Hopp Schwiiz! EM-Gastgeber ist 2014 gefordert
Die Zeiten von internationalen Stars wie Werner Günthör (Kugelstoßen) oder André Bucher (800 m) liegen lange zurück und auch Marathonläufer Viktor Röthlin wird nicht jünger. Ein knappes Jahr vor der Europameisterschaft in Zürich fehlt es der Schweizer Leichtathletik an Zugpferden und Medaillenhoffnungen.
Die Medien sehen die Schweizer Leichtathletik sogar in einer Krise und rufen nach einer Trendwende. Das Großereignis im legendären Letzigrund stellt sich deshalb als eine große Herausforderung dar. Es bringt naturgemäß einen gewissen Erfolgsdruck mit - gepaart mit der Chance, diese Titelkämpfe mit den Fans im Rücken als Impuls zu nutzen.Bei der WM in Moskau (Russland) freuten sich die Verbandsverantwortlichen vor allem über einen Landesrekord der 4x100 Meter-Frauen (43,21 sec) und drei weitere hochgerechnete Platzierungen unter den ersten 16. Dafür sorgten die Siebenkämpferinnen Ellen Sprunger und Linda Züblin sowie die Stabhochspringerin Nicole Büchler.
In die Nationenwertung kam das 18-köpfige Team trotzdem nicht, denn ein Platz unter den ersten Acht sprang nicht heraus. Trotzdem war das für Schweizer Verhältnisse stattliche WM-Team ein Fingerzeig zur Heim-EM.
Gestärkte Breite
"Die Breite der Spitze wurde gestärkt. Es war wichtig, dass unser Team beim diesjährigen Saisonhöhepunkt selbstsicher auftritt und sich nicht versteckt", sagte Verbandspräsident Hansruedi Müller. "Mit mehreren persönlichen Bestleistungen und Saisonbestleistungen ist dies mehrheitlich gelungen. Nun gilt es, diese Einstellung auf den weiteren Weg in Richtung EM 2014 mitzunehmen."
Bangemachen gilt auf diesem Weg vor allem für Leistungssport-Chef Peter Haas nicht: „Über das Ganze gesehen liegen wir in Richtung EM 2014 auf Kurs“, sagte er. „Wir werden die Athleten unterstützen und die kommenden Monate nutzen, um dort, wo es nötig ist, noch die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen. Entscheidend wird auch sein, dass die Athleten gesund durch den Winter kommen.“
Je näher die EM rückt, umso intensiver soll gearbeitet werden. Die Schweizer setzen - auch mit ihrem Förderprogramm "Swiss Starters" - ohnehin auf eine langfristige Vorbereitung. Bereits mehr als 30 Athletinnen und Athleten haben die Nominierungsvoraussetzungen erfüllt. Sie können sich nun ganz gezielt für die Europameisterschaft trainieren.
Viktor Röthlin wieder das Ass
Doch wer wird die Kastanien aus dem Feuer holen, nachdem die Schweiz 2012 in Helsinki (Finnland) zum ersten Mal seit 1982 ganz ohne EM-Medaille geblieben war? Ein Blick in die europäische Jahresbestenliste liefert bis auf eine altbekannte Ausnahme kaum Ansätze.
Lediglich Marathonläufer Viktor Röthlin ist dort aktuell unter den ersten Fünf zu finden (Platz drei). Er tritt auf den heimischen Straßen als Titelverteidiger an. Dort will er seinen letzten großen Marathon laufen und natürlich wieder alle Register ziehen, um auch vorne mitzumischen.
Leichte Hoffnungsschimmer sind neben der Frauen-Sprintstaffel (Platz sieben) der 10,12-Sprinter Alex Wilson (Platz 13) und Stabhochspringerin Nicole Büchler (Platz neun). Weitspringerin Irine Pusterla deutete mit windunterstützten 6,69 Metern zumindest an, dass mit ihr wieder zu rechnen sein könnte.
Noemi Zbären als Hoffnungsträgerin für die Zukunft
800 Meter-Läuferin Selina Büchel ist im Kommen, zum Saisonende steigerte sie sich noch auf 2:01,66 Minuten. Bei der U23-EM gehörte sie als Dritte zu den Medaillengewinnerinnen. Die vor zwei Jahren nach einer Weltklassezeit von 12,62 Sekunden noch groß gefeierte Hürdensprinterin Lisa Urech trat in diesem Sommer nach zwei Hüftoperationen nicht in Erscheinung.
Die U20-Europameisterin Noemi Zbären könnte über kurz oder lang auf dieser Strecke wieder für Akzente sorgen. Wahrscheinlich kommt die EM der Großen aber noch zu früh.
Impulse bekommen die Schweizer auch vom früheren DLV-Cheftrainer Herbert Czingon, der sich naturgemäß vor allem um die Stabhochspringerinnen kümmert. Er machte in seiner neuen Wahlheimat bereits eine interessante Beobachtung.
Herbert Czingon glaubt an erfolgreiche EM
"Mir scheint, dass viele Leute Angst haben, die Schweizer Leichtathletik könnte sich nicht optimal darstellen. Ich würde die Heim-EM wahrscheinlich noch offensiver angehen", sagte Herbert Czingon in einem Interview mit der NZZ.
Er fühlt sich aber auch an die deutsche Heim-WM 2009 in Berlin mit ähnlichen Vorzeichen erinnert und weiß, welche Kräfte ein solches Großereignis bei der eigenen Mannschaft freisetzen kann. Deshalb ist er auch guter Dinge für die Schweiz: "Als Vertreter von Swiss Athletics hätte ich keine Angst vor Zürich 2014. Ich bin überzeugt, dass es sehr erfolgreiche Europameisterschaften werden."