Hildegard Falck-Kimmich wird Sechzig
1971 in Stuttgart war sie die erste Frau der Welt, die über 800 Meter unter zwei Minuten lief. Ein Jahr später bei den Olympischen Spielen in München wurde Hildegard Falck-Kimmich durch das von 80.000 Menschen umjubelte 800-Meter-Gold zu einem Star. Wenig später trat sie zurück, wurde nur noch selten in einer Arena gesichtet.
„Doch mein Herz schlägt noch immer für die Leichtathletik. Ich freue mich sehr auf die WM im August in Berlin, habe die Karten längst bestellt“, erklärt sie zu ihrem 60. Geburtstag, den sie an diesem Montag feiert. 38 Jahre nach ihrem Stuttgarter Weltrekordlauf erzählt die Ex-Wolfsburgerin interessante Details zur Vorgeschichte ihres Laufes in die Geschichtsbücher.„Das wurde damals alles nicht so bekannt, weil ich wegen einer privaten Einladung nach dem Rennen nur kurz mit den Medien sprach“, sagt die gebürtige Norddeutsche (Nettelrede bei Hameln), die heute in Fürstenfeldbruck nahe München lebt. Die Nacht vor dem geschichtsträchtigen Rennen bei den Deutschen Meisterschaften verbrachte die damals 22-Jährige im Keller ihres Quartiers zwischen Schuhkartons ihres Ausrüsters. „In meinem Zimmer war es wahnsinnig heiß, ich tat kein Auge zu und zog um.“
Heimlich geplant
Kein Mensch hatte vor dem Rennen erfahren, dass Hildegard Falck und Trainer Werner Riechmann Wochen zuvor heimlich den Weltrekord geplant hatten. „Die Form war gut, die Umsetzung klappte ideal: Ich lief die erste halbe Runde in 28,5 Sekunden an und die weiteren 200-Meter-Abschnitte in jeweils 30 Sekunden. Im Ziel sah ich an der Uhr, dass es Weltrekord war.“
Nur der Stadionsprecher hatte es nicht realisiert. „Erst als ein Raunen und Schreien im Publikum einsetzte, hat er gemerkt, dass gerade die 2:00,05 Minuten der Jugoslawin Vera Nicolic um zwei Sekunden verbessert worden waren“, sagt Hildegard Falck, die damals einen Leistungssprung machte, den ihr deutscher Rekord aus dem Vorjahr (2:02,8 min) nicht erwarten ließ.
Das Weltrekordjahr hatte ideal begonnen mit Gold bei der Hallen-EM in Sofia (Bulgarien; 2:06,1 min), aber es endete fatal. Bei den Europameisterschaften in Helsinki (Finnland) stürzte die Favoritin im Finale. „Viele gaben damals Gunhild Hoffmeister die Schuld an der Rempelei, für mich selbst war es einfach nur ein dummes Missgeschick mit schlimmen Folgen.“
Nur ein kleiner Trost
4x400-Meter-Silber hinter der DDR war wenig Trost. Auch für Olympia war sie Favoritin. „Ich stand sehr im Fokus, das war nicht einfach. Die überraschende Niederlage bei den Deutschen Meisterschaften kurz zuvor gegen Sylvia Schenk war kein Problem für mich. Ich wusste, dass ich gut in Form war. Bei Olympia hütete ich mich schon im Vorlauf vor Rangeleien, konnte im Finale im Spurt Nijole Sabaite knapp bezwingen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als die ganze Arena jubelte“, sagt die noch immer schlanke Blondine, die ihre Goldmedaille im Banksafe aufbewahrt.
Zwei Jahre später war Schluss, bald auch für die Ehe mit Rolf Falck. 1978 heiratete die Olympiasiegerin den Freiburger Arzt Klaus Kimmel, einen Betriebs-, Arbeits- und Sportmediziner. Auch Tochter Nina (30) ist heute Ärztin, Sohn Niko (27) Volkswirtschaftler. Sie selbst hat sich als Sportlehrerin beurlauben lassen - und mehr Zeit für den privaten Sport.
„Ich versuche, alle zwei Tage zu joggen, schwimme gern, manchmal spielen wir alle vier Tennis“, sagt Hildegard Falck-Kimmich, die nicht bedauert, dass es damals keine Chance gab, das Gold zu vermarkten. „Ich bin glücklich mit dem, was ich erlebte und habe viel mitgenommen aus dieser Zeit - auch wunderbare Freundschaften.“