Hoppla, jetzt kommt Kelly Holmes!
Still alive and well! Kelly Holmes ist wieder da. Mit 32 Jahren will sie's noch mal wissen. "Ich bin prima in Form", erzählte die eisenharte Engländerin mit strahlendem Lächeln, "wenn's so weiter läuft, bin ich zufrieden." Sie steckt voller Ziele. Und voller Pläne. "Erst kommen die Commonwealth Games in Manchester und dann die Europameisterschaften in München." Allerdings hat sie ein Problem. Ein Luxusproblem sozusagen! Denn die ehrgeizige Mittelstrecklerin weiß nicht, welcher Strecke sie den Vorzug geben soll: 800 Meter oder 1500 Meter. Da hat sie die Qual der Wahl. Es ist auch nicht auszuschließen, dass sie beides läuft.
Kelly Holmes steht momentan auf der Rechnung für München ganz oben (Foto: Hörnemann)
Die Bilanz in der noch jungen Freiluftsaison ist vom Allerfeinsten. Drei Starts – drei Siege! In Dessau gab sie ihren Einstand und gewann auf Anhieb die 800 Meter in 2:00,17 Minuten. Kurz darauf folgten die FBK-Games in Hengelo, wo Holmes die 1500 Meter in Weltjahresbestzeit von 4:03,93 Minuten beherrschte, dabei ihre schnellste Zeit seit dem Sommer 1997 erreichte und vom Veranstalter als "Woman Athlete of the Meeting" oder "Athletin des Tages" geehrt wurde. In Sevilla, elf Tage nach Dessau, lieferte sie sich über 800 Meter ein spannendes Duell mit der Spanierin Maite Martinez und feierte in 2:00,46 Minuten einen weiteren Erfolg "on the road to Munich".Nicht klein zu kriegen
Die "Power-Frau", die in Pembury in der Graftschaft Kent geboren wurde, ist nicht klein zu kriegen. Was hat sie nicht schon alles erlebt in ihrer Karriere. 1996 in Atlanta war sie Vierte über 800 Meter, obwohl ihr ein Ermüdungsbruch im Schienbein höllische Schmerzen bereitete. Auf der betonharten Kunststoffpiste bekam Holmes vor jedem Rennen eine Schmerz stillende Spritze. Auch über 1500 Meter qualifizierte sie sich fürs Finale, doch dort blieb ihr nur der elfte Platz. 2000 in Sydney holte sie Bronze über 800 Meter nach einem turbulenten Dreikampf, den Maria Mutola vor Stephanie Graf gewann. Holmes musste sich trotz neuer Bestzeit (1:56,80 min) mit dem dritten Platz begnügen.
Das Double, den Doppel-Einsatz auf beiden Distanzen, der auch in Manchester oder München möglich ist, hat sie bereits 1995 bei der WM in Göteborg erfolgreich praktiziert. Zwei Medaillen lagen damals in ihrem Reisegepäck: Silber über 1500 Meter und Bronze über 800 Meter. Weitere Medaillen zieren ihre eindrucksvolle Bilanz: Gold bei den Commonwealth Games 1994 und Silber 1998, jeweils über 1500 Meter, sowie Silber bei den Europameisterschaften 1994.
Problemlos durch's Frühjahr
Die kraftvoll laufende Britin, die bei 1,63 Meter Körpergröße 54 Kilo auf die Waage bringt, hat sich allen Rückschlägen zum Trotz immer wieder aufgerappelt. Zahlreiche Verletzungen haben ihr in schöner Regelmäßigkeit zugesetzt. "Aber jetzt bin ich beschwerdefrei", gab sie grünes Licht, "deshalb läuft es auch so gut." Problemlos ist sie durchs Frühjahr gekommen. Toi, toi, toi! Die Bänder, Sehnen und Muskeln halten. "So früh wie diesmal bin ich schon lange nicht mehr in die Saison gestartet", sagte sie und lachte, "das liegt auch an dem Wintertraining, das ich in Südafrika absolviert habe." Als auf der Insel das typische Schmuddelwetter mit Schnee, Eis und Matsch angesagt war, bolzte sie im milden Klima ihre Kilometer, was sich nun in flotten Zeiten und obendrein in klingender Münze auszahlt.
Von der Army zum Lauf-Profi
Kelly Holmes, früher übrigens eine ausgezeichnete Judo-Kämpferin, ist Profi. Den sicheren Job bei der British Army hat sie längst aufgegeben. Als Feldwebel war Holmes zunächst Ausbilderin für Fallschirmjäger. Nach der WM in Göteborg wurde sie in die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit versetzt und fürs Training freigestellt. Mit dem Militär hat sie mittlerweile nichts mehr im Sinn, denn ihren Lebensunterhalt bestreitet sie mit der Lauferei. Und sie verdient nicht schlecht dabei. Mit dem US-Sportartikelgiganten Nike hatte Holmes bereits 1997 einen Fünf-Jahres-Vertrag unterzeichnet, der ihr laut Pressemeldungen 200.000 britische Pfund (umgerechnet 290.000 Euro) per anno bescherte.
Robert Wagner, der Pfiffikus aus Österreich, ist ihr Manager. Jolanda Ceplak, die schnelle Slowenin, zählt zum gleichen Rennstall. Interessenkonflikte befürchtet Kelly Holmes nicht. Stephanie Graf, ein ehemaliger Wagner-Schützling, sah das anders und wechselte zu Jos Hermens. Mit solchen Problemen mag sich die ehrgeizige Holmes nicht herumschlagen. Sie konzentriert sich lieber auf die kommenden Aufgaben: erst Manchester, dann München.