Für Michael Fietz kommt Rotterdam noch zu früh
Der Trip ins Land der Tulpen war fest gebucht. "Ja", sagt Michael Fietz, der Marathon-Spezialist vom TV Wattenscheid 01, "ich wollte in Rotterdam starten und mich dort für die Europameisterschaft in München qualifizieren." Daraus wird nichts. "Leider", bestätigt er seinen Verzicht, "ich fühle mich noch nicht fit genug, um die Norm von 2:12:30 anzugreifen." Den Termin in der holländischen Hafenstadt hat Fietz in den Wind geschrieben. "Das passt nicht von der Vorbereitung her", gibt er ehrlich zu, "die Waden-Verletzung hat mir einen Streich durch die Planungen gemacht." Dumm gelaufen.
Michael Fietz muss auf den Rotterdam-Marathon verzichten (Foto: Hörnemann)
Deshalb hat er umdisponiert. "Ich werde jetzt in Hannover oder Regensburg mein Glück versuchen", erklärt Michael Fietz, da bleibt mir noch ein bisschen Zeit." Das Problem ist der frühe Nominierungstermin, denn am 6. Mai soll Wolfgang Heinig, Marathon-Bundestrainer sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, die EM-Teilnehmer bekannt geben. In Hannover wird am 5. Mai gelaufen. "Das würde klappen", sagt er, "doch Regensburg ist am 12. Mai. Also eigentlich zu spät!" Dank einer Sondergenehmigung möchte er vom Deutschen Leichtathletik-Verband eine Woche Aufschub bekommen. "Wolfgang Heinig hat mir seine Unterstützung zugesichert", betont Fietz, "darum sehe ich ganz gute Chancen." Wenn der DLV ihm eine Absage erteilen sollte, werde er in Hannover laufen. Ansonsten geht's nach Regensburg.Magnesium-Mangel war entscheidend
Ein gravierender Magnesium-Mangel hat ihn in die Bredouille gebracht. "Das muss beim Trainingslager in Chiclana passiert sein", blick Fietz zurück, "da habe ich mich in den Keller gelaufen." Im Süden Spaniens, in der Nähe der Hafenstadt Cadiz gelegen, weilte er mit dem DLV-Marathonkader, um sich gemeinsam unter Wolfgang Heinigs Aufsicht auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. "Wie das mit dem Magnesium-Defizit passieren konnte, ist mir ein Rätsel", fragt er sich noch immer, "zumal ich vorsorglich und regelmäßig entsprechende Präparate einnehme."
In Schotten, Schauplatz der Straßen-Meisterschaften, erhielt er die Quittung. "Das ging blitzschnell", erinnert sich Fietz an sein Ausscheiden, "bei Kilometer 14 war alles okay, und nur 500 Meter später ging gar nichts mehr." Voller Frust ist er damals ausgestiegen, weil die Wade "völlig zu war".
Trainingszustand muss noch aufgeholt werden
Mittlerweile ist wieder alles okay. Toi, toi, toi! Michael Fietz, ein Leichtgewicht von 64 Kilo bei 1,81 Meter Körpergröße, will nicht klagen. "Die Wade bereitet mir keine Schwierigkeiten mehr", äussert er sich ganz zufrieden, "doch nach wie vor habe ich einigen Trainingsrückstand aufzuholen." Drum hat er Rotterdam abgeblasen. "Von meinem persönlichen Gefühl her wäre das eine verdammt enge Kiste geworden", begründet Fietz seine Entscheidung, "ich wäre nur mit viel, viel Glück und allen möglichen Tricks heil durchgekommen." Lieber geht er auf Nummer sicher und feilt weiter an seiner Form.
Dabei wäre er so gern nach Rotterdam gedüst. "Dort bin ich vor zwei Jahren schon mal gestartet", kramt der amtierende deutsche Meister in seinen Erinnerungen, "und habe gute Erfahrungen gemacht." Na klar! Mit 2:11:28 Stunden als Zwölfter in einem Weltklasse-Feld knackte er locker die Olympia-Norm. "Damals war ich super drauf und mir bereits bei Halbzeit sicher, dass ich unter 2:12 bleiben würde. Dieses Glücksgefühl habe ich auf der zweiten Hälfte richtig ausgekostet." Scheinbar mühelos löste er das Ticket für Sydney.
Gute Erinnerungen an Rotterdam
Der Rotterdam-Marathon, betont er, sei sein schönster Marathon gewesen. Den Schnellsten absolvierte Fietz 1997 in Frankfurt, wo er mit 2:10:59 Stunden seinen noch heute gültigen "Hausrekord" aufstellte. Dass diese Zeit in Hannover oder Regensburg unterboten wird, glaubt er nicht. "Aber die Norm müsste drinsitzen." Gut trainiert hat Fietz in den vergangenen Tagen. "Die Wade hält", gibt er grünes Licht, "wenn's so weiter läuft, bin ich ganz optimistisch." Am liebsten trainiert er im Ruhrpott. In heimischen Gefühlen fühlt sich "Fietzi", so sein Spitzname, ohnehin am wohlsten. Seine Dauerläufe macht er meistens rund um den Kemnader Stausee. Dann schreckt er die Spaziergänger auf, die in dem Naherholungsgebiet an der A 43 blitzartig zur Seite springen, wenn der Marathon-Mann mit langen Schritten an ihnen vorbei zieht. "Manchmal laufe ich auch in der Haardt. Das ist allerdings verdammt hart." In dem Mischwald geht's rauf und runter. "Da hätte ich vor den Olympischen Spielen öfter rennen sollen", meint er und lacht, "denn der Kurs in Sydney war ähnlich schwer."
Qualität vor Quantität
Wenn er läuft, dann stets zügig. "Qualität vor Quantität" ist seine Devise, was auch zeitliche Gründe hat. Denn der gelernte Bankbeamte arbeitet an vier Vormittagen in der Woche bei der Ratio in Ratingen. "Deshalb kann ich oft nur einmal täglich trainieren." Wenn Carsten Eich und Stephan Freigang stramme Rationen von 200 Kilometern und mehr bewältigen, gibt er sich mit einem vergleichsweise geringen Pensum von 160 Kilometern zufrieden.
Nebenbei ist er auch ein Fußball-Experte. Früher war der VfL Bochum sein Lieblingsverein. Rüdiger Stenzel, sein Klubkollege, der nach einem Achillessehnenanriss momentan in der Warteschleife hängt, hat ihn dann für die "Königsblauen" begeistern können. Michael Fietz ist nun S04-Anhänger und Stammgast in der Arena Auf Schalke. Mit Stenzel ist er stolzer Besitzer einer Dauerkarte und fiebert bei den Heimspielen mit.
Fiel Tono Kirschbaum sofort auf
Tono Kirschbaum, Cheftrainer beim TV Wattenscheid 01, hat den Schalke-Fan einst entdeckt. "Das war noch, als er zu Schule gegangen ist", bemerkt Kirschbaum mit breitem Grinsen, "er ist mir mit seinem Talent sofort aufgefallen." Seit Urzeiten bilden sie ein erfolgreiches Duo. "Den Michael kenne ich länger als meine Frau und doch nicht gut genug", lacht der Coach, "seine Leistungssprünge sind mir immer noch ein Rätsel."
Ja, ja, der 34-jährige Fietz ist bisweilen ein unsicherer Kantonist. "Ihm fehlt ein wenig die Konstanz." Man ist bei ihm vor Überraschungen nicht sicher. "Wenn Michael gut in Schuss ist", prophezeit Kirschbaum, "traue ich ihm eine 2:12 immer zu." Also Daumen drücken, dass er in Hannover oder Regensburg, wo auch immer, wieder einen Sahnetag erwischt.