Henry Wanyoike eroberte Hamburg im Marathon
Henry Wanyoike war der heimliche Star des gestrigen Hamburg-Marathons. In 2:31:31 Stunden stellte der blinde Kenianer einen neuen Weltrekord für seine Behindertenklasse auf. Und, was daran mit am meisten beeindruckt, das nur eine Woche, nachdem er auch beim London-Marathon gelaufen war und dort bereits die Bestzeit von 2:32:51 Stunden auf die Uhr gebracht hatte.
Henry Wanyoike ist nicht zu bremsen (Foto: Herrlitz)
Zweimal Marathon um 2:30 Stunden innerhalb einer Woche und ohne zu wissen, wohin man bei dem nächsten Schritt tritt. Eine unglaubliche Leistung, bei der ein ambitionierter Hobbyläufer nur staunen kann und vor der die Profis den Hut ziehen. Selbst die Organisatoren in Hamburg hatten, nachdem sie von dem Rennen in London erfuhren, im Vorfeld ihrer Veranstaltung Zweifel an der wiedererlangten Leistungsfähigkeit des zweifachen Paralympics-Sieger von Athen.Im nachhinein stempelte Henry Wanyoike den Auftritt an der Themse sogar zum Trainingslauf ab. Er versicherte, dass er sich nicht zu sehr verausgabt hatte: "Eigentlich wollte ich dort einen Halbmarathon laufen. Aber dann lief es so gut, das Wetter war schön, so dass mein Führungsläufer Joseph Kibunja und ich beschlossen haben, durchzulaufen. Ich hatte mich ganz gezielt auf Hamburg vorbereitet. London betrachtete ich als Test, jetzt ging es um etwas."
Im Zeichen der Christoffel-Blindenmission
Trotzdem war auch auf der britischen Insel sein Auftritt nicht untergegangen und damit hatte er sein eigentliches Ziel erreicht. Henry Wanyoike, der vor zehn Jahren aufgrund einer Netzhauterkrankung plötzlich erblindete, will vor allem auf die Arbeit der CBM (Christoffel-Blindenmission) aufmerksam machen. "Ohne sie hätte ich nie das erreichen können, was ich erreicht habe. Sie hat mich nach meiner Erkrankung in einer Klinik aufgenommen und wieder an das Laufen herangeführt", berichtete er, wie er in der Dunkelheit wieder Lebensenergie schöpfen konnte.
Henry Wanyoike ist ein Botschafter des Behindertensports, den inzwischen viele in ihr Herz geschlossen haben. Er ist in diesem Jahr sogar für den "Laureus Award", sozusagen dem Oscar der Sportszene, nominiert. Er läuft gerne in Deutschland, dort erfährt er mit die meiste Anerkennung und hat viele Freunde. Im letzten Herbst startete er auch schon in Frankfurt.
"Jeder weiß, wer Henry ist"
In Kenia ist er ziemlich populär: "Jeder weiß, wer Henry ist." Trotzdem beklagt der 30-Jährige etwas. "Es gibt nicht viel Unterstützung, die Regierung tut sehr wenig. Wenn man nicht gerade wie ich das Glück hat, gefördert zu werden, ist es sehr schwierig." Dabei ist er selbst mittlerweile sozial sehr engagiert. Er hat eine Schule gebaut, engagiert sich für ein Waisenkinder-Projekt, hilft in einer Augenklinik mit und besitzt eine kleine Textilfabrik, in der blinde Menschen eine Aufgabe finden.
Der Afrikaner, der in der letzten Woche viele PR-Termine wahrnehmen musste, nimmermüde die immer wieder selben Fragen beantwortete und trotzdem am Sonntag eine Spitzenleistung abrufen konnte, war begeistert von der Hansestadt, wo ihm nun sein bisher größtes Husarenstück glückte. "Die Medien haben toll berichtet, die Zuschauer haben mich angefeuert. Das war sehr aufmunternd. Die Strecke war hervorragend."
Noch zwanzig Jahre
Henry Wanyoike, der am 8. Mai in Hannover über zehn Kilometer starten möchte, sieht sich mit seiner Mission aber noch lange nicht am Ende. "Seit dem Jahr 2000 kann ich beweisen, dass einen eine solche Sehbehinderung nicht matt setzt." Zwanzig Jahre möchte er das weiterhin zeigen und dabei noch schneller werden. "Mein großes Ziel ist, 2:25 oder sogar 2:20 Stunden zu laufen." Gerne würde er auch wieder in Hamburg mit dabei sein. Spätestens jetzt zweifelt wohl auch dort niemand mehr an seinen sportlichen Möglichkeiten.
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