Im Olympia-Blog - Laufen als Selbstversuch
Die Olympischen Spiele in Peking sind eine Herausforderung für alle Beteiligten. Der Olympia-Blog liefert ganz persönliche Eindrücke vom Olympia-Alltag in China. Gestern hat Christian Ermert für leichtathletik.de die Laufschuhe geschnürt.
Die Hitze, der Smog, die Luftfeuchtigkeit. An den ersten Tagen der Spiele stöhnten nicht nur die Ausdauersportler über das extreme Klima in Peking, auch die Journalisten quälten sich unter einer feuchtheißen Dunstglocke. Arbeiten im Dampfbad. So hatte ich mir Peking vor meiner Abreise aus Deutschland vorgestellt.Als Radprofi Stefan Schumacher im Straßenrennen der Männer am ersten Wettkampftag der Spiele mit starken Kopfschmerzen vorzeitig vom Rad stieg, saß ich noch im kühlen Köln. Für uns Leichtathleten fangen die Spiele ja erst diesen Freitag an. Aber schon in Deutschland hatte ich mir vorgenommen, am eigenen Leib zu spüren, was es heißt, in Peking länger zu laufen.
Störende Akkreditierung
Meine erste Aktion an meinem ersten Olympia-Morgen: Laufschuhe schnüren und los. Das erste Problem, das auf mich wartete, hatte allerdings nichts mit dem Wetter zu tun. Ich war ohne meinen Akkreditierungsausweis gestartet. Der ist bei Olympia so groß wie ein Briefumschlag und aus festem Kunststoff. In einer kurzen Laufhose und einem T-Shirt nicht unterzubringen. Und ihn am Hals baumeln zu lassen, stört nun wirklich beim Laufen.
Aber ich bin eben kein Athlet, die sich als einzige Menschen bei Olympia innerhalb der so genannten Sicherheitsbereiche zeitweise ohne diesen Ausweis bewegen dürfen: Dann, wenn sie trainieren oder um Medaillen kämpfen.
Am Tor ist Schluss
Ich muss ohne diese Privilegien auskommen und deshalb endet mein Lauf erstmal am Tor des so genannten „Medien-Dorfes“, in dem ich untergebracht bin - zusammen mit tausenden anderen Journalisten und Fernsehmachern, aber auch mit einem ganzen Team von geschätzten 30 Köchen, die aus aller Welt angereist sind, um die Bediensteten des US-Fernsehsenders NBC in China mit westlicher Kost zu versorgen. Von denen denkt um sieben Uhr morgens keiner ans Laufen, zu lange sitzen sie am Abend beim Bier zusammen.
Nach drei Minuten Joggen komme ich am Zaun an, der sich um unser Mediendorf zieht und der alle 100 Meter von einem chinesischen Soldaten bewacht wird. Auf meine höfliche Frage, ob ich das Dorf ohne Akkreditierung verlassen kann, um eine Runde durch den Park gegenüber zu drehen, ernte ich ein freundliches, aber bestimmtes Nein. Ohne Akkreditierung gibt es kein Zurück ins Dorf.
Kein Brennen in der Lunge
Also bleibe ich innerhalb des Zaunes. Immerhin hat das Dorf eine Ein-Kilometer-Runde ohne Verkehr zu bieten. Dabei bemerke ich eigentlich nichts von dem Smog. Klar, es ist heiß und schwül, der Schweiß läuft schon nach der ersten Runde in Strömen.
Aber das gefürchtete Brennen in der Lunge durch die Umweltverschmutzung bleibt aus. Auch eine deutliche Tempoverschärfung in der dritten Runde löst es nicht aus. Und Kurzatmigkeit wie beim Höhentraining - wie von den Radprofis versprochen - will sich auch nicht einstellen. Es ist einfach nur heiß und schwül. Dass die Sonne hinter der Dunstglocke verschwindet, stört mich nicht so sehr. Es wäre wohl schlimmer, ihren Strahlen bei 30 Grad schutzlos ausgeliefert zu sein.
Vom Regen gereinigte Luft
Wahrscheinlich hat der Regen des ersten Olympiasonntags die Luft so weit gereinigt und abgekühlt, dass Sporttreiben auch im Freien möglich ist, ohne sich ernsthaften Gefahren für die Gesundheit auszusetzen. Oder ich bin einfach nicht lange und schnell genug unterwegs.
Im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit wird sich das Klima sicher viel extremer auswirken. Die erste deutsche Leichtathletin, die davon berichten kann, wird Sabrina Mockenhaupt sein, die am Freitagnachmittag um 16:45 deutscher Zeit über 10.000 Meter antritt. In Peking ist es dann Viertel vor Elf am Abend, aber von abendlicher Kühle kann hier keine Rede sein. Das Thermometer fällt nachts kaum. Bin mal gespannt, wie Mocki mit der Schwüle klar kommt.
Fitnessstudio statt Laufen im Freien
Die meisten meiner Kollegen ziehen es vor, am frühen Morgen im klimatisierten Fitnessstudio, das zum Medien-Dorf gehört, auf dem Laufband zu rennen. Ich nicht. Immerhin bietet das Laufen eine Möglichkeit, der künstlichen Welt zu entkommen, in der diese Olympischen Spiele stattfinden.
Vom klimatisierten Hotelzimmer geht es mit dem gekühlten Bus ins fensterlose Pressezentrum. Von dort zur Betonlandschaft des Olympiaparks, die nur manchmal durch von Gärtnern sorgsam gepflegte Grünpflanzen aufgelockert wird. Und das unter einer ständigen, heißen Dunstglocke. So ähnlich stelle ich mir das Leben auf einem Science Fiction-Planeten vor, dessen Natur fast restlos zerstört ist.
Das Laufen ist eine kleine Flucht. Ich spüre meinen Körper und die ihn umgebende Natur. Nach meinem ersten Lauf setze ich tags darauf das Sportprogramm mit einem Erkundungslauf rund um Vogelnest, Schwimmzentrum und Fechthalle fort. Diesmal mit der Akkreditierung um den Hals, denn nur so habe ich die Chance, alle architektonischen Glanzleistungen des Olympiaparks zu bewundern. Manchmal schauen mir die Menschen seltsam hinterher - ich treibe eben dort Sport, wo sie hinkommen, um anderen beim Sport zuzuschauen.
Christian Ermert ist Chefredakteur der Fachzeitschrift "leichtathletik"
Christian Ermert geht für leichtathletik.de laufend auf Erkundungstour (Foto: Chai)