Interview mit Stabhoch-Szenekenner Marc Osenberg
Marc Osenberg ist einer der Kenner der deutschen und internationalen Stabhochsprung-Szene überhaupt. Er hat nicht nur fast alle deutschen Top-Stabakrobaten als Manager unter seinen Fittchen, sondern er ist auch mit für die großen Meetings in Sindelfingen, das am kommenden Samstag nur noch mit Stabhochsprung wieder im Glaspalast steigt, und Leverkusen verantwortlich. Ulrike Philipp hat sich am Rande des Hallen-Meetings in Karlsruhe mit Marc Osenberg über einige interessante Aspekte unterhalten.
Marc Osenberg will den Stabhochsprung weiter voranbringen (Foto: Chai)
leichtathletik.de:Was war am Freitag in Karlsruhe mit Michael Stolle los, Salto Nullo bei 5,40 Metern?
Marc Osenberg:
Sein Abschneiden beunruhigt mich nicht sehr. Er ist mit guten, harten Stäben gesprungen, das ist das Wichtigste. Dass er dabei gerissen hat, ist nicht so schlimm. Am Freitag war er gut drauf, aber es war nicht mehr drin. Michael ist mental schon in Birmingham. Er ist total auf die Hallenweltmeisterschaften fokussiert. Mit seiner Teilnahme hat er ein großes Ziel für 2003 bereits verwirklicht.
leichtathletik.de:
Nächsten Samstag findet in Sindelfingen wieder das Stabhochsprungmeeting mit einer Top-Besetzung und einer speziellen Paarwertung statt. Eine Veranstaltung mit einem ambitionierten Konzept, inwieweit haben Sie Ihre Finger da mit im Spiel?
Marc Osenberg:
Das Konzept stammt zu einem guten Teil auch von mir. Vor eineinhalb Jahren haben der Meetingdirektor Herbert Bohr und ich zusammen überlegt, was man anders machen könnte und herausgekommen ist das Konzept des Paarspringens. Die Teams werden ausgelost und wir versuchen natürlich auch, die Teamzugehörigkeiten auf der Leinwand für die Zuschauer darzustellen. Was wir uns auch vorstellen können, wäre ein inoffizieller Mixed-Weltrekord, das wäre doch noch interessanter für die Zuschauer. Dazu müsste es natürlich noch mehr Meetings dieser Art geben. Wir sind offen für neue Konzepte, wollen möglichst viel ausprobieren. Nicht nur, um neue Sponsoren für unsere Sportart zu gewinnen, sondern einfach, um den Stabhochsprung interessanter zu machen.
leichtathletik.de:
Angeblich stacheln sich die Teams auch gegenseitig hoch...
Marc Osenberg:
Klar, es ist natürlich unsere stille Hoffnung, dass die Springer und Springerinnen Teamgeist zeigen und sich im Paarteam gegenseitig motivieren. Wenn zum Beispiel eine/r sich um fünf Zentimeter gesteigert hat, steigen ja die Siegchancen für beide. Herbert Bohr und ich schauen jetzt einfach mal, wie diese zweite Ausgabe läuft und bewerten das hinterher. Mal sehen, ob es weitergeht danach.
leichtathletik.de:
Stimmt es, dass Sie Pläne haben, einen Verband, eine Interessengemeinschaft für Stabhochspringer zu gründen?
Marc Osenberg:
Nein, da ist absolut nichts dahinter. Wir sind nicht auf Konfrontation aus. Was aber die deutschen Stabhochspringer, zusammen mit den amerikanischen und französischen sowie dem Niederländer Rens Blom initiiert haben, ist ein offener Brief an die IAAF, vor allem an Istvan Gyulai und Sandro Giovanelli wegen der Regeländerungen im Stabhochsprung. Er geht in der kommenden Woche raus, weil Ende nächster Woche die Council-Sitzung ist. Die Kerninitiatoren sind Tim Lobinger, Lars Börgeling und Jeff Hartwig und der Entwurf des Briefes wurde an einen großen Verteiler weltweit verschickt mit Bitte um Feedback. Letztes Jahr hatten wir bei einer Regeländerung, die allerdings noch nicht verabschiedet war, insofern Erfolg, als diese Regel sich aufgrund unserer Einwände letztlich nicht durchsetzte. Dieses Mal haben wir leider erst davon erfahren, als die Regel schon verabschiedet war, daher konnten wir vorher nichts unternehmen. Wir erhoffen uns von dem Brief, dass er eine Diskussion in Gang bringt. Damit wäre schon ein großer Schritt getan. Es ist ja ganz klar, dass die Springer aufgrund der neuen Regel alle durchschnittlich 10 bis 15 Zentimeter weniger springen. Eigentlich sollten die alten Weltrekorde daher eingefroren werden. Den Brief wollen wir aber noch nicht vor der Council-Sitzung veröffentlichen. Den Funktionären der IAAF ist es lieber, wenn sie bei solchen Diskussionen "unter sich bleiben".
leichtathletik.de:
Ein weiteres Gerücht besagt, dass Sie vorhaben, eine eigene Stabhochsprungserie ins Leben zu rufen. Ist das die Zukunft in dieser Disziplin?
Marc Osenberg:
Die Zahl der Marktplatz- und Centerspringen wächst seit 20 Jahren, auch dieses Jahr kommen zwei bis drei neue dazu, davon sind wohl zehn auf hohem Niveau. Diesen "Wildwuchs" sollte man doch koordinieren und mehrere Serien draus machen. Das kann von der A-Serie bis zur C- oder D-Serie für den Nachwuchs gehen. Darüber denken wir nach. Für 2003 oder 2004 ist dies natürlich utopisch, aber warum nicht 2005? Wir würden das bei diesen Meetings auch alles offiziell machen, also die Abmessungen, Regelungen und vorgeschriebenen Neigungen und so weiter. Bitte verstehen Sie mich aber nicht falsch. Damit wollen wir den Stabhochsprung voranbringen. Wir sind überhaupt nicht auf Konfrontation aus. Im Gegenteil, eine Beteiligung des Verbandes wäre doch sehr schön, zum Beispiel für die Nachwuchsförderung. Mit einer solchen Serie reiner Marktplatzspringen wie in Hof, in Köln auf der Domplatte oder auf Norderney bedeutet auch keinen Boykott anderer Veranstaltungen, es soll auch keine extra WM oder so geben. Einfach nur eine sinnvolle Ergänzung. Wir, das heißt die Leverkusener Stabis, Tim Lobinger und ich, denken dabei an einen überschaubaren Rahmen, also kein Dutzend Veranstaltungen.
Das Interview führte Ulrike Philipp