Irina Mikitenko - "War gar nicht anstrengend"
Irina Mikitenko gab am Sonntag in Berlin ein bravouröses Marathon-Debüt. Die 35 Jahre alte Läuferin belegte mit sensationellen 2:24:51 Stunden den zweiten Platz hinter der Vorjahressiegerin Gete Wami (Äthiopien) und lief damit auf Anhieb die zweitschnellste deutsche Zeit über diese Distanz der Geschichte. Dorothee von Winning unterhielt sich für leichtathletik.de in Berlin rund um den tollen Marathon-Einstand mit der Athletin vom TV Wattenscheid 01.

Irina Mikitenko glückte ein sensationelles Marathondebüt (Foto: Kiefner)
Sie sind in Berlin in einer fabelhaften Zeit Ihren ersten Marathon gelaufen. Wie beurteilen Sie dieses tolle Ergebnis?Irina Mikitenko:
Ich bin sehr glücklich und zufrieden. Es hat mir großen Spaß gemacht, in Berlin zu laufen. Ich habe mich gut gefühlt und die Zeit ist traumhaft. Das Beste daran ist zu wissen, dass ich jetzt eine richtige Profi-Marathonläuferin bin. Das harte Training hat sich gelohnt. Ich bin froh, dass der Tag, auf den ich lange hingearbeitet habe, vorbei ist. Bei dem Rennen habe ich viel gelernt.
Welche Erkenntnisse haben Sie gewinnen können?
Irina Mikitenko:
Ein Marathon besteht aus vielen Kleinigkeiten, auf die man achten muss. Vor dem Lauf habe ich vornehmlich auf andere gehört, die mir geraten haben, das Rennen vorsichtig anzugehen. Beim nächsten Rennen kann ich anders an den Lauf herangehen und mehr auf mein Inneres hören. Im nachhinein bin ich froh, dass ich nicht zu schnell begonnen und erst zum Schluss das Tempo gesteigert habe.
Wie haben Sie das Rennen selbst erlebt? Gab es Streckenabschnitte, wo Sie hart kämpfen mussten?
Irina Mikitenko:
Das Rennen war einfach fantastisch und gar nicht anstrengend. Es ging viel schneller, als ich erwartet hatte. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es nicht endlich ein bisschen weh tun müsste. Ich hatte so viel Energie, dass mich mein Trainer permanent bremsen musste. Erst ab Kilometer 37 durfte ich richtig Gas geben.
War die Qualifikation für die Olympischen Spiele im nächsten Jahr das oberste Ziel in Berlin?
Irina Mikitenko:
Erst einmal wollte ich nur gut ins Ziel kommen. Ich bin ja noch nie zuvor einen Marathon gelaufen und hatte deshalb keine bestimmte Zeit angepeilt. Trotzdem wollte ich gerne unter 2:30:00 Stunden laufen. Aber dass ich sogar unter 2:25:00 Stunden bleiben würde, hätte ich nicht erwartet. Mich nun auf Anhieb im Marathon für die Olympischen Spiele qualifiziert zu haben, ist natürlich toll.
Wie waren die Reaktionen auf Ihr tolles Rennen?
Irina Mikitenko:
Mein Sohn hat sich riesig über meinen Sieg gefreut, er hat sogar gestern ein Fußballspiel ausfallen lassen, um das Rennen am Fernsehen mitzuerleben. Auch viele Freunde haben sich gemeldet, ich bin noch gar nicht dazu gekommen, die Anrufe zu beantworten.
Wie haben Sie sich auf den Berlin-Marathon vorbereitet?
Irina Mikitenko:
Das war ein hartes Stück Arbeit. Ich habe im Juni angefangen, mich speziell auf den Marathon vorzubereiten. Ich war zweimal im Trainingslager in St. Moritz in der Schweiz. Dort lief es sehr gut. Außerdem habe ich täglich etwa fünf Stunden trainiert und pro Woche durchschnittlich 180 Kilometer absolviert. Zur Probe bin ich ein paar Mal 35 Kilometer gelaufen.
Bei welchem Wetter laufen Sie denn am liebsten?
Irina Mikitenko:
Das ist mir eigentlich relativ egal. So lange es nicht zu windig ist, habe ich auch gegen ein bisschen Regen nichts einzuwenden.
Wann haben Sie sich dazu entschieden, beim Berlin-Marathon anzutreten?
Irina Mikitenko:
Eigentlich wollte ich das schon im vergangenen Jahr. Jedoch war ich damals zwar körperlich bereit, aber psychisch noch nicht. Ich hatte irgendwie Angst davor. Aber nachdem ich in diesem Frühjahr beim Halbmarathon in Berlin persönliche Bestleistung gelaufen bin und die Strecke gesehen habe, wusste ich, dass das etwas für mich ist. Außerdem wollte ich nach der Babypause etwas Neues ausprobieren.
Sie sind im besten Läuferalter. Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor und was sind Ihre Ziele? Werden Sie jetzt nur noch auf der Straße laufen oder werden wir Sie in der Hallensaison auch wieder auf der Bahn sehen können?
Irina Mikitenko:
Jetzt weiß ich, dass ein Marathon die richtige Strecke für mich ist. Ich werde in Zukunft hauptsächlich auf der Straße laufen. Auf nationaler Ebene werde ich aber sicher noch das ein oder andere Rennen auf der Bahn absolvieren. Marathon braucht viel Erfahrung. Die möchte ich nun sammeln und natürlich will ich meine Zeit verbessern.
Wie lange wollen Sie noch aktiv sein?
Irina Mikitenko:
Wenn man verletzungsfrei über die Jahre kommt und noch gute Ergebnisse erzielt, dann kann ich, so denke ich, noch ein paar Jahre laufen.
Sabrina Mockenhaupt, ihre Langstrecken-Rivalin in Deutschland, wird nun kurz nach Ihnen, am nächsten Wochenende in Köln, ihr Marathondebüt geben. Dürfen wir demnächst über die Marathondistanz spannende Duelle zwischen Ihnen beiden erleben und was trauen Sie Sabrina Mockenhaupt in Köln zu?
Irina Mikitenko:
Ja, es kann passieren, dass wir irgendwann gegeneinander Marathon laufen. Aber es war keine besondere Absicht, dass wir nun gemeinsam mit dem Marathon anfangen. Wir haben schon öfter mit dem Gedanken gespielt und jetzt hat es sich zufällig ergeben, dass wir beinahe zur gleichen Zeit unser Debüt geben. Ich weiß nicht, wie gut sie vorbereitet ist, aber ich drücke ihr die Daumen und hoffe, dass sie fit ist und gut ins Ziel kommt. Ich werde mir den Köln-Marathon auf alle Fälle anschauen.
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Sabrina Mockenhaupt im Moment? Es gab ja mal Reibereien zwischen Ihnen...
Irina Mikitenko:
Ja gut, die gab es, aber jetzt hat es sich alles beruhigt und wir sind beim Training in St. Moritz sogar ein paar Mal zusammen gelaufen.
Das deutsche Marathon-Team ist ja inzwischen bei den Frauen relativ groß. Die Konkurrenz könnte sich im Blick auf Olympia 2008 und Heim-WM 2009 arg zuspitzen. Neben Ihnen und Sabrina Mockenhaupt gibt es ja nicht nur Ulrike Maisch, sondern auch Claudia Dreher, Luminita Zaituc, Susanne Hahn und Melanie Kraus, die sich alle Hoffnungen machen. Wie sehen Sie die Situation?
Irina Mikitenko:
Es ist schade, dass in Deutschland die Konkurrenz auf der Bahn inzwischen nicht mehr so groß ist. Aber dafür gibt es im Marathonbereich richtig viele gute Läuferinnen in der deutschen Mannschaft. Deswegen war es für mich sogar noch interessanter, den Marathon auszuprobieren und zu zeigen, dass ich das auch kann.
Sie haben bisher noch nie eine Medaille bei einer Welt- oder Europameisterschaft oder den Olympischen Spielen erkämpft, sind oft nur knapp daran gescheitert. Haben Sie dahingehend noch Ambitionen?
Irina Mikitenko:
Ich bin über Jahre hinweg konstant immer Vierte, Fünfte oder Sechste gewesen und die an der Spitze haben ständig gewechselt. Jetzt habe ich aber andere Ziele als die Jagd nach einer Medaille. Ich möchte auf der Straße etwas erreichen und mich im Marathon-Bereich etablieren.
Sie sind deutsche Rekordhalterin über die 3.000 und 5.000 Meter. Ist der deutsche Rekord beim Halbmarathon und Marathon ihr nächstes großes Ziel?
Irina Mikitenko:
Auf jeden Fall. In Berlin habe ich es noch nicht ganz geschafft, aber ich denke, meine Zeit ist ausbaufähig und ich kann um die 2:22:00 Stunden laufen.
Fühlen Sie sich jetzt darin bestätigt, die WM-Qualifikation über 10.000 Meter zugunsten der Marathonvorbereitung sausen zu lassen?
Irina Mikitenko:
Ja, das war die richtige Entscheidung, weil die Vorbereitung auf den Marathon immens viel Zeit kostet. Ich sage, lieber ein guter Wettkampf als einfach nur teilzunehmen. Ich habe schon oft an Weltmeisterschaften teilgenommen und ich wollte meine Marathonvorbereitung nicht wegen der Teilnahme an der Weltmeisterschaft unterbrechen.
Werden Sie im kommenden Jahr einen Frühjahrsmarathon absolvieren und denken Sie auch an einesder großen internationalen Stadt-Marathonrennen?
Irina Mikitenko:
Ich habe noch nichts Konkretes geplant, weil ich Berlin abwarten wollte. Aber ich möchte in Zukunft gerne auch bei anderen großen internationalen Wettkämpfen laufen.
Sie werden von Ihrem Mann trainiert. Belastet Sie das und setzt sie unter zusätzlichen Druck oder trennen sie Privates und Berufliches strikt?
Irina Mikitenko:
Zum Glück haben wir noch zwei Kinder. Sie sind eine tolle Ablenkung vom Training. Wir wollen nicht, dass es immer nur um Sport und Training geht. Die Kinder kommen oft auch mit ins Trainingslager oder zu Wettkämpfen. Meine Tochter Vanessa begleitet mich beim Training oft gemeinsam mit meinem Mann auf dem Fahrrad. Nach Berlin konnten sie leider nicht mitkommen, weil der Große zur Schule muss. Aber er hat mich ja gleich nach dem Rennen angerufen und mir gesagt, wie stolz er auf mich ist.
Sie kommen ursprünglich aus Kasachstan, sind aber seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Fühlen Sie sich inzwischen hier zuhause und pflegen Sie ihre kasachischen Wurzeln?
Irina Mikitenko:
Wir fühlen uns in Deutschland sehr wohl. Unsere Kleine wurde ja auch hier geboren. Aber nachdem die Schwiegereltern noch in Kasachstan wohnen, pflegen wir dahin noch enge Kontakte. Unsere Kinder wachsen dabei auch zweisprachig auf.
Wie geht es in den kommenden Wochen für Sie weiter?
Irina Mikitenko:
Ich werde mich jetzt erst einmal erholen und mit meiner Familie nach Kreta in den Urlaub fahren, bevor ich das Training wieder aufnehme.