Im Blog - Doch Viva Valencia!?
Einsichten und Ansichten, Einblicke und Ausblicke. "Im Blog" gibt Ihnen die leichtathletik.de-Redaktion in gewissen Abständen, aber doch immer wieder, etwas davon. Lesen Sie selbst…

Dass Ariane Friedrich, bei der ganz bittere Tränen der Enttäuschung flossen, und Christina Schwanitz, die schon frühzeitig um sie herum ein irgendwie komisches Feeling ausgemacht hatte, als noch relativ junge Athleten unter dem immens gewachsenen Medaillendruck Lehrgeld zahlen und auch Tim Lobinger im Stabhochsprung-Poker nicht wie eine Lattenüberflugmaschine 5,80 Meter in Serie abrufen kann, ist nachvollziehbar, wenn auch im Sinne von verpassten Gelegenheiten und ersehnten Impulsen durchaus schade.
Positiver Thomas Blaschek
Positiv fand ich persönlich das Abschneiden von Thomas Blaschek. Nach der missglückten WM im letzten Jahr hat sich das Leipziger-Hürden-Ass wieder der Weltspitze angenähert. Platz fünf ist bei der Konkurrenz aller Ehren wert, zumal er mit etwas Glück und einem guten Start wie im Vor- und Halbfinallauf wahrscheinlich sogar jene deutsche Medaille geholt hätte, die am Ende fehlte. Es tat und war gut, dass er sich für diesen Start entschieden hatte.
Anna Battke! Die Mainzerin war vielleicht die Gewinnerin im deutschen Team schlechthin. Nicht nur, dass sie souveränst ins Finale sprang. Sie tat das auch noch im Rahmen einer Demonstration gegen Doping. Mit Edding hatte sie sich „Stop Doping“, „True Arm“ und „True Leg“ auf ihre verschiedenen Körperteile gemalt. Das muss man sich als absoluter Nobody in dieser Szene erst einmal trauen. Und dann auch noch, argwöhnisch beäugt von den ganz großen Namen, in der Qualifikation frech mitmachen.
Miss Courage aus Mainz
Die Adressaten der Aktion blieben zwar ihr wohl gehütetes Geheimnis und gaben Anlass zu Spekulationen, aber zumindest die Kampfrichter im Callroom hatte die Botschaft, auf welchen Wegen auch immer, erreicht, denn zum Finale musste Anna Battke ihre Parolen abwaschen. Demo Teil zwei wurde also jäh gestoppt. Trotzdem: Hut ab und viel Respekt vor soviel Courage.
Was bleibt sonst noch von dieser Hallen-WM? Die Rahmenbedingungen waren, zumindest aus Sicht der Medienschaffenden, in sehr vielen Bereichen vorbildlich. Bei Gratisservice von Verpflegung über Internet bis zur Metro konnte sich niemand beschweren.
Live-Fahrpläne
Wobei die Metro an sich das mit spannendste Thema in Valencia ist. An so manches muss man sich dann doch erst gewöhnen. So kann es vorkommen, dass eine Metrolinie in eine Richtung drei verschiedene Endpunkte oder zwei unterschiedliche Verläufe haben kann. Steigt man also falsch ein, kommt man vielleicht gar nicht an sein Ziel, sondern ganz woanders raus. Ist tatsächlich auch so passiert, wenn auch nicht mir.
Wenig oder mehr erstaunlich auch in Zeiten, in denen leichtathletik.de-User Live-Results von Cross-Meisterschaften fordern: Die Fahrpläne werden praktisch live gemacht. So ist es mir bei meiner ersten U-Bahn-Fahrt passiert, dass ich an einer Station zum Umsteigen stand und während meiner immer länger währenden Wartezeit zusehen konnte, wie der herbeigesehnte Zug erst um 19:13 Uhr, dann um 19:19 Uhr, dann wieder um 19:17 Uhr, schließlich um 19:20 Uhr und dann erst um 19:23 Uhr ankommen sollte. Irgendwann kam er auch, sonst würde ich wohl jetzt noch dort stehen und staunend mit einer immer mehr anwachsenden Menschenmasse, die mich dann schon an Moskauer Verhältnisse erinnerte, die ständigen Fahrplanänderungen verfolgen.
Alles in allem war es eine von den Spaniern straff und gut organisierte Meisterschaft. Der ein oder andere Minuspunkt wurde unter blauem Himmel, der in der Halle durch das Glasdach zumindest ein wenig zur Geltung kam, von vielen Pluspunkten aufgehoben. Und dass die Gastgeber ein bisschen patriotisch sind, konnte man ihnen angesichts des verzweifelten Ringens um Medaillen, von denen es dann für sie auch nur eine gab, nicht verdenken.
Deshalb: Daumen nach oben! Gesamturteil gut. Also doch ein bisschen Viva in Valencia! Wenn auch nicht in glänzendem Edelmetall für das DLV-Team.
Christian Fuchs ist Projektleiter von leichtathletik.de und berichtete für das Internetportal von der Hallen-Weltmeisterschaft in Valencia