Yuliya Nesterenko vom Nobody zum Olympia-Star
Eine 25-jährige Weißrussin sorgte für die erste große Überraschung der olympischen Leichathletik-Wettbewerbe in Athen. Auf den letzten Metern des 100-Meter-Finales fing Yuliya Nesterenko die in Führung liegende US-Amerikanerin Lauryn Williams noch ab und wurde in 10,93 Sekunden Olympiasiegerin. Noch im vergangenen Jahr war Yuliya Nesterenko ein Nobody in der internationalen Leichtathletik.
Yuliya Nesterenko durfte als Olympiasiegerin auf die Ehrenrunde gehen (Foto: Chai)
Es war das erste Mal seit den Olympischen Spielen 1980 in Moskau, dass keine US-Amerikanerin über 100 Meter olympisches Gold gewann. Damals freilich hatten die USA die Spiele in der Sowjetunion blockiert, die Siegerin hieß in Moskau Ludmila Kondratjewa (UdSSR). Noch vier weitere Jahre zurück liegt die letzte Niederlage der besten US-Sprinterin in einem olympischen Finale. Das war 1976 in Montreal – und damals gewann Annegret Richter. Die Ergebnisse des olympischen 100-Meter-Frauenfinals spiegeln offensichtlich den deutlich härteren Kampf gegen Doping in den USA wider. Die beiden Amerikanerinnen, die vor einem Jahr bei der WM in Paris Gold und Silber gewannen – Kelli White und Torri Edwards – sind inzwischen wegen Dopings gesperrt. Ähnliches gilt für Chryste Gaines. Und Marion Jones konnte, seit auch sie unter Verdacht steht, längst nicht mehr an ihre früheren Leistungen anknüpfen. Die olympische Titelverteidigerin verpasste die Qualifikation über 100 Meter. Im Weitsprung wird sie in Athen antreten, vielleicht auch in der 4x100-Meter-Staffel des US-Teams. Dass die Siegerin der US-Olympiaausscheidungen, LaTasha Colander, dann in einem olympischen Finale nur Letzte wird, ist auch außergewöhnlich.
Misstrauen lief mit
Dieser 100-Meter-Endlauf von Athen war eine Niederlage für die USA, aber zumindest ein Teilerfolg für den Anti-Doping-Kampf. Doch wie ,sauber' dieses Finale der acht schnellsten Läuferinnen der Welt war, darüber kann man nur spekulieren.
Eine Portion Misstrauen lief immer noch mit in diesem Finale. Und gleich bei der ersten Frage in der Pressekonferenz sollte die 25-jährige Yuliya Nesterenko ihre Leistungssteigerung erklären. Ihre zwei Jahre alte 100-Meter-Bestzeit stand vor dieser Saison bei 11,29 Sekunden, 2003 war sie nicht über drittklassige 11,46 Sekunden hinaus gekommen. Im Statistikbuch "Athletics 2004", der ,Bibel der Leichtathletik', wird ihr Name nicht einmal im Index geführt. Die einzige international nennenswerte Leistung war ihr Sprintstaffel-Start bei der WM 2003. Mit dem weißrussischen Quartett wurde sie dabei Vorletzte im Finale.
In diesem olympischen Jahr aber zeigte sie eine Reihe von Weltklasseleistungen. Zunächst gewann sie Bronze bei der Hallen-WM über 60 Meter im März. Dann steigerte sich Yuliya Nesterenko zum Saisonauftakt bei einem Meeting in Griechenland im Juni auf 11,02 Sekunden. Bei einem Meeting in Gateshead und der Golden League in Rom gewann sie anschließend die 100 Meter und schlug dabei jeweils erstklassige Konkurrenz.
Viele Faktoren
Doch wie erklärt sie diese Entwicklung? "Da spielen viele Faktoren eine Rolle", sagt Yuliya Nesterenko. "Zum einen haben mein Mann und ich jetzt eine eigene Wohnung, noch im letzten Jahr wohnten wir mit der ganzen Familie zusammen bei meiner Mutter. Dann habe ich inzwischen einen eigenen Masseur, und wir haben das gesamte Training umgestellt. Ich habe mich ein Jahr lang nur auf Olympia vorbereitet, das hat geholfen", erzählt Julia Nesterenko.
Was im Training geändert wurde? "Ich arbeite seit sechs Jahren mit meinem Trainer Victor Jerosewitsch zusammen. Nach der vergangenen Saison haben wir neue Elemente in das Training integriert, vor allen Dingen mehr Krafttraining."
Zwei Kontrollen
Zweimal, sagt Yuliya Nesterenko, sei sie in diesem Jahr kontrolliert worden. "Im Winter gab es eine Trainingskontrolle, die nächste folgte nach dem Golden-League-Rennen in Rom." Bei der Hallen-WM dürfte sie mit Sicherheit auch kontrolliert worden sein – es waren also entweder drei oder sie meinte diesen Test mit der Kontrolle im Winter.
Überzeugend klingt, was die für Sprint-Verhältnisse nicht besonders kräftig gebaute Yuliya Nesterenko von ihrem Weg zur Leichtathletik erzählt: "Ich war schon in der Schule schneller als die anderen Kinder. Ich bin auch weit gesprungen, aber der Sprint hat mich immer fasziniert, deshalb habe ich mich darauf konzentriert. Es ist die aufregendste und schönste Disziplin der Leichtathletik."
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