| U20-WM

Hochsprung-Talente in ungewohnter Rolle

Es ist eine wohl einzigartige Konstellation: Im Hochsprung der U20-WM schickt der DLV sowohl den U20-Europameister als auch den U20-Vize-Weltmeister an den Start. Tobias Potye und Falk Wendrich konnten in den vergangenen Jahren aus einer Außenseiter-Rolle heraus überraschen. In Eugene (USA) müssen sie diese Rolle in der kommenden Woche abgeben. „Fluch und Segen zugleich“ nennt das Nachwuchs-Bundestrainer Jan-Gerrit Keil, der die Athleten bei ihren Auftritten im Hayward Field begleiten wird.
Silke Morrissey

Jan-Gerrit Keil spricht gerne über Statistiken und Wahrscheinlichkeiten. Eine dieser Statistiken: Tobias Potye war in Rieti (Italien) im vergangenen Jahr der erste Deutsche seit 34 Jahren, der U20-EM-Gold gewinnen konnte. Eine andere: Falk Wendrich sorgte in Barcelona (Spanien) für die erste deutsche Hochsprung-Medaille bei einer U20-WM seit 2004.

Dass im dritten Jahr in Folge die dritte deutsche Medaille herausspringt ist, statistisch gesehen, unwahrscheinlich. Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, das muss selbst Jan-Gerrit Keil eingestehen, der eigentlich vor überzogenen Erwartungen warnt. Grund dafür ist auch die außergewöhnliche Leistungsdichte der deutschen Hochspringer des Jahrgangs 1995, die in Eugene ihren letzten internationalen Auftritt in der U20-Altersklasse feiern.

Sechs über 2,16 Meter

Gleich sechs deutsche U20-Athleten haben im Jahr 2014 die U20-WM-Norm von 2,16 Metern überboten, zwei davon nur in der Halle, vier im Freien. Es war ein harter Kampf um die WM-Tickets, mit David Nopper (LAV Stadtwerke Tübingen) musste schließlich ein Athlet zu Hause bleiben, der mit 2,20 Metern zu den Top Ten der Welt gehört.

Als konstantester Springer hat sich zuletzt U20-Europameister Tobias Potye (FC Aschheim) erwiesen. Dreimal konnte er in diesem Jahr schon 2,22 Meter überqueren. Weltweit kamen bisher nur vier U20-Athleten höher hinaus. Dass er damit nicht mehr aus einer Außenseiter-Rolle heraus angreifen kann, ist klar. Er kennt viele der Gegner, er weiß, wo er im internationalen Vergleich steht. „Aber darüber mache ich mir keinen Kopf“, sagt er.

Der 19-Jährige will sich in Eugene nur auf sich selbst und auf die Latte konzentrieren und sich die Sprünge der Konkurrenz gar nicht ansehen – das hat schon in Rieti bestens funktioniert. Er ist mit einem idealen Last-Kraft-Verhältnis ausgestattet und kann sich auf seine starke Technik bei der Lattenüberquerung verlassen.

Es kribbelt schon

Einen anderen Weg hat Falk Wendrich hinter sich. Nach langwieriger Verletzung musste sich der Wattenscheider in diesem Sommer wieder neu beweisen. Die Unbeschwertheit und Leichtigkeit von Barcelona ist noch nicht wieder ganz zurück, bei der Junioren-Gala in Mannheim wurde er hinter Tobias Potye und David Nopper nur Dritter. Trotzdem: „Da habe ich wieder das Kribbeln gespürt, so eine Hitze, die vom Kopf auf den ganzen Körper ausstrahlt“, sagt er und versprüht dabei unbändige Vorfreude auf den kommenden Wettkampf.

Am Dienstag, den 23. Juli steht die Qualifikation auf dem Programm. Beide Hochspringer wissen, dass sie beim Einmarsch in das Hayward Field von Eugene historischen Boden betreten. Vor einem Jahr überquerte hier Mutaz Essa Barshim (Katar) als erster Athlet seit 2000 wieder die magischen 2,40 Meter. 2010 war er in Moncton (Kanada) mit 2,30 Metern U20-Weltmeister geworden.

Weißrusse führt Bestenlisten an

2,30 Meter – das sind Regionen, die für Potye und Wendrich (noch) außer Reichweite sind. „Wenn wir es schaffen, ein oder zwei Athleten des Jahrgangs 1995 in der Aktivenklasse in diese Regionen zu bringen, wäre das ein Erfolg“, sagt Jan-Gerrit Keil, der den männlichen U20-Nachwuchs lange betreut und diese Rolle Ende 2013 an Sophia Sagonas abgegeben hat.

An die ferne Zukunft werden die Athleten selbst in den Tagen vor Eugene keine Gedanken verschwenden. Im Fokus steht die Qualifikation am Dienstag und das Finale am Donnerstag (25. Juli). Und dass dort 2,30 Meter-Sprünge zu sehen sein werden ist kaum zu erwarten. Die internationalen Bestenlisten führt mit 2,26 Metern der Weißrusse Andrei Skabeika an. Es folgen zwei Athleten mit 2,24 und einer mit 2,23 Metern Bestleistung. In Schlagdistanz: Potye und Wendrich.

Sprungästheten

„Ziel ist erst einmal das Finale, und das zu erreichen wird schwer genug“, sagt Jan-Gerrit Keil. Ist die Qualifikation überstanden, sei die Wettkampf-Situation völlig offen. „Tobias und Falk sind stark, jeder auf seine Art“, erklärt er. „Beide haben eine gute Wettkampf-Aggressivität, beide sind Ästheten und wollen schöne Sprünge abliefern.“

So ähnlich hat Falk Wendrich in der <link file:106016 _blank>DLV-Teambroschüre auch sein Ziel für Eugene formuliert: „Der eleganteste Springer von allen sein“, lautet da seine eigene Vorgabe. Tobias Potye ergänzt den Gedanken: „Wenn die Sprünge sich gut anfühlen und schön aussehen, dann sind sie auch hoch.“

Klingt ganz einfach, das Rezept zum Erfolg. Vielleicht können die beiden Höhenjäger damit ja die statistischen Wahrscheinlichkeiten außer Kraft setzen – und für die nächste Überraschung sorgen.

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