| Kurz vor den Winterspielen

IOC nach Flaschen-Desaster in Not, Hajo Seppelt fordert "Plan B"

Die ARD-Enthüllungen über die Sicherheitsprobleme bei den Dopingflaschen bringen das IOC in Not. Russlands Präsident Wladimir Putin beschimpft Whistleblower Grigory Rodchenkov als "Idiot".
SID/pr

Als IOC-Präsident Thomas Bach am Dienstag im Olympia-Gastgeberland Südkorea eintraf, hatte auch er endlich das Ausmaß des Dopingflaschen-Desasters erfasst. Man sei "sehr besorgt" und erwarte "eine Lösung", teilte das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit. Gut eine Woche vor dem Start der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang steht das gesamte Kontrollsystem infrage.

Das weltumspannende Problem mit den fehlerhaften Behältern trifft das IOC ins Mark – vier Jahre nach dem russischen Staatsdoping in Sotchi ist eine saubere Abwicklung der Tests in Südkorea nicht garantiert. Ein Recherche-Team mit ARD-Journalisten hatte die Behältnisse geöffnet und darüber hinaus gezeigt, dass sie nicht fälschungssicher sind.

Das sorgt nach Meinung von Juristen für eine neue Rechtslage bei Dopingverfahren. "Die Beweislast trifft nun nicht mehr den Athleten, sondern voll den Verband", sagte der Rechtsexperte Michael Lehner dem SID. Bislang musste der Sportler im Fall eines positiven Dopingtests nach dem Prinzip der "strict liability" seine Unschuld beweisen. "Das kann so nicht bleiben", meinte Lehner anlässlich des Flaschen-Chaos. Nun müsse der Verband beweisen, dass die Behälter nicht manipuliert wurden.
Der Jurist rät den Athleten dennoch, in Pyeongchang die Dopingkontrollen einzuhalten. "Dort aber sollten die Sportler auf dem Formular vermerken, dass sie den Test nur unter Vorbehalt durchführen", sagte Lehner.

Hajo Seppelt: "Jetzt muss es Plan B für Olympia geben"

Journalist Hajo Seppelt, der die Recherchen der ARD leitete, glaubt sogar, dass für Fälle der Vergangenheit, der Gegenwart und der unmittelbaren Zukunft (Pre-Tests der Olympischen Winterspiele) das gesamte Dopingkontrollsystem "nicht mehr sicher und juristisch anfechtbar" sei. "Jetzt muss es Plan B für Olympia geben", sagte Seppelt im Gespräch mit dem SID.

Die Athleten blieben in ihrem Urteil vorsichtig. "Wir können noch nicht von einem flächendeckenden Skandal reden", sagte Aktiven-Sprecherin Silke Kassner: "Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie WADA und NADA mit den Problemen umgehen, bevor wir uns zu technischen Details im Ablauf äußern."

Doch es ist kaum vorstellbar, dass in den Tagen bis zu den Spielen noch Ersatz für die fehlerhaften Behälter beschafft werden kann. Hier schlittern das IOC und seine Führung in eine große Vertrauenskrise. Und damit nicht genug. Bach wurden in der ARD-Dokumentation schwere Vorwürfe an seinem Führungsstil gemacht.

Claudia Bokel bemängelt fehlende Diskussionskultur

Die ehemalige IOC-Athletensprecherin Claudia Bokel prangerte eine fehlende Diskussionskultur in der IOC-Exekutive an. Bokel, die im Vorfeld der Sommerspiele 2016 in Rio mit der abschließenden Prüfung der russischen Sportler bezüglich einer Starterlaubnis beauftragt war, attackierte vor allem das Verhalten der IOC-Spitze in der Russland-Frage.

"Wir wollten harte Konsequenzen für Russland und, dass Russland von den Spielen in Rio beziehungsweise Pyeongchang ausgeschlossen wird", sagte Bokel erstmals öffentlich. Doch Bach, dem eine große Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin nachgesagt wird, ließ offenbar keinen Widerspruch zu. Bokel: "In der Exekutive durfte das nicht diskutiert werden." Das IOC wies den Vorwurf zurück. "Claudia Bokel hatte mehrfach die Gelegenheit, sich zu äußern", hieß es. Sie habe an der entscheidenden Sitzung  teilgenommen, sich in der Abstimmung aber enthalten.

ARD-Doku: Wladimir Putin als Mitwisser

Auch Putin reagierte – auf den ARD-Bericht. Der Staatspräsident bezeichnete den Whistleblower Grigory Rodchenkov als "Idiot", dem man nicht trauen sollte. Der ehemalige Leiter des Dopinglabors von Sotchi hatte in der ARD-Dokumentation erklärt, Putin habe vom systematischen Doping in Russland gewusst.

"Sie haben diesen Idioten Rodchenkov ", sagte Putin mit Blick auf die USA, "alles basiert auf seinen Aussagen. Aber kann man ihm trauen?" Rodchenkov hält sich nach seinen folgenschweren Enthüllungen in den USA im FBI-Zeugenschutz auf und bangt um sein Leben.

Quelle: Sport-Informations-Dienst (SID)

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024