Trainer-Wechsel-Dich – Das Karussell dreht sich
Es ist ein Phänomen, das man aus dem Fußball kennt! Wenn ein Trainer fliegt und die Mannschaft gewinnt das erste Spiel nach dem Rauswurf, hat natürlich der Neue das Wunder vollbracht. Auch wenn er noch nicht mal eine Woche beim aktuellen Club zu Gange ist. Der Sieg geht auf seine Kappe. Dabei scheint sich die ganze Angelegenheit mehr auf mentaler Ebene abzuspielen. Denn dass Mister X innerhalb weniger Tage den Fußball neu erfindet, ist eher unwahrscheinlich. Doch aus psychologischer Sicht, da scheint es zu funktionieren. Bei den Leichtathleten ist die Situation meist ein wenig anders.
Michael Kühnke trainiert künftig Stabhochspringer Björn Otto (Foto: Chai)
Das Training von Stabhochspringern, Sprintern, Langstreckenläufern oder Werfern mit dem der Fußballer zu vergleichen, wäre Äpfel mit Birnen gleichzusetzen. Sinn der Sache ist zwar im Endeffekt der gleiche wie bei den Kickern, durch eine veränderte und verbesserte Situation, neue Anreize, neue Impulse und neue Motivation durch andere Methoden und Ansätze zu schaffen. Doch die Unterschiede liegen auf der Hand. Schließlich ist Leichtathletik eine Individualsportart und nicht umsonst werden die Akteure oft als Mimosen oder Exzentriker bezeichnet, sie brauchen Einzelbetreuung. Je größer der Erfolg, desto größer die Anforderungen an den Trainer.
Die Eigenarten muss ein Coach ebenso berücksichtigen wie die Kriterien der sportwissenschaftlichen Methoden. Dies würde einerseits einem Trainerwechsel bei Stagnation der Leistung widersprechen, andererseits reißt sich der Einzelne vermutlich anfangs doch ein wenig zusammen und seine Macken blühen erst einmal im Verborgenen.
Stabhochsprung-Karussell
Im Stabhochsprunglager dreht sich das Karussell rasend schnell. Björn Otto wendet sich Michael Kühnke zu. Der Olympia-Vierte von Sydney, Michael Stolle, hofft auf Herbert Czingon, Danny Ecker und Richard Spiegelburg vertrauen künftig auf Jörn Elberding. Dabei kennt in der Stabhochsprungszene ohnehin jeder jeden.
Doch nicht nur im Stabhochsprunglager stehen Veränderungen an. Auch Hammerwerferin Susanne Keil will nach 16 Jahren neue Impulse setzen und verlässt die Gruppe um Bundestrainer Michael Deyhle, um in Leverkusen bei Helge Zöllkau anzuheuern. Diese Fälle gehören in die Kategorie "freiwillige Abgänge".
Allerdings gibt es auch Fälle, wo ein Trainerwechsel nicht so ganz freiwillig abläuft. Wie bei Thomas Springstein aus Magdeburg, der unter Verdacht steht, minderjährigen Athletinnen Dopingsubstanzen verabreicht zu haben. Anne-Kathrin Elbe, die mehrfache Deutsche B-Jugendmeisterin im Sprint und über 100 Meter Hürden, flüchtete bereits im Sommer zum TSV Bayer 04 Leverkusen. Sie will mit ihrem alten Trainer nichts mehr zu tun haben und vertraut jetzt auf Manfred Fink.
Was macht Nils Schumann?
Auch 800-Meter-Olympiasieger Nils Schumann wird sich ganz genau überlegen müssen, ob er sich weiterhin von Thomas Springstein betreuen lassen will. Bislang stand er noch vage zu seinem Trainer. Er hat sich noch nicht genau positioniert, hofft auf eine Wende zum Guten. Seine Freundin Korinna Fink hat sich dagegen bereits gegen Thomas Springstein und für Frank Möller in Potsdam entschieden. Wenn ein Sportler kein Vertrauen zu seinem Coach hat, hat die Zusammenarbeit ohnehin keinen Sinn mehr.
Doch es muss keine strafbaren Handlungen zur Folge haben, dass ein Athlet keinen Sinn mehr sieht als Team aufzutreten. Will der Coach das Beste für seinen Athleten und stellt seine persönlichen Eitelkeiten in den Hintergrund, was manchen zwar schwer fällt, aber manchmal unerlässlich ist, für die Karriere des Sportlers, siegt die Vernunft. Siegt besagte Eitelkeit, legt er seinem Ex-Schützling eher noch Steine in den Weg - und merkt nicht einmal, dass er ihn so schon gar nicht zurück gewinnt.
Gute Freunde
Doch man muss nicht unbedingt Zoff haben, um sich zu trennen. Im Gegenteil. Aber gerade dann fällt es umso schwerer andere Wege zu gehen, wenn man nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis hat. Denn dann möchte man seinem langjährigen Weggefährten nicht wehtun. Doch wer als Profi agiert, kann auf Wehmut keine Rücksicht nehmen. Wie etwa Katja Schötz, die ihren alten Trainer Reiner Aust nach wie vor als "sehr guten Freund" bezeichnet. Dennoch will sie in der kommenden Saison ihr Glück mit Juri Tscherer in Ludwigshafen versuchen. Oder Viertelmeilerin Claudia Marx, die sich nach zwölf Jahren unter Bernd Knobloch nun an der Seite von Dietmar Jarosch versucht.
Auch Claudia Gesell, die WM-Fünfte über 800 Meter, hat in der Oberpfalz eine neue Trainingsgruppe gefunden. Sie zeigt sich jetzt dreimal die Woche an der Seite der Läuferinnen der LG Domspitzmilch Regensburg, wo Kurt Ring die Fäden zieht. Ihr gefällt's nach den ersten Wochen dort: "Ein Danke an die Gruppe für die immer gute Laune im Training und den Spaß beim Laufen."
Sackgasse
Ingo Schultz und sein Entdecker Jürgen Krempin sind in diesem Jahr in eine Sackgasse geraten. Sorgte er 2001 bei der WM in Edmonton als Newcomer mit der Silbermedaille über 400 Meter für das große Highlight, lief in den vergangenen zwei Jahren gar nicht mehr viel. Darüber machte sich nicht nur Ingo Schultz, sondern auch sein Trainer seine Gedanken.
Denn genau der war es, der den Zwei-Meter-Mann entdeckt hat und ihn als Quereinsteiger an die internationale Spitze herangeführt hat. Und der Mann hat ja sein Wissen und seine Fähigkeiten nicht von heute auf morgen verloren. An der Stagnation spielen viele kleine Mosaiksteinchen eine Rolle. Aber wenn es nicht mehr funktioniert, so wie man es sich vorstellt, wenn die Zeiten einfach nicht mehr schneller werden, wird man als Athlet unsicher und unzufrieden, je nach Charakter auch aufmüpfig und gereizt. Und schon brennt die Bude.
Neues Spiel, neues Glück
Meist handelt es sich dabei um einen schleichenden Prozess, den man erst gar nicht merkt und dann nicht mehr aufhalten kann. Der Europameister über 400 Meter will nach zweijähriger Durststrecke einfach mal etwas Neues ausprobieren. Vermutlich in Leverkusen. Und er soll von Thomas Kremer betreut werden. Neues Spiel, neues Glück heißt die Devise.
Unter diesem Motto ist auch die Dritte der Junioren-WM von 2002 über 100 Meter Hürden, Tina Klein, wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie träumte von der großen Karriere in Mannheim bei Bundestrainer Rüdiger Harksen. Zwei Jahre später trainiert die Athletin wieder bei ihrem Vater, bei dem sie angefangen hatte, und startet künftig im Trikot des VfL Sindelfingen. Sie setzt auf Altbewährtes, will es in vertrautem Umfeld noch einmal versuchen.
Es gibt die unterschiedlichsten Motive für einen Trainerwechsel. Aber um welche Beweggründe es sich auch handelt. Es hängen Träume, der Wunsch, alte Zöpfe hinter sich zu lassen, aber auch neue Ziele und Hoffnungen daran. Auf bessere Zeiten. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Und wenn wirklich gar nichts mehr geht, hilft nur noch eins: gar kein Trainer. Dann kann man aber auch niemandem die Schuld in die Schuhe schieben, wenn es nicht funktioniert. Und das ist auch nicht das Wahre, oder?