Interview mit A-Junioren-Bundestrainer Wolfram Ruth
Vom 16. bis 21. Juli finden in Kingston (Jamaika) die Junioren-Weltmeisterschaften statt. Bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Mönchengladbach gibt es am Wochenende die letzte Chance, sich für die Titelkämpfe im Jamaika zu qualifizieren. Wir sprachen mit Wolfram Ruth, Bundestrainer A-Junioren über Chancen, Perspektiven und Ziele.
Wolfram Ruth (Foto: Chai)
leichtathletik.deIn Mönchengladbach gibt es noch einmal die letzte Chance, sich für Kingston zu qualifizieren. Welche Erwartungen haben Sie vor den Titelkämpfen?
Wolfram Ruth
Die Jugend-DM ist sicherlich die wichtigste Qualifikation. Das Problem ist, dass auf vielen der Druck lastet, den Richtwert für die Junioren-Weltmeisterschaften schaffen zu müssen. Deshalb wird es schwer, dass noch viele am Wochenende die Norm erreichen.
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Wie groß wird voraussichtlich nach die Mannschaft sein, die nach Kingston fährt?
Wolfram Ruth
Ich träume immer noch von 65 Athleten/innen, die am 8. Juli via London nach Jamaika fliegen. Im Winter hatte ich zwischenzeitlich schon befürchtet, dass ich allein fahren muss. Endgültig wissen wir es am 1. Juli, denn da ist Nominierungsschluss.
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Wie schätzen Sie grundsätzlich die Lage im Nachwuchsbereich der deutschen Leichtathletik ein?
Wolfram Ruth
Das Spannende ist, dass Du nie sagen kannst, wer den Weg zur Spitze findet. Dieter Baumann zum Beispiel hat im Alter von 18 Jahren in 3:46 Minuten die Teilnahme für die Junioren-EM in Cottbus verpasst, aber schon damals hat man seinen unglaublichen Willen gesehen. Heute läuft ein Till Helmke bei den hessischen Jugendmeisterschaften über 200 Meter eine Zeit von 20,81. Das ist Spitze. Stabhochspringerin Floe Kühnert ist für mich in Kingston eine Goldmedaillenkandidatin. Auch der Wurfbereich der jungen Damen ist wiedererstarkt. Betty Heidler traue ich im Hammerwerfen eine vordere Platzierung zu. Wir haben noch eine Reihe Talente, nur was aus Ihnen wird, steht in keiner Bibel.
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Wie würden Sie die heranwachsende Leichtathletik-Generation beschreiben?
Wolfram Ruth
Die jungen Leute haben sich im Vergleich zu anderen Zeiten wenig verändert. Sie trainieren sehr konzentriert und zielorientiert und sind bescheiden in der heutigen Zeit , wo viele die große Klappe haben.
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Welche Ziele haben Sie sich für die Junioren-WM persönlich gesetzt?
Wolfram Ruth
Wichtig ist erst einmal, dass die Leistung der Athleten individuell beurteilt wird und alle das Beste geben. In einigen Disziplinen, wie im Sprintbereich weiblich, waren viele Mädchen viele Jahre dabei und sind jetzt herausgewachsen. Vor vier Jahren hat Sina Schielke zum Beispiel in Annecy noch den Staffelstab verloren und jetzt ist sie auf dem Weg nach oben. Was ich damit sagen will, ist ganz einfach: in einigen Bereichen haben wir ein Loch und das kann man nicht so schnell wieder zuschütten. Wenn wir in der Nationenwertung unter die ersten Drei kommen, wäre es traumhaft.
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Wie lange dauert es in der Regel, bis die Erfahrenen im Junioren-Bereich auch international wettkampferfahren sind?
Wolfram Ruth
Das Schöne im Jugend-Bereich ist die Unberechenbarkeit der Natur, was letztlich die Leistungsstärke betrifft. Wir können als Titelverteidiger diesmal nur verlieren. Bei der letzten WM hatten wir die Mannschaftswertung vor Russland gewonnen. Das werden wir diesmal nicht schaffen, denn die Früchte hängen sehr hoch.
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Wer wird dann Ihrer Meinung nach in Jamaika die Früchte ernten?
Wolfram Ruth
In der Karibik sind viele südamerikanische Mannschaften da. Die haben das Früchte ernten gelernt. Das ist für die ein Heimspiel. Wenn die USA mit der kompletten Mannschaft antritt, sind sie nicht zu schlagen. Jamaika wird ebenfalls eine große Rolle spielen. Die sind biologisch drei Jahre weiter.
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Welche Rolle spielt die hohe Luftfeuchtigkeit?
Wolfram Ruth
Ab einer Strecke von 1.500 Metern wird es wirklich brutal. Wir sind zwar bereits eine Woche vor der WM in Kingston, aber das dient nur dem Stoffwechsel.
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Also könnte die Hitze der größte Gegner sein?
Wolfram Ruth
Nein. Mit den Bedingungen müssen alle leben. Unser größter Gegner ist der Terminkalender. Du hast eine Wettkampfserie von sechs Wochen und der Saison-Höhepunkt liegt am Ende einer komplexen Serie. Am 1. Juli wird nominiert und wird haben dann keine drei oder vier Wochen mehr zur Vorbereitung. Du kommst praktisch von der Beschleunigungsphase direkt zum Zieleinlauf. Es fehlt uns vor der WM einfach eine Stabilitätsphase, die wichtig wäre.
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Wenn Sie selbst einmal Ihre 17jährige Trainertätigkeit Revue passieren lassen. Was war Ihr größtes Erlebnis?
Wolfram Ruth
Das größte Erlebnis war sicherlich 1991. Nicht nur, weil wir 25 Medaillen geholt haben. Da war einfach eine Stimmung im Team, die unglaublich war.
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Hat die heutigen Mannschaft zu viele Individualisten und zu wenig Teamgeist?
Wolfram Ruth
Natürlich gibt es auch heute noch jede Menge Teamgeist, aber die meisten sind zu angepasst. Vielen fehlt einfach der sogenannte Killerinstinkt.
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