In zwei Jahren ist bereits wieder EM
Sie sind frischgebackene Europameister, ihre Titel müssen die meisten von ihnen aber nicht in vier, sondern schon in zwei Jahren verteidigen. Für die Titelkämpfe mit allen Disziplinen bleibt es beim Vier-Jahres-Rhythmus, doch alle zwei Jahre wird künftig eine abgespeckte EM ohne Mehrkampf, Gehen und Staffeln über die Bühne gehen. Ihre Notwendigkeit wurde auch in der letzten Woche in Barcelona (Spanien) viel diskutiert.
Schon vor dem EM-Auftakt hatte der Präsident des Europaverbandes EA, Hansjörg Wirz, seine Position unterstrichen: "Ein Höhepunkt alle vier Jahre ist nicht genug."Doch der Grund der Diskussionen liegt auf der Hand: 2012 werden die Titelkämpfe Ende Juni in Helsinki (Finnland) nicht nur vier Wochen vor den Sommerspielen in London (Großbritannien) stattfinden (27. Juli bis 12. August), sondern parallel wird auch noch die Endphase der Fußball-EM in der Ukraine und Polen (9. Juni bis 1. Juli) laufen.
„Wir müssen dem Projekt eine Chance geben. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass wir über Meisterschaften der Leichtathletik nationale und internationale Publizität verschaffen“, sagte Dr. Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), zu dem Thema.
Reiz der Meisterschaft
Er erklärte: „Der besondere Reiz der Leichtathletik kommt von den Meisterschaften. Es hat bisher keine Golden oder Diamond League auch nur annähernd geschafft, so viel öffentliche Wahrnehmung auf die Leichtathletik zu konzentrieren wie es im Zusammenhang mit Meisterschaften geschieht.“
Dr. Clemens Prokop hat Verständnis dafür, dass der Europäische Leichtathletik-Verband (EA) attraktive Produkte braucht, da dieser von Fernseh- und Marketing-Einnahmen lebt. „Der Hintergrund der Einführung dieser zweiten EM ist auch der Versuch, die europäische Leichtathletik stärker an eigenem Profil gewinnen zu lassen.“
EM als Olympia-Trials?
Unter einem besonderen Blickwinkel sieht er die weiteren Titelkämpfe in jenen Wettbewerben, in denen die europäischen Athleten eher im Hintertreffen sind. „Es bringt die Chance in Disziplinen, die im Weltvergleich nur sehr schwierig zu dominieren sind, den Athleten eine Plattform zu geben, auf der sie auch wahrgenommen werden und die auch Motivation schafft.“
Insgesamt sieht aber auch der DLV-Präsident die Problematik, die in der Kombination mit den Olympischen Spielen entsteht. „Wie weit das Experiment gelingt, wird erst Helsinki zeigen. Das wird davon abhängig sein, wie stark die Mannschaften, die entsandt werden, tatsächlich sind. Wenn es eine Europameisterschaft der B-Mannschaften werden würde, dann wäre das Projekt gescheitert. Wenn es aber gelingen würde, diese Europameisterschaften als eine Art europäische Trials zu entwickeln, indem dort die entscheidende Qualifikation für Olympia geschaffen wird, dann könnte das Konzept aufgehen.“
Form kann schon stimmen
Der deutsche Mannschaftskapitän Ralf Bartels will die EM 2012 erst einmal auf sich zukommen lassen. „Ich finde es auf der einen Seite sehr gut, dass wir im Zwei-Jahres-Rhythmus eine Europameisterschaft haben und einen kontinentalen Vergleich anstreben können. Anderseits werden die Prioritäten ganz stark auf den Olympischen Spielen liegen“, vermutete der Neubrandenburger Kugelstoßer.
Er wolle aber versuchen, bei beidem gut abzuschneiden. „Einigen aus der Mannschaft wird es ähnlich gehen, es wird aber auch immer wieder Gegenstimmen geben, die sagen: Ich mache die EM nicht mit oder nur aus dem Training heraus als Formüberprüfung.“
Ähnlich sieht es auch der Münchner Stabhochspringer Fabian Schulze, für den der zusätzliche Termin aber kein Problem darstellt. „Für mich wäre das wie ein zusätzlicher Wettkampf. Ich würde zu der Zeit vor Olympia sowieso starten.“ Dass bei der Europameisterschaft in Helsinki die Form noch nicht stimmen könnte, befürchtet er indes nicht. „Man kann bei EM und Olympia in Top-Verfassung sein. Man muss nur sehen, wie es die internationalen Athleten machen.“
mit Material des Sport-Informations-Dienstes (sid)