Ingo Schultz – "Trauben hängen sehr hoch"
Der deutsche Europameister Ingo Schultz startet mit einer neu formierten Trainings- und Betreuergruppe in die heiße Phase der Vorbereitung auf den Olympiasommer. Christian Fuchs hat sich für leichtathletik.de mit dem deutschen 400-Meter-Ass über sein "Team Ingo Schultz", seine momentane Fitness und seine Ziele in der Freiluftsaison unterhalten.
Ingo Schultz startet mit seinem eigenen Team durch
leichtathletik.deIngo Schultz, Sie haben in dieser Woche in Hamburg gemeinsam mit Ihrem Trainer Jürgen Krempin das neue "Team Ingo Schultz" vorgestellt. Was erwarten Sie sich persönlich davon?
Ingo Schultz:
In erster Linie ist für mich wichtig, dass ich Trainingspartner habe, die mich zuverlässig im Training begleiten. In den vergangenen Jahren hatte ich oft Phasen, in denen ich alleine trainiert habe. Es kostet mich doch sehr viel Energie, mich immer wieder selbst zu motivieren. Man verschenkt einiges. Wenn ich da jemanden neben mir habe, gebe ich auch ein bisschen mehr. Für mich ist wichtig, in diesem Jahr in den Trainingseinheiten kein Potenzial zu verschenken. Ich möchte gut, konzentriert trainieren und außerdem auch Spaß und Unterstützung haben.
leichtathletik.de:
Im "Team Ingo Schultz" geht es auch ein bisschen um das Geben und Nehmen. Was können Sie den jungen Athleten geben und wo können Sie selbst ganz konkret profitieren?
Ingo Schultz:
Ich stehe natürlich als Namensgeber und Athlet da, der schon etwas erreicht hat. Die jungen Athleten können sehen, wie ich den Weg dorthin geschafft habe und wie ich mich auf weitere große Ziele vorbereite. An mich kommt zurück, dass junge Athleten manchmal einfach unverbrauchter sind. Sie sehen manche Dinge anders und da kann ich als "Alter" auch noch etwas davon lernen, wenn ich merke, ich bin in gewisse Strukturen zu sehr eingefahren. Auch für neue Trainingsreize, die wir planen, ist das sehr wichtig.
leichtathletik.de:
Sie wurden im letzten Sommer von dem Eppstein-Barr-Virus aus der Bahn geworfen. Wie sieht es inzwischen bei Ihnen gesundheitlich aus?
Ingo Schultz:
Sehr gut. Ich bin sehr zufrieden. Es hat natürlich ein bisschen gedauert, aber ich bin seit Januar wieder richtig im Training. Im vergangenen Herbst ging das noch nicht, da wurde ich immer wieder krank. Ich kann jetzt die Umfänge absolvieren, die ich für eine vernünftige Saisonvorbereitung brauche. Mein Immunsystem hat sich wieder soweit erholt, dass ich das auch wegstecke. Deshalb bin ich optimistisch. Wenn ich einen Vergleich mit dem letzten Jahr zur selben Zeit ziehe, fühle ich mich besser. Ich habe eine bessere Basis, um die kommenden Einheiten gut zu bestreiten.
leichtathletik.de:
Gibt es schon eine grobe Wettkampfplanung? Wann werden Sie erstmals im Sommer Ihre Verfassung im Rennen testen?
Ingo Schultz:
Ich steige wieder etwas kleiner und versteckter ein und zwar am 16. Mai bei einem Sportfest in Bremen, dann über 100 und 200 Meter. Die ersten 400 Meter werde ich voraussichtlich am Pfingstmontag, 31. Mai, in Rehlingen laufen. Da darf man aber nicht zuviel erwarten, das sind die ersten 400 Meter seit fast zehn Monaten. Die fehlende Wettkampfpraxis wird man spüren. Aber ich habe in den letzten Jahren gezeigt, dass ich relativ schnell wieder reinfinde und danach meine Form entwickle und auspräge. Bis zum Europacup werde ich weitere vier oder fünf Rennen bestreiten, bis zu den Deutschen Meisterschaften am 10. und 11. Juli sollte die Olympianorm gefallen und die Nominierung für Athen auf dem Weg sein.
leichtathletik.de:
Der Fahrplan ist damit schon recht konkret skizziert. Aber was nehmen Sie sich denn für den Olympiasommer vor?
Ingo Schultz:
Schnell zu laufen. Es macht aber noch keinen Sinn, Zeiten vorauszusagen. Im letzten Jahr sind Dinge schief gelaufen, daraus habe ich gelernt. Ich hoffe, dass ich das jetzt besser umsetzen kann. Wir sind wieder konzentrierter bei der Sache. Ich will für mich eine gute Leistung abrufen. Das halbe Jahr Trainingspause wird sich auf diesem Niveau aber ganz schön bemerkbar machen. Deshalb muss man abwarten, inwieweit die Substanz wieder da ist. Wenn ich gesund bleibe, denke ich aber, dass ich eine Leistung bieten kann, mit der ich zufrieden sein werde.
leichtathletik.de
Auf deutschem Boden ist ein Simon Kirch in diesem Winter als Hallenmeister in den Vordergrund gelaufen. Wie schätzen Sie die Konkurrenz national denn im Augenblick ein?
Ingo Schultz:
National gab es in der Halle ganz erfreuliche Ergebnisse durch Simon Kirch, Bastian Swillims und Ruwen Faller. Das sind drei Leute, die unter 47 Sekunden gelaufen sind. Als Faustregel geht man davon aus, dass sie draußen noch eine Sekunde schneller laufen können. Das müssen sie erst einmal schaffen, aber wenn die Jungs ihre Form ausbauen, werden wir eine gute Staffel haben. Wir wollen uns damit natürlich für Olympia qualifizieren und wir dürfen uns beim Europacup keinen Fehler erlauben. Wir müssen dort gut laufen, um überhaupt mit der Staffel dabei zu sein, weil nur 16 Nationen starten dürfen.
leichtathletik.de
Viele 400-Meter-Stars haben sich in der Hallensaison gar nicht gezeigt. Da wird sicherlich einiges im Sommer zu erwarten sein. Wie schätzen Sie international die Situation und Ihre Chancen ein?
Ingo Schultz:
International trainieren die meisten noch, haben sich in der Halle nicht gezeigt. Die Trauben hängen schon sehr hoch. Es ist nicht der Selbstläufer, wo man sagt, ich laufe 44,70 Sekunden und bin auf einem Medaillenplatz. Die Breite ist sehr groß. Bei der WM in Paris liefen schon im ersten Halbfinale fünf unter 45 Sekunden und einer davon ist gar nicht weitergekommen. Zwanzig Athleten können realistisch ins Finale kommen. Da muss alles passen, um mit dabei zu sein. Daran arbeite ich, dafür trainiere ich.
leichtathletik.de:
Vielen Dank für das Gespräch.