Markus Esser - "Nicht am Ende der Fahnenstange"
Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) warf den Hammer bei den Weltmeisterschaften in Helsinki 79,11 Meter weit und schaffte damit einen unerwarteten vierten Rang. In diesem Jahr hat er sich bereits auf die 80-Meter-Marke eingeworfen. Im Interview mit leichtathletik.de blickt er nochmals zurück und erklärt, wie er sich durch die WM-Leistung für die Zukunft motiviert hat.
Markus Esser sorgte bei der WM für eine Überraschung (Foto: Kiefner)
leichtathletik.de:Wie haben Sie diesen am Ende doch undankbaren Platz vier bei der WM in Helsinki verarbeitet?
Markus Esser:
Der vierte Platz war damals noch unrealistisch für mich. Niemand hatte damit gerechnet, dass ich soweit vorn lande. Und ich selbst habe immer gesagt: Wenn ich unter die letzten Acht komme und vielleicht um Platz sechs mitwerfe, ist das schon ein Erfolg für mich.
leichtathletik.de:
Und die 19 Zentimeter?
Markus Esser:
Da ich damals um 19 Zentimeter eine Medaille verpasst habe, ist das jetzt, aus heutiger Sicht, für mich total ärgerlich. Aber ärgerlich eher im positiven Sinn. Es hat mich im ganzen Wintertraining sehr angespornt, bei jeder Trainingseinheit und es spornt mich vor allem bei den Wettkämpfen an.
leichtathletik.de:
War das Ganze also eher positiv im nachhinein?
Markus Esser:
Es brachte einfach einen positiven Aufschwung für mich. Früher habe ich immer gesagt: Das Größte, was mir mal passieren kann, ist, bei internationalen Höhepunkten eine Medaille zu bekommen. Im letzten Jahr hatte ich eine zeitlang eine Medaille und dann ist sie mir um 19 Zentimeter - im Rheinland heißt es so schön: um ein Kölschglas - durch die Finger gerutscht. Und das hat mich so sehr angespornt, dass ich im Winter noch härter und konsequenter trainiert habe und auch die Wettkämpfe viel konzentrierter und intensiver angehe.
leichtathletik.de:
Was heißt härter trainieren?
Markus Esser:
Härter kann man einfach gleichsetzen mit intensiver. Wenn man früher zum Training gegangen ist, dann hat man die Trainingseinheit einfach so runtergeschrubbt'. Heute geht man hin und hat immer im Hinterkopf, wofür die Trainingseinheit eigentlich gut ist. Und für mich heißt es einfach: 19 Zentimeter. Diese 19 Zentimeter sind eine magische Marke geworden.
leichtathletik.de:
Wie entspannen Sie sich eigentlich nach dem harten Training?
Markus Esser:
Ich würde gern mit meiner Harley Davidson fahren, aber ich fürchte, dass ich in diesem Jahr noch weniger dazu komme. Ansonsten wartet zuhause immer mein Hund auf mich, ein Schnauzermischling. Und wenn Jessy mich freudig an der Tür begrüßt und an mir hochspringt, dann sind schnell die Mühen des Trainings vergessen. Und natürlich richtet mich auch meine Freundin auf, wenn es nötig ist. Mit ihr wohne ich seit September zusammen.
leichtathletik.de:
Wo haben Sie im Winter trainiert?
Markus Esser:
Im Januar sind wir nach Kuba gefahren. Das Trainingslager dort war eine Erfahrung wert. Seitdem trainieren wir zuhause. Ich habe einfach in diesem Jahr mehr Unterstützung bekommen, von der Vereinsseite, von der Verbandsseite und von der Bundeswehr. Mir stehen alle Türen offen, die vielleicht eine Zeitlang mal verschlossen waren. Und man hat gesehen: Wenn man in dieser Region Leistung bringt, so wie ich sie bringe, ist nichts unmöglich. Man bekommt einfach andere Möglichkeiten zum Trainieren.
leichtathletik.de:
Wie schätzen Sie Ihre sportliche Entwicklung der letzten Jahre ein?
Markus Esser:
Seit Ende 2001 bin ich bei der Bundeswehr und habe ich mich voll auf den Sport konzentriert. Seitdem bin ich Vollprofi. Wenn man meine Leistungen aus der Vergangenheit ansieht, stellt man fest, dass jedes Jahr eine Steigerung gekommen ist. Angefangen habe ich damals mit einer Konstanz von 74 Metern, dann kam ein Niveau von 75 Metern, letztes Jahr waren es 77,50 Meter und dieses Jahr will ich in jedem Wettkampf 79 Meter werfen. Das spricht einfach für mich und die Arbeit, die wir in Leverkusen betreiben und auch für die Zusammenarbeit mit meinem Trainer Helge Zöllkau. Helge ist auf der Trainerseite das Beste, was mir passieren konnte.
leichtathletik.de:
Haben Sie sich körperlich in den letzten Jahren verändert?
Markus Esser:
Körperlich will ich nicht sagen. Bei einer Größe von 1,78 Metern wiege ich im Moment 106 Kilogramm, aber ich bin nicht irgendwie fett. Die Definition gewisser Muskelpartien ist in diesem Jahr stärker geworden. Das ist ein komplettes Zusammenspiel. Wir in Leverkusen haben nicht nur die Ambition, zu werfen und Krafttraining zu machen, sondern wir machen auch rundherum noch Sachen, die für den Körperorganismus und die Koordination sehr wichtig sind.
leichtathletik.de:
Kann man das an Leistungen messen?
Markus Esser:
Wenn ich meine Zubringerleistungen im Vergleich zum letzten Jahr betrachte, wo sie schon richtig gut waren, habe ich trotzdem gesehen, dass sie noch ausbaufähig sind. Und ich habe gemerkt, dass die Sachen jetzt einfach leichter gehen. Ich bin sicherer im Werfen geworden, das hat man in Halle gesehen. Ich habe dort mit 78,44 Metern begonnen, danach gleich 79,29 Meter geworfen, das spricht für sich. Danach habe ich etwas experimentiert, hatte einen 80-Meter-Wurf außerhalb des Wurfsektors.
leichtathletik.de:
Wie sehen Ihre Jahresziele aus?
Markus Esser:
Ich sehe mich noch nicht am Ende der Fahnenstange. Anfang des Jahres hatte ich mir drei Ziele gesetzt. Erstens Bestleistung zu erzielen, zweitens die EM-Norm zu werfen und drittens bei den Europameisterschaften einen richtig guten Wettkampf zu machen. Das erste Ziel habe ich mit meiner Bestleistung von 80,10 Metern schon erreicht. Die EM-Norm habe ich in Halle erstmals geworfen, nun werden noch viele Wettkämpfe folgen, in denen ich weitere Erfahrungen sammeln kann.
Das Interview führte Peter Grau