| Wer fährt zur U20-WM?

Hochklassiger Vierkampf der U20-Stoßerinnen

Vier Nachwuchs-Kugelstoßerinnen haben schon auf hohem und höchstem Niveau die DLV-Norm für die U20-WM in Bydgoszcz erfüllt. Es läuft ein spannender Kampf um die Startplätze, der erst bei der Junioren-Gala in Mannheim entschieden wird. Vorher stehen noch zwei weitere Norm-Wettkämpfe auf dem Programm.
Jan-Henner Reitze

Wie dicht Sieg und Niederlage bei den besten deutschen U20-Kugelstoßerinnen momentan beieinander liegen, hat vor allem Katharina Maisch (TuS Metzingen) am Wochenende bei den Halleschen Werfertagen erlebt. Am Samstag war die 18-Jährige mit einer Steigerung auf 16,65 Meter noch die strahlende Siegerin. Am Sonntag wollte die Kugel nicht weiter als 15,87 Metern fliegen. Der jungen Athletin stand ihre Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

Der Hintergrund der aufgeladenen Emotionen: Schon vier DLV-Kugelstoßerinnen haben die Norm für die U20-WM in Bydgoszcz (Polen; 19. bis 24. Juli) von 15,50 Metern übertroffen. Nur zwei von ihnen dürfen aber gegen die weltweit besten Nachwuchs-Hoffnungen antreten.

Als Siegerin des U23-Wettbewerbs von Halle hat Alina Kenzel (VfL Waiblingen; 16,89 m) am Sonntag die bisher beste Weite in diesem Sommer vorgelegt. Sarah Schmidt (LV 90 Erzgebirge) erzielte bei ihrem Saisoneinstieg 16,42 Meter und 16,34 Meter. U18-Weltmeisterin Julia Ritter (TV Wattenscheid 01) steht bisher bei 15,77 Metern.

Bundestrainer hat die Qual der Wahl

"Dieses Niveau haben wir lange nicht gehabt. Das ist positiv für die Entwicklung der Leistung insgesamt", erklärt der zuständige Nachwuchs-Bundestrainer Klaus Schneider. Die endgültige Entscheidung, wer nach Bydgoszcz fährt, fällt nach der Junioren-Gala in Mannheim (25./26. Juni).

Katharina Maisch bescheinigt Klaus Schneider das aktuell "beste athletische Niveau" und sieht gleichzeitig technisch noch großes Potenzial bei der Drehstoßerin. "Sie dreht nicht die im Spitzenbereich übliche anderthalbfache Drehung, sondern eine dreiviertel Drehung mit reingehen. So ist sie momentan im Wettkampf stabiler."

Insgesamt sieht der Bundestrainer auch bei den Frauen im Kugelstoßen eine Entwicklung hin zur Drehstoßtechnik, die bei den Männern international schon gegen das Angleiten dominiert.

Alina Kenzel hat größte Erfahrung

Mit Rang sieben bei der U18-WM 2013, der Teilnahme an der U20-WM 2014 und Rang sechs bei der U20-EM im vergangenen Jahr in Eskilstuna (Schweden) hat Alina Kenzel zuletzt kein internationales Großereignis für den Nachwuchs verpasst.

Im Winter hat die 18-Jährige die Kugel außerdem in drei Wettkämpfen nah an die 17 Meter befördert. "Mein Ziel für diesen Sommer ist 17 plus", erklärt die Deutsche U20-Hallenmeisterin selbstbewusst. Bundestrainer Klaus Schneider nennt sie "die stabilste" unter den Bydgoszcz-Kandidatinnen.

Sarah Schmidt hat Knieprobleme endlich im Griff

Dass sie eine Kämpferin ist, hat Sarah Schmidt schon außerhalb des Ringes mehrfach beweisen müssen. Drei Knie-OPs hat die junge Kugelstoßerin schon hinter sich, die letzte vor anderthalb Jahren. "Danach musste ich Kraft und Schnelligkeit völlig neu aufbauen", erzählt die Neunte der U20-EM, die mit dem Knie keine Probleme mehr hat.

Den Vierkampf um die Tickets zum Saisonhöhepunkt in Polen nennt sie eine psychische Belastung. "Du weißt nie, ob du dabei bist oder nicht. Der Konkurrenz-Kampf treibt uns nach oben. Das Problem ist, dass eine gute Athletin zu Hause bleiben muss", sagt die 18-Jährige, die in dieser Woche auch noch Abiturprüfungen hat. Das mit dem Sport unter einen Hut zu bringen, ist zurzeit für viele junge Athleten eine Herausforderung.

U20-WM ohne die U18-Weltmeisterin?

Die Umstellung von der Drei-Kilo-Kugel auf das Vier-Kilo-Gerät hat Julia Ritter gerade in diesem Sommer noch nicht ganz im Griff. Nachdem die Kugel in der Halle schon auf 16,30 Meter geflogen ist, stehen in diesem Sommer erst 15,77 Meter zu Buche. Zwar ist die Norm für Bydgoszcz damit erfüllt, ob es für einen der beiden Startplätze reicht, ist aber offen.

"Julia hat ein hohes physisches Niveau. Ihre Leistung mit der schwereren Kugel passt nicht zu den 18einhalb Metern mit der Drei-Kilo-Kugel", analysiert Klaus Schneider. "Das ist in erster Linie eine technische Frage. Die Vierer lässt sich nicht mehr so aus dem Oberkörper hinaus beschleunigen." So könnte es sein, dass die U18-Weltmeisterin im Kugelstoßen nach ihrem Aufstieg in die höhere Altersklasse nicht in ihrer Spezialdisziplin bei der U20-WM dabei ist. Das zeigt wie hoch das Niveau des DLV-Nachwuchses ist.

Es gibt aber noch einen Plan B. Im Diskuswerfen ist Julia Ritter mit 53,68 Metern die bisher beste deutsche U20-Athletin des Sommers. Für die Wattenscheiderin könnte also doch eine Reise nach Polen anstehen. Aber auch in Sachen Kugelstoßen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Vor dem Showdown bei der Junioren-Gala stehen am kommenden Samstag (28. Mai) in Frankenberg und am 12. Juni in Schapbach weitere Normwettkämpfe an, bei denen sich die Athletinnen positionieren können.

Großes Potenzial für die Zukunft

Egal wer die deutschen Farben bei der U20-WM vertreten wird, mit ihren Weiten liegen die DLV-Kandidatinnen auf Augenhöhe mit der weltweiten Konkurrenz. Bei den vergangenen drei Ausgaben der U20-WM ging Bronze mit 16,55 Metern, 16,48 Metern und 15,75 Metern weg. Die letzte DLV-Medaille gab es beim Sieg von Shanice Craft (MTG Mannheim; 17,15 m) 2010 in Barcelona (Spanien).

Vergleichbar mit der Ausgangslage in der U20 ist auch die Situation in der U18, wo es um die beiden Tickets für die U18-EM in Tiflis (Georgien; 14. bis 17. Juli) geht. Die Norm liegt bei 15,80 Meter. Hier haben in Halle Jule Steuer (SC Magdeburg; 17,52 m) und Hanna Meinikmann (TV Wattenscheid 01; 17,39 m) die bisher größten Weiten vorgelegt.

Klaus Schneider sieht darin die Chance, dass langfristig wieder Athletinnen in die Weltspitze vorstoßen. „Aber das braucht Zeit“, so der Bundestrainer. Parade-Beispiel dafür ist Weltmeisterin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge), die einen langen Weg zurück gelegt hat, um ganz oben anzukommen.

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