor allem hinten raus Dampf machen kann, zeigte der Rennverlauf. Mit jedem Meter schrumpfte der Vorsprung des führenden Spaniers Juan José Garrantxo. Der Deutsche U20-Hallenvizemeister kam nach anfänglich deutlich sichtbarem Rückstand im Ziel bis auf eine Hundertstel an seinen Kontrahenten heran. „Da macht sich bemerkbar, dass ich ein bisschen Sprintausdauer habe.“

Tischler und Trainer

Am Start gibt es noch Potential. Einer seiner Trainingsschwerpunkte in Neumünster: die Reaktionszeit verbessern und die ersten Hürden schneller nehmen. Sechsmal in der Woche geht es auf die Bahn, ein freier Tag. In der Wettkampfsaison  wird entsprechend reduziert. Er kommt in den Genuss von Einzeltraining. Passende Trainingspartner gibt es in Neumünster für Henrik Hannemann nicht, den kleinen Verein bevorzugt er wegen der Nähe zum Wohnort.

„Wir haben uns unsere Bedingungen hier selbst geschaffen. Mein Trainer hat viele Trainingsgeräte selbst gebaut.“ Seit drei Jahren wird er von Peter Malinowski trainiert. „Seitdem geht es bergauf.“ Peter Malinowski kommt ursprünglich aus Polen, wo er Sportwissenschaften studiert hat. Sein Abschluss als Diplom-Sportlehrer wurde in Deutschland jedoch nicht anerkannt, deshalb wurde Peter Malinowski auch noch Tischler.

Handwerkliches Geschick, das er auch beim Training seines Schützlings anwendet. Selbst gebaute Hürden oder Trainingsgeräte, um die Dehnfähigkeit und die Hüftflexibilität zu verbessern, kein Problem. Als ehemaliger Hochspringer (2,14 m) musste sich Malinowski mit den Hürden erst anfreunden. „Mittlerweile hat er sich ein großes Wissen angeeignet“, schätzt Hannemann seinen Trainer. Die Zusammenarbeit macht ihm viel Spaß.

Trainingslager mit Traber

Zur Saisonvorbereitung war Henrik Hannemann im April mit Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen) und dessen Trainerteam Marlon Odom und Sven Rees im Trainingslager auf Korsika (Frankreich). „Das war eine gute Zeit, die mich echt voran gebracht hat.“ Viele Techniktipps konnte Hannemann mitnehmen, der Hallen-WM-Fünfte Gregor Traber ist ein Vorbild. „Ich habe dort viel gelernt, nicht nur sportlich.“

Schnurstracks verlief die junge Karriere des Schülers. Bereits im Alter von fünf Jahren begann er mit der Leichtathletik und es hat auch nie eine andere Sportart für ihn gegeben. Schon sein Vater war früher Hürdenläufer und Zehnkämpfer in der erweiterten Landesspitze.

Für Schule und Training hat Henrik Hannemann das richtige Zeitmanagement gefunden. Die elfte Klasse des Immanuel-Kant-Gymnasiums hat er im Sommer absolviert, in zwei Jahren steht das Abitur an und danach: „Mal schauen.“ In seiner freien Zeit trifft er sich mit Freunden oder surft im Internet. Homepage und Facebook-Seite tickern seine Wettkampfresultate.

Zeuge des U20-Europarekordes

Weiteres internationales Flair hat er bei der Junioren-Gala in Mannheim getankt. Als jüngster Teilnehmer konnte sich Henrik Hannemann für das A-Finale qualifizieren. Das hat sich gelohnt. Wilhelm Belocian (13,15 sec) lief in diesem Rennen U20-Europarekord, Hannemann belegte Platz sechs (13,89 sec). „Auf Bahn eins war ich etwas weit weg vom Franzosen, aber sonst war es echt gut. Es war eine Ehre, dort mitlaufen zu können.“

Im Mittelpunkt stand die wertvolle Wettkampferfahrung. Die im Vergleich zur U18-Klasse knapp acht Zentimeter höheren U20-Hürden standen im Vorfeld im Training nicht oft auf dem Programm. Das machte sich aber wenig bemerkbar. Da der U18-Athlet in letzter Zeit selten Rennen ohne Rekorde läuft, musste nach 13,86 Sekunden auch der Landesrekord der U20 geändert werden.

Final-Traum Nanjing

Henrik Hannemann hält damit alle Freiluft-Landesrekorde Schleswig-Holsteins über die Kurzhürden von der M14 bis zur U20. Einen anderen Rekord musste er dafür abgeben. Im Block Lauf der M15 hat Nils Wiesel (LG Ohra Energie) die alte Marke von Hannemann (2.988 Punkte) vor zwei Wochen in Mönchengladbach zum zweiten Mal überboten. 76 Meter im Ballwurf gaben ordentlich Zähler für eine neue deutsche M15-Bestleistung (3.052 Punkte). Kommentar von Hannemann: „Ballwurf war nicht meine Stärke. Ich bin halt nicht so der Werfer-Typ.“

Dann lieber die Hürden. Im erfolgreichen Baku-Team, das sich zum Großteil für Nanjing qulifizieren konnte, waren siebzehn Mädels und nur drei Jungs. „Das war kein Problem, dass wir in der Unterzahl waren. Ich verstehe mich mit allen gut.“ Gute Voraussetzungen für den Ausflug zu den Olympischen Jugendspielen nach China. Sein Hauptziel ist dort das Erreichen des Finals und dann ist alles möglich. „Über die Hürden kann viel passieren. Dann kann es auch noch weiter nach vorne gehen.“ So fokussiert wie Henrik Hannemann trainiert und an der Startlinie steht, glaubt man ihm das gerne.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024