In Deutschlands Norden bewegt sich was
Nach positiven Schlagzeilen zum Thema „Hamburger Leichtathletik“ suchte man zuletzt meist vergeblich. Damit soll Schluss sein. Der Hamburger Verband (HHLV) konnte nun den Wechsel des Weitsprung-Bundestrainers Uwe Florczak und seiner Athletin Claudia Tonn an die Elbe bekannt geben und durch die Ausrichtung der Regionalkonferenz des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) ein Zeichen für die Aufbruchstimmung setzen.
Verantwortlich für den frischen Wind ist unter anderem Frank Thaleiser, seit Februar 2008 neuer Geschäftsführer des HHLV. Der Posten war zuvor acht Monate vakant gewesen, nachdem die Ausrichtung des Marathons an eine Agentur vergeben wurde, und der ehemalige Geschäftsführer Wolfram Götz gleich mit zur Agentur ging. Zugleich also eine personelle und eine strukturelle Veränderung, die Frank Thaleiser durchaus positiv bewertet: „Sie hat die Möglichkeit mit sich gebracht, die Schwerpunkte der Verbandsarbeit anders zu setzen. Die Energien, die in den Marathon gegangen sind, konnten anders verteilt werden.“Es wurde auch höchste Zeit, dass sich etwas tut in den insgesamt 65 Vereinen von Deutschlands zweitgrößter Millionenstadt: Der einzige Vertreter der Hamburger Leichtathletik bei Olympischen Spielen in den letzten Jahrzehnten war 2004 der 400-Meter-Läufer Ingo Schultz. Fünf Top-Ten-Platzierungen in der DLV-Bestenliste der Männer und Frauen sowie vier B-Kader-Nominierungen – so die vergleichsweise magere Ausbeute des vergangenen Jahres. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg schaffte es kein Hamburger Athlet aufs Treppchen.
Strukturelle und konzeptionelle Probleme
Dabei seien die finanziellen Mittel grundsätzlich vorhanden, betont Frank Thaleiser: „Ich glaube, dass der Hamburger Senat Gelder zur Verfügung stellt. Das Problem ist halt immer nur wofür. Sprich, wenn ich kein Konzept und keine Zielsetzung habe, kann ich natürlich auch keine Mittel beantragen.“
Ein weiteres großes Manko der Hansestadt war außerdem lange Zeit, dass für die Wintersaison keine reine Leichtathletikhalle zur Verfügung stand und sich der Saisonaufbau so schwierig gestaltete. Athleten wie die ehemaligen Hamburger Bianca Kappler, Carolin Nytra oder Nils Winter, die langfristige Perspektiven suchten, mussten so fast zwangsläufig den Verband wechseln.
Zuwachs im Bereich Spitzensport
Diese Zeiten sind vorbei. Seit November 2006 können die Hamburger im Stadtteil Alsterdorf endlich die viel und heiß diskutierte Leichtathletikhalle nutzen. Im Zuge dessen wurde 2007 mit Sven Benning auch erstmals ein hauptamtlicher Leitender Landestrainer eingestellt.
Zugkraft erhofft sich Frank Thaleiser außerdem von seinen „Neu-Hamburgern“: Uwe Florczak, DLV-Disziplintrainer Weitsprung Männer, wird die DLV-Kaderathleten und Claudia Tonn, die mit ihm vom LC Paderborn zur LAV Hamburg Nord wechselte, künftig von der Hansestadt aus betreuen. Sebastian Bayer (Bremer LT) soll von der Weser zum Techniktraining an die Elbe kommen, und auch die B-Kader-Weitspringerinnen Nadja Käther (Ahrendsburger TSV) und Anika Leipold (AT Hamburg) könnten von der Nähe des Bundestrainers profitieren.
Diese Entwicklungen passen ins Konzept des HHLV-Geschäftsführers, der die Ressourcen besonders in den Bereichen Weitsprung, Hochsprung und Mehrkampf bündeln will: „Es ist in ganz kurzer Zeit gelungen, dass jetzt im Großraum Hamburg vier Top-Weitspringer trainieren. Wenn das in den nächsten Monaten funktioniert, ist es denkbar, dass andere Athleten folgen werden.“
Schwerpunkt Trainerausbildung
Entscheidend hierfür ist, dass ausreichend gut ausgebildete Trainer zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang holte der Hamburger Verband im November die DLV-Regionalkonferenz in die Hansestadt, von der gleich in zweifacher Hinsicht eine Signalwirkung ausgehen sollte: „Wir wollten dem DLV demonstrieren, dass sich in Hamburg etwas bewegt und den Hamburg Trainern zeigen, dass der Verband ihnen eine Plattform bietet, sich weiter zu entwickeln. Das ist sehr gut aufgenommen worden.“
Die Anzahl der Sichtungstrainer wurde von zwei auf acht erhöht, mittelfristig sollen in den einzelnen Hamburger Bezirken vom Verband bezahlte Trainer etabliert werden, die vereinsübergreifend das Training ab dem Jugendbereich koordinieren und für den Verband und die Vereine als Ansprechpartner dienen. „Die Mitgliedsvereine leisten eine gute Schülerarbeit. Doch ab dem Jugendalter muss man fünf bis sechs Mal pro Woche trainieren. Dafür fehlen in vielen Vereinen die Zeit und die Mittel“, erklärt Frank Thaleiser.
Zusammenarbeit mit Schulen
Ein weiteres Ziel ist die Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Schulen. Zwar gibt es mit der Gesamtschule am Alten Teichweg in Hamburg eine der so genannten Eliteschulen des Sports. Die Möglichkeit der erleichterten Kombination von Schulausbildung und Hochleistungstraining nehmen bisher aber kaum Leichtathletiktalente wahr. Nachwuchsathleten sollen vermehrt über dieses Angebot informiert werden.
Vorwiegend will Frank Thaleiser jedoch darauf hin arbeiten, in den verschiedenen Hamburger Regionen Kooperationen mit sportbetonten Schulen zu errichten. Hier sollen Klassen speziell für die Leichtathletik aufgebaut werden, die von Lehrern mit Zusatzqualifikationen betreut werden.
Vor diesem Hintergrund hat der HHLV in diesem Jahr die Ausrichtung des Talentwettbewerbs „RAPIDO!“ von den Hamburger Vereinen übernommen. Fast 1.500 Fünftklässler traten im Herbst im 30-Meter-Sprint gegeneinander an, was nicht nur der Talentsichtung diente, sondern vor allem der Herstellung des Kontakts zwischen Verband und Schulen.
LG Hamburg Vision der Zukunft?
Für die Zukunft liebäugelt Frank Thaleiser auch mit dem Gedanken an einen Zusammenschluss von Vereinen zu einer Leichtathletik-Gemeinschaft Hamburg. Eine derartige LG könnte als Vermarktungsfläche dienen, um die wie überall so dringend notwendigen Sponsorengelder einzutreiben. „Da sind wir in Gesprächen gewesen, aber das ist sicherlich in diesem Jahr noch zu kurzfristig.“
Das übergeordnete Ziel, dass sich der ehemalige 400-Meter-Läufer des TSV Bayer Leverkusen gesetzt hat, ist dann auch ein langfristiges: 2016 sollen wieder Hamburger Leichtathleten bei Olympischen Spielen vertreten sein.
Ob er zufrieden ist mit dem bisher Erreichten? „Es gibt ja diesen schönen Spruch ‚Zufriedenheit macht träge’“, lacht er. Nach zehn Monaten im Amt zieht der 42-Jährige aber trotzdem ein positives Fazit: „Ich glaube, dass wir in diesem Jahr eine gute Plattform geschaffen haben, auf der wir weiterarbeiten können.“ In Deutschlands Norden bewegt sich was.