Höhentraining - Die Kraft der Berge
Spitzenläufer nutzen Höhentraining seit Jahrzehnten, um ihre Leistung zu steigern. Von deren Erfahrungen können auch Sie profitieren.
Sie wollen an einem Lauf im Hochgebirge teilnehmen? Sie wollen den Familienurlaub in den Bergen mit einem effektiven Trainingslager verbinden? Oder Sie haben von den leistungssteigernden Effekten eines Höhentrainings gehört und wollen es am eigenen Körper ausprobieren? Gute Gründe, sich mit dem Thema Laufen in dünner Höhenluft auseinander zu setzen.Freizeitsportler profitieren
Auch wenn es nicht dem gleichen Zweck dienen kann wie bei Spitzenläufern. Denn die setzen Höhentraining meist erst dann ein, wenn sie mit den üblichen Trainingsmethoden im Flachland an ihrer Leistungsgrenze angekommen sind. Erst dann ist Höhentraining angesagt, um Mittel- und Langstrecken noch schneller laufen zu können.
Doch auch, wenn Sie längst noch nicht Ihr Leistungsvermögen ausgereizt haben, kann Höhentraining das Richtige sein. „Sogar Freizeitsportler, die noch nicht so lange laufen, können vom Aufenthalt in der Höhe profitieren“, erklärt Dr. Birgit Friedmann. Die ehemalige Junioren-Weltrekordlerin über 1.500 Meter beschäftigt sich in der Abteilung für Sportmedizin am Uni-Klinikum in Heidelberg intensiv mit den Auswirkungen des Höhentrainings. „Hobbyläufer müssen das Training ihren individuellen Grundlagen anpassen“, empfiehlt die Wissenschaftlerin.
Wandern statt Laufen?
Und dabei kann dann auch schon mal eine Bergwanderung das Lauftraining ersetzen. Denn in der Höhe verringert sich zunächst die Ausdauerleistungsfähigkeit. So lassen sich beim Wandern in Höhen zwischen 2.000 und 2.500 Metern durchaus Belastungen realisieren, die dem Dauerlauf im Flachland entsprechen.
Und solche Trainingsformen sind beim Höhentraining zentral. Zumindest in den ersten beiden Wochen eines längeren Höhenaufenthaltes sollten Hobbyläufer keine Trainingseinheiten planen, in denen Geschwindigkeiten gelaufen werden, die dem 10-Kilometer-Wettkampftempo nahe kommen.
Erfolgreiches Höhentraining
> ab 1.800 Metern Höhe über dem Meer
> Gesamtdauer drei Wochen oder länger
> täglich mindestens 16 Stunden in Höhe aufhalten
> Verbesserung der aeroben Ausdauer im Mittelpunkt
> ruhige Läufe bilden Schwerpunkt des Trainings
> bei Intervalltraining längere Pausen zwischen den Läufen einplanen
> jedes Training mit im Vergleich zum Flachland reduzierten Geschwindigkeiten
Keine zu intensiven Belastungen
„Es ist ein Kardinalfehler, sich beim Höhentraining in der ersten Woche zu intensiv zu belasten“, warnt Paul Schmidt. Der ehemalige Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) hat seit den Olympischen Spielen 1968, die in Mexiko City (Mexiko) auf einer Höhe von 2.240 Metern über dem Meer stattfanden, Erfahrungen mit Höhentraining für Läufer gesammelt.
Dabei hat er bemerkt, dass manche Athleten nach der Ankunft in den Bergen „eine Höheneuphorie entwickeln“. Solche Läufer fühlen sich beim Training in großer Höhe von Anfang an wohl und laufen deshalb zu schnell, wodurch sie den Trainingseffekt gefährden.
Ganz unterschiedliche Reaktionen
Doch das gilt längst nicht für alle Läufer. „Die Reaktionen in großer Höhe sind sehr unterschiedlich“, erklärt Birgit Friedmann. Während der eine Läufer beim Training in der Höhe sehr große Schwierigkeiten hat, dafür aber nach der Rückkehr ins Flachland mit einer stark verbesserten Ausdauerleistungsfähigkeit aufwarten kann, gibt es andere, die fast problemlos in der Höhe trainieren können. Mit der Erforschung dieses Phänomens beschäftigt sich die Wissenschaftlerin derzeit.
Hauptfehler in der Höhe
> zu intensive Belastungen in der ersten Woche des Höhenaufenthaltes
> zu umfangreiche wettkampfspezifische Belastungen
> zu kurze Pausen beim Intervalltraining
> Anreise mit instabiler Gesundheit
> zu wenig Schlaf
> Genuss von Alkohol
> falsche Ernährung
> zu geringe Flüssigkeitszufuhr
Geringere Herzfrequenz
Dabei hat sie auch festgestellt, dass beim Höhentraining das Verhältnis der Herzfrequenz zu den Laktatwerten im Blut verändert ist. „Die Herzfrequenz ist bei gleicher relativer Belastung niedriger“, sagt sie.
Diese Erkenntnis ist für die Steuerung des Höhentraining wichtig, denn im Umkehrschluss heißt das: Bei gleichen Pulswerten ist die Belastung für den Körper in der Höhe größer als im Flachland. Ziehen Sie also beim Höhentraining immer ein paar Schläge ab, wenn sie mittels Herzfrequenzmessung die von zu Hause gewöhnten Intensitäten erreichen wollen! Sie werden überrascht sein, wie intensiv in der Höhe eine Bergwanderung sein kann.
Die Bergwelt genießen
Aber das ist ja auch positiv: Sie absolvieren ein Höhentraining, ergänzen die Wanderungen um einige ruhige Läufe in der Höhe, genießen zusammen mit Ihrer Familie oder Freunden die herrliche Bergwelt und kommen erholt und leistungsfähig ins Flachland zurück.
An ein echtes Höhentrainingslager mit intensiven Belastungen sollten Sie sich allerdings erst dann wagen, wenn sie sich mit dem Training im Flachland Ihren Leistungsgrenzen genähert haben. Denn die Höhe ist ein sehr wirksames Medikament. Und auch dann sollte das Höhentraining mit genügend Abstand zum Wettkampf eingeplant werden. Experten empfehlen einen Abstand von zirka zwei Wochen zwischen der Rückkehr aus der Höhe und dem ersten Wettkampf.
Was passiert in der Höhe mit meinem Körper?
In Höhen über 1.800 Metern ist der Luftdruck deutlich geringer als auf Meeresniveau. Das führt dazu, dass mit dem gleichen Volumen Luft pro Atemzug weniger Sauerstoff in die Lunge gelangt. Der Sauerstoffgehalt des Blutes sinkt ab, die Muskeln werden schlechter mit dem Gas versorgt, das essenziell für eine ökonomische Energiegewinnung (aerober Stoffwechsel) ist. Dadurch kommt es zunächst zu einer Verringerung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Der Körper versucht, den Sauerstoffmangel durch gesteigerte Atmung auszugleichen. Außerdem wird vermehrt Flüssigkeit ausgeschieden, um die Konzentration der Sauerstoffträger im Blut (rote Blutkörperchen/Hämoglobin) zu steigern. Das Blut wird dicker. Bei längeren Höhenaufenthalten passt sich der Körper langsam dem verminderten Luftdruck an (Akklimatisation): Er produziert vermehrt rote Blutkörperchen und die Enzymaktivität in der Skelettmuskulatur verbessert sich ebenfalls. In wissenschaftlichen Studien wurde nachgewiesen, dass sich der Hämoglobin-Gehalt des Körpers mit Aufenthalten in der Höhe um sechs bis neun Prozent steigern lässt. Dadurch kann mehr Sauerstoff von der Lunge zu den Muskeln transportiert werden. Die maximale Sauerstoffaufnahme wird größer. Bei längeren Höhenaufenthalten verbessert sich dadurch die Ausdauerleistungsfähigkeit deutlich.