"Hobbysportler" Stefan Schmid trainiert für Athen
Blasse Briten und pummelige Dänen drängen sich aufgeregt an der Startlinie. Die Animateurin quäkt ein Kommando und los geht's. 15 Meter vor und wieder zurück, bis schließlich ein wackerer Skandinavier fünf Minuten später übrig bleibt. Als sich die Gelegenheitssprinter zufrieden auf die Tribüne verabschieden, gehört der Weitsprunganlauf wieder alleine Stefan Schmid, der ihn zuvor bereitwillig mit den Hobbysportlern geteilt hatte.
Stefan Schmid. (Foto: Chai)
Das war im Januar. In dem weiß getünchten Sporthotel an der Nordküste der Kanareninsel Lanzarote trafen die Übergewichtigen auf die Asketen, die Koronarsportler auf die Weltklassezehnkämpfer. Und ein solcher ist Stefan Schmid aus dem unterfränkischen Städtchen Karlstadt immer noch, obwohl er seit den Weltmeisterschaften vor zweieinhalb Jahren in Edmonton kaum mehr als eine Randnotiz im Tagesgeschäft Leichtathletik wert war. "Damals hatten wir genauso viel Stress an der Anlaufmarke", scherzt er in Anbetracht der Freizeitsportler, die auf seine Athen-Ambitionen nur wenig Rücksicht nehmen.
Schattendasein im Niemandsland
In der deutschen Öffentlichkeit stand Stefan Schmid meist im Schatten der Busemanns und der Meiers. In der Zehnkampfszene genießt der 1,87 Meter große und 85 Kilogramm schwere Athlet dagegen weiterhin größte Hochachtung. Die Zahlen seiner Karriere belegen, warum: 14 Zehnkämpfe über 8000 Punkte, eine Bestleistung von 8485 Punkten sowie fünf Teilnahmen bei internationalen Meisterschaften, bei denen er fast immer einen einstelligen Rang belegt hat.
Lediglich 1998 in Budapest kam er durch eine Fersenprellung stark gehandicapt nur auf den 14. Platz. Als er sich 2000 beim stark besetzten Wettkampf in Ratingen für die Olympischen Spiele in Sydney qualifizierte, war trotzdem eher die Rede von Strahlemann Frank Busemann, obwohl der - einmal mehr verletzt - nicht teilnehmen konnte.
"In Nordbayern trainier' ich immer so ein bisschen im Niemandsland", kennt Stefan Schmid einen weiteren Grund für seinen geringen Bekanntheitsgrad. Zudem gilt er, seit er nach der Trennung von seinem "Entdecker" Raimund Folger "sein eigenes Ding macht", als "Eigenbrötler, obwohl ich immer offen auf alle zu gehe."
Alfred Maasz, der ideale Partner
In Training und Wettkampf betreut ihn mit Alfred Maasz ein "idealer Partner": "Beim Training brauch' ich keinen Trainer, der mich motiviert. Alfred wirkt mit seiner ruhigen Art beruhigend auf mich." Seine Trainingspläne schreibt der Diplomsportlehrer (Abschlussnote 1,0) längst selbst.
Aber ist der Zehnkämpfer Stefan Schmid, den Alfred Maasz scherzhaft als "Hobby- und Seniorensportler" bezeichnet, nach sieben Knie-Arthroskopien im Alter von 33 Jahren nicht zu alt, um in Athen die dahin siechende, einstige deutsche Vorzeigedisziplin zu retten? "Mein bestes Jahr hatte ich 2001. Da war ich auch schon 31 Jahre alt. Also soll mir keiner erzählen, dass ich zwei Jahre später nicht mehr schnell laufen kann."
Von Götzis über Ratingen nach Athen
Deshalb ist die Planung für die nächsten Wochen längst fix. Über ein weiteres Trainingslager auf Teneriffa geht es Ende Mai in Götzis in die Vollen. Dann kommt im Juni Ratingen, wenn schon Olympia so richtig griechisch lockt.
Die Form scheint jedenfalls zu stimmen, der Optimismus auch: "Wenn ich von Verletzungen verschont bleibe, bin ich in Athen dabei. Und wer mich kennt, weiß, dass ich sicherlich kein Olympia-Tourist sein werde." In manchem Haushalten in Dänemark oder England wird man sich dann am 23. August vor dem TV-Gerät fragen, warum einem dieser deutsche Zehnkämpfer so bekannt vorkommt.