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Meine persönliche WM-Qualifikation
Dass man nicht als WM-Teilnehmer geboren wird, ist klar. Es geht los mit kleinen Schritten: Man schließt sich einer Trainingsgruppe an, kauft irgendwann das erste Paar Spikes, bringt stolz die ersten Urkunden und Medaillen mit nach Hause. Der Ehrgeiz wird größer, die Trainingseinheiten häufiger, die Wettkämpfe wichtiger, und wenn alles perfekt läuft, kann man irgendwann mit einer Nominierung rechnen. So ähnlich war das auch bei mir.
Alles begann mit einer E-Mail von Christian Fuchs, Projektleiter von leichtathletik.de. Ihm habe meine Bewerbung gefallen und er sei gerade in der Vorbereitungsphase für das Jahr 2008. Ob ich Lust hätte, als freie Mitarbeiterin zum Redaktionsteam dazu zu stoßen? Was für eine Frage?! Die Antwortmail war innerhalb von fünf Minuten abgeschickt.
Dass ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht die nötige Ausrüstung hatte, fiel mir natürlich erst hinterher ein. Mir fehlten allerdings nicht die Spikes, sondern der private Telefon- und Internetanschluss. Außerdem war mein Laptop sechs Jahre alt, hatte einen Arbeitsspeicher von 256 MB, eine Batteriedauer von großzügig geschätzten 20 Minuten und einen Monitor, der bei zu großer Hitze den Geist aufgab.
Aller Anfang ist schwer
Für die ersten Artikel musste ich also Überstunden im Büro einlegen. Mein erstes veröffentlichtes Werk war ein Porträt über die britische Läuferin Steph Twell - eingereicht ohne Absätze oder Zwischenüberschriften und auch sonst in Missachtung jeglicher formaler leichtathletik.de-Vorgaben. Irgendwie muss dann aber doch mein Potenzial erkennbar gewesen sein, denn wenig später durfte ich die erste aktuelle Wettkampf-Berichterstattung übernehmen: Die Ergebniszusammenfassung vom Hallen-Länderkampf in Glasgow (Großbritannien). Dieser Nachmittag ist mir noch gut in Erinnerung.
Auf einer viel zu niedrigen Couch mit dem Laptop auf dem Tisch und hunderten von Listen mit Normen, Bestleistungen und Athletenporträts um mich herum saß ich stundenlang vor dem Fernseher (da ich zurzeit in Irland lebe, konnte ich die BBC-Übertragung empfangen) und versuchte, die Informationen aus Bild, Ton und Schrift in einen Artikel zu pressen. Mit Stellungnahme von Teammanager Siegfried Schonert und zeitnah, bitte.
Eine halbe Stunde nach Onlinestellung - mein Puls war gerade wieder auf Normalniveau angekommen - rief mich mein Vater an: Die 200 Meter seien keine Hallen-WM-Disziplin und Cathleen Tschirch brauche sich somit auch nicht zu verbessern, um daran teilzunehmen. Außerdem hätte ich den Namen von Alexander Kosenkow falsch geschrieben, und das, obwohl ich doch vor vielen Jahren mit ihm in Niedersachsen auf denselben Wettkämpfen unterwegs gewesen sei! Naja, jeder macht mal Fehler. Ich war schließlich auch noch ganz am Anfang der Vorbereitungsphase.
Die Wettkämpfe werden wichtiger
In den weiteren Wochen und Monaten lief dann zum Glück alles reibungslos, und spätestens nach meinem ersten Treffen mit Anja Herrlitz, der Internet-Projektmanagerin im DLV, in Darmstadt war mein Selbstbewusstsein wieder hergestellt. Sie fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, beim Anhalt-Meeting in Dessau und beim ISTAF in Berlin vor Ort mit dabei zu sein. Meine erste internationale Bewährungsprobe sozusagen!
Und so kam es, dass ich Ende Mai auf dem Dessauer Bahnhof auch endlich Christian Fuchs das erste Mal persönlich begegnete. Mit uns im Einsatz waren Peter Grau und Iris Ludwig, die in einem Blog ja bereits ausführlich von unseren aufregenden Erlebnissen berichtete.
Die ersten Erfolgsmomente
An diesem Wochenende lief wirklich alles wie am Schnürchen. Ich war sozusagen im „Flow“, um es mit den Worten Fabienne Kohlmanns auszudrücken, in denen sie mir ihr schönstes Lauferlebnis beschrieb. ISTAF-Pressekonferenz mit Verfassen des Artikels auf dem Bahnsteig (man bedenke die schwache Laptopbatterie!), Flash-Interviews in Dessau, Ergebnisberichterstattung und Podcast-Interviews in Berlin, Golden-League-Ausblick, Presse-Frühstück mit Pamela Jelimo...
Schnell vergessen war so der peinliche Moment, in dem mich ISTAF-Kommunikationschef Jürgen Scheunemann bei der internationalen Pressekonferenz vor versammelter Journalistenschar auf Englisch und Deutsch darum bat, das Interview mit Thomas Blaschek doch bitte draußen weiterzuführen.
Die Berufung in den Kader
Und der Höhepunkt meiner Berlinreise sollte erst noch folgen. Völlig geschafft vom langen Wochenende entschieden Iris Ludwig und ich uns unter leisem Protest von Christian Fuchs dazu, nach dem ISTAF nicht zum Abendessen in die Stadt zu fahren, sondern den nächstgelegenen chinesischen Schnellimbiss an der S-Bahn-Station Sonnenallee aufzusuchen - so machten wir im Übrigen eine hungrige Dame glücklich, die in Form unserer Essensreste auch noch eine warme Mahlzeit bekam.
In diesem Schnellimbiss fragte mich Christian, ob ich mir vorstellen könne, bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin für leichtathletik.de mit dabei zu sein. Gut, dass das Essen schon hinter uns lag, denn sonst wäre es mir sicher im Halse stecken geblieben! Bei der Heim-WM im Berliner Olympiastadion als Journalist eine Woche lang die Topstars zu begleiten? So eine Chance kommt nie wieder!
Intensive Trainingsphase
Den Sprung in den erweiterten WM-Kader hatte ich mit den guten Leistungen des Wochenendes also geschafft. Einer endgültigen Nominierung konnte ich mir aber trotzdem nicht sicher sein. Die Plätze im Team würden an einer Hand abzuzählen sein, dessen war ich mir bewusst. Und ich hatte starke Konkurrenz!
Um mir einen Startplatz zu sichern, half nur eins: intensives, konzentriertes Training. Oder, in meinem Fall: schreiben, schreiben, schreiben. Material gab es schließlich genug, standen doch die Sommermonate an, in denen ein Wettkampf auf den nächsten folgte. Die selbst für Fachjournalisten nicht auf den ersten Blick zu erschließenden Olympianormen kannte ich im Schlaf, mein Laptop lief an den Abenden und am Wochenende auf Hochtouren, und wenn ich nicht an Artikeln arbeitete, war ich ständig auf der Suche nach Themen für neue Berichte.
Rückschläge machen stark
Auf meine subtilen, aber regelmäßigen Bemerkungen hin, dass ich jederzeit bereit sei, für weitere Wettkämpfe nach Deutschland zu kommen, plante Christian Fuchs mich schließlich kurzfristig für die Berichterstattung von den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ein. Voller Vorfreude und Optimismus trat ich die Reise an, musste vor Ort jedoch leichte Rückschläge im Kampf um die WM-Tickets einstecken.
Wiederholt überschrieb ich Christians gerade online gestellten Disziplin-Zusammenfassungen, und alle Athleten, die ich mir für Podcast-Interviews ausgeguckt hatte (Bianca Kappler, Eike Onnen, Carsten Schlangen), verletzten sich oder traten nicht zum DM-Finale an, ohne dass mir auf die Schnelle Alternativen einfielen. Am ersten Tag war ich außerdem in ständiger Angst um meinen Laptop, der aufgrund der starken Sonneneinstrahlung anfing, seltsame Farben zu produzieren. Auf die sintflutartigen Regenfälle des zweiten Tages war ich genauso schlecht vorbereitet.
Gut, aus Fehlern lernt man, und so hakte ich diese Erlebnisse schnell als wertvolle Erfahrungen in der WM-Vorbereitung ab. Wenige Wochen später vergaß ich komplett, dass ich zugesagt hatte, zu einem bestimmten Termin einen Artikel über die jamaikanische Leichtathletik zu schreiben, und auch das wird mir nicht noch einmal passieren!
Topfit und bestens vorbereitet
Mittlerweile ist April, und nach erfolgreichen Herbst- und Wintermonaten ohne größere Pannen kann ich rückblickend sagen: Der Einsatz hat sich ausgezahlt. Im Januar flatterten die WM-Akkreditierungsunterlagen in meinen Briefkasten (diese auszufüllen war fast noch einmal so anstrengend wie die Qualifikationsphase zuvor), und wenig später hatte ich alles arrangiert, die Flüge gebucht.
Auch die Planung der letzten Testwettkämpfe, bei denen ich im WM-Sommer vor Ort meine Technik perfektionieren will, ist abgeschlossen. Unter diesen Voraussetzungen habe ich mich übrigens dazu entschlossen, in besseres Material zu investieren, und bin nun im stolzen Besitz eines neuen Laptops, der meine Artikel fast von alleine schreibt.
Alles, was jetzt nur noch fehlt, ist die hochoffizielle Bestätigung der Akkreditierung durch das Berliner Organisationskomitee, schwarz auf weiß.
Lesen Sie auch:Im Blog - Mein erster EinsatzSilke Bernhart ist freie Mitarbeiterin von leichtathletik.de, lebt in Dublin (Irland) und wird im August von der WM in Berlin berichten.