In den Kühlschrank kommen nicht nur Getränke
Passend zur Jahreszeit haben bei der Fortbildung „Einsatz von Kälteanwendungen im Spitzensport“ Wissenschaftler, Sportler, Trainer und Ärzte an der DLV-Trainerschule in Mainz über ihre Erfahrungen mit Kälteverfahren berichtet. Die DLV-„Kälte-Konferenz“ lockte am Samstag und Sonntag 30 Zuhörer an. „Das Interesse am Thema war groß“, sagte Dr. Wolfgang Killing, der Tagungs-Organisator und Leiter der Trainerschule.
Das Aufwärmen vor dem Training oder dem Wettkampf galt lange Zeit als selbstverständlich – die Körpertemperatur sollte erhöht, die Muskulatur, die Sehnen und Bänder sollten auf die Belastung vorbereitet werden. Doch auch der umgekehrte Weg, so sagen Wissenschaftler, führe zum Ziel. Eine Kältebehandlung vor dem Training oder dem Wettkampf soll sogar effektiver sein, als das herkömmliche „Warm up“. „Lange Zeit mussten die Wissenschaftler gegen Widerstände und veraltete Grundsätze kämpfen. Doch die Kältemethoden haben sich bewährt“, sagte Dr. Wolfgang Killing nach der Tagung am Wochenende und fügte hinzu: „Ehrlich gesagt wurde auch ich ein bisschen bekehrt.“Es gibt mehrere Möglichkeiten der Kälteanwendungen im Sport. Eine davon ist die so genannte Kühlkammer, eine Art Großraumkühlschrank, in die sich die Athleten vor dem Sport für circa zwei Minuten begeben. Eisige minus 120 Grad Celsius müssen sie dann zwar aushalten – doch es scheint sich zu lohnen. Wenn der Athlet nun mit dem Training oder dem Wettkampf beginnt, steigt die Temperatur in seinem zuvor abgekühlten Körper langsamer an, und er spart Energie ein, die er sonst zur Thermoregulation (Schwitzen) aufbringen müsste.
Nicht nur vor dem Sport, sondern auch während der Belastung kann Kühlung zur Leistungssteigerung beitragen – durch Kühlwesten beispielsweise. Diese mit kältespeichernden Kristallen gefüllten „Jacken“ sollen verhindern, dass vor allem Ausdauerathleten überhitzen und zu viel Energie wegen einer Regulation der Körpertemperatur verlieren. Bei der Weltmeisterschaft 2007 in Osaka (Japan) trugen DLV-Athleten zum ersten Mal solche Kühlwesten.
Leszek Klima und Alexander Lubina im „Kältetest“
Bei der „Kälte-Konferenz“ in Mainz stand zunächst die Theorie im Mittelpunkt. Prof. Dr. med. Winfried Papenfuß aus Pinnow/Schwerin erläuterte, dass die Kältebehandlung bei Nichtsportlern, wie zum Beispiel Rheumapatienten, schon lange Zeit sehr erfolgreich eingesetzt werden würde. Im Anschluss informierte Prof. Dr. Winfried Joch (Institut für Sportwissenschaft Münster und früherer DLV-Lehrwart) zusammen mit seiner Mitarbeiterin Dr. Sandra Ückert (Dortmund) über die Anwendungsbereiche und Erfolge der Kältebehandlung im Sport. Die beiden Wissenschaftler aus Westfalen gelten in Deutschland als „Bahnbrecher“ auf diesem Gebiet und haben die Kälteeffekte bei Leistungssportlern erstmalig untersucht und nachgewiesen.
Anschauliche Erfahrungsberichte gab es im Anschluss von Seiten der Trainer, Leichtathleten und Physiotherapeuten: Der Stabhochsprungcoach Leszek Klima, der Langstreckenläufer Alexander Lubina (TV Wattenscheid 01) und der Physiotherapeut Helmut Hoffmann (Rehazentrum „Eden Reha“ in Donaustauf) gaben Beispiele, wie Kälteverfahren praktisch eingesetzt werden können und was sie dabei für Erfahrungen gesammelt haben.
Minus 120 Grad Celsius können „ganz angenehm“ sein
Nach der Trainings- oder Wettkampfbelastung soll die Regeneration durch einen Gang in die Kühlkammer deutlich verbessert werden, berichtete Leszek Klima. Durch die Kälte würden nämlich die Stoffwechselprozesse angeregt. Der 28 Jahre alte Alexander Lubina, der 2002 bei der EM in München startete und im November seinen Rücktritt vom Leistungssport bekannt gab, stieg kürzlich für einen TV-Sender in einer Kältekammer.
„Minus 120 Grad Celsius hören sich erstmal unerträglich an“, sagte Alexander Lubina. „Aber da es eine trockene Kälte ist, war es sogar ganz angenehm.“ Nach der Kältebehandlung, so berichtete der Langstreckler, soll er bei gleicher Leistung einen tieferen Puls gehabt haben, weil seine Körpertemperatur länger niedrig geblieben sei.
Kältekammer bald auch in Kienbaum?
Über Kälte bei der Nachbehandlung von Sportverletzungen oder Operationen referierte der Physiotherapeut Helmut Hoffmann. Dabei stellte er eine Beinschiene vor, durch die ein Kühlsystem läuft. Die Kälte soll den Heilungsprozess eines verletzten oder operierten Knies beschleunigen können.
„In anderen Ländern und Sportarten hat sich die Kältebehandlung bereits durchgesetzt“, sagte Dr. Wolfgang Killing. „Momentan wird überlegt, eventuell noch vor der WM 2009 in Berlin eine Kältekammer ins Bundesleistungszentrum in Kienbaum einzubauen. Ich jedenfalls würde das sehr begrüßen.“