Im Blog: Wüstenluchs in Fußball-Atmosphäre
Die Hallen-Weltmeisterschaften in Doha sind das zweitgrößte Leichtathletik-Event in diesem Jahr, aber nur wenige deutsche Journalisten berichten aus der Wüste Katars. Für leichtathletik.de beobachtet Christian Ermert das Geschehen im reichen Wüstenemirat am Persischen Golf.
Wen sich Sahan zum Vorbild erkoren hat, sieht man auf den ersten Blick. Das Maskottchen der Hallen-Weltmeisterschaften tobt mit einem Flick Flack über die Bahn, flachst mit dem Innenraum-Moderator und feuert das Publikum an - fast so wie Berlino vor einem halben Jahr im Olympiastadion. Was für die Berliner der Bär, ist für die Katarer der Caracal. Ein Wüstenluchs, der als eins von ganz wenigen größeren Säugetieren mit den lebensfeindlichen Bedingungen in der heißen arabischen Geröllwüste klarkommt, aus der ganz Katar besteht.Katar orientiert sich immer am Weltniveau. Vor allem im Sport, den die Scheichs zur wichtigen Staatsaufgabe erklärt haben, um das Ansehen des kleinen Landes in der Welt zu steigern. In dem Mini-Staat am Persischen Golf leben nur 250.000 Katarer, für die zirka 850.000 Ausländer aus fast allen Ländern der Welt arbeiten. Viele einheimische Familien sind durch Öl und Gas reich geworden. Dieser Reichtum hat es ermöglicht, in der Wüste eine Infrastruktur zu errichten, die den Vergleich mit den führenden Industrienationen der Welt nicht scheuen muss.
Einzigartiger Schauplatz
Der Schauplatz der Hallen-Weltmeisterschaften ist einzigartig in der Welt. Unter einem Dach gibt es im Aspire Dome ein Kunstrasen-Fußballfeld, eine Leichtathletik-Halle und jede Menge Anlagen für andere Sportarten. Egal wie heiß es draußen in der Wüste wird, ein eigenes Kraftwerk erzeugt den Strom, mit dem die Hallen auf angenehme 20 Grad gekühlt werden. Das kann man jetzt für ökologischen Wahnsinn halten, genau wie die riesigen Meerwasserentsalzungsanlagen, die Katar mit Trinkwasser versorgen - aber in Katar ist man stolz darauf, die Wüste bezwungen zu haben.
Am ersten Finaltag ist die Halle voll. Scheichs in weißen Gewändern, mit Sonnenbrille und Handy am Ohr bevölkern die Tribüne. Natürlich merkt man, dass Katar ein Land ohne lange Leichtathletik-Tradition ist, die Stimmung ist nicht vergleichbar mit einer WM in Berlin oder Helsinki. Aber atmosphärisch ist diese Hallen-WM besser als die in Moskau vor vier und sogar als die im spanischen Valencia vor zwei Jahren.
Äthiopier in Hundertschaften
Dafür sorgen auch die Äthiopier, die in Hundertschaften aus dem nicht so weit entfernten ostafrikanischen Hochland angereist sind, um Athleten wie Meseret Defar anzufeuern, die zum vierten Mal in Folge die 3.000 Meter bei einer Hallen-WM gewonnen hat. Durch die Sprechchöre ihrer Fans fühlt man sich plötzlich in ein Fußballstadion versetzt. Genau wie kurz danach, als Blanka Vlasic mit ihren kroatischen Fans ihre Hochsprung-Goldmedaille feiert.
Schade nur, dass das alles nicht im deutschen Fernsehen zu sehen ist. Die Dramaturgie dieses Nachmittages wäre auch ideal gewesen, um sich an einem kalten Märztag in Deutschland vor dem Fernseher von der Leichtathletik unterhalten zu lassen.
Deutsches Fernsehen passt
Ralf Bartels holt Bronze, dann sichern sich die deutschen Stabhochspringer Malte Mohr und Alexander Straub zwei Medaillen, bevor Steve Hooker über 6,01 Meter fliegt und den Weltrekord attackiert. Und auch Christian Reif kämpft im Weitsprung lange um Edelmetall, bevor er sich mit dem guten fünften Platz zufrieden geben muss.
Das alles hätte sich zusammen mit dem herrlichen Jubel von Lolo Jones über Hürdengold prima zu einem kurzweiligen Fernsehnachmittag inszenieren lassen, der auch in Deutschland viele Menschen interessiert hätte. Aber weder Eurosport noch ARD und ZDF wollten die Rechte für diese Show kaufen. Schade, schade - auch für Sahan, den so in Deutschland kaum jemand kennenlernen durfte.