Irina Mikitenko - „Zweites Leben angefangen“
Deutschland hat endlich wieder eine Laufkönigin. Nach ihrem grandiosen Sieg beim britischen London-Marathon ist Irina Mikitenko der gefeierte Star der deutschen Laufszene. Auf ihren schmalen Schultern ruhen nun große Erwartungen. Wie geht die 35-Jährige mit dem Druck um? Wie hat sie die Reaktionen auf ihren Sieg an der Themse erlebt? leichtathletik.de hat sich mit der Wattenscheiderin unterhalten.
Irina Mikitenko, herzlichen Glückwunsch zum Titel bei den Deutschen 10.000-Meter-Meisterschaften am Samstag in Menden. Nur drei Wochen nach Ihrem Sieg beim London-Marathon sind Sie locker im Alleingang zu Gold gelaufen. War es so locker wie es aussah?Irina Mikitenko:
Es war ein gutes Training heute. Ich war praktisch vom ersten Schritt allein und habe mir dann während des Rennens immer neue Motivationsziele gesucht. Erst war es mein Ziel, alle anderen Läuferinnen zu überrunden. Als ich das geschafft hatte, wollte ich unter 32 Minuten bleiben. So habe ich mich durchs Rennen gehangelt, da ich 10.000 Meter auf der Bahn schon langweilig finde. Locker, ja, das war es, denn Schwächen habe ich während des ganzen Rennens nicht gespürt.
Eine gute Zeit ist es zudem geworden. 31:57,71 Minuten sind nicht weit weg von der Olympia-Norm (31:40,00 min). Hatten Sie diese im Hinterkopf?
Irina Mikitenko:
Nein, wenn ich das Rennen hier wirklich ernst genommen hätte, dann hätte ich auch alleine schneller laufen können. Natürlich ist es schade, dass Sabrina Mockenhaupt nicht da war. Zusammen wäre sicher noch mehr drin gewesen, denn so musste ich mich 25 Runden lang allein motivieren. Aber ich hatte von Anfang an keine Ambitionen, in Peking 10.000 Meter zu laufen. Bei Olympia zählt für mich nur der Marathon.
Die Erinnerungen an den London-Marathon sind noch frisch. Mit welchen Reaktionen wurden Sie in Deutschland empfangen?
Irina Mikitenko:
Die letzten Wochen waren hektisch, aber durchweg positiv. Ich hatte viele Termine zu erfüllen. Meine Sponsoren wollten mich sehen, meine Gemeinde, viele Presseanfragen gab es. Ich durfte sogar an der Kopernikusschule in meiner Heimatstadt Sportunterricht geben. Das hat Spaß gemacht, auch wenn die Schüler in der 8. bis 10. Klasse nicht so einfach zum Laufen zu motivieren waren. Trotzdem wollten sie alle eine Runde in meinem Marathontempo laufen. Es war schön.
Der Druck, der nun auch von Seiten der Medien an Sie herangetragen wird, ist ein anderer. Wie erleben Sie das?
Irina Mikitenko:
Zum einen ist mit dem Sieg in London ein Druck von mir gewichen, nämlich der, die Olympia-Nominierung hinter mich zu bringen. Ich bin jetzt sicher in Peking dabei. Zum anderen ist der Druck von außen auf meine Person nun natürlich größer geworden. Aber wir haben in Deutschland eine Palette anderer guter Marathonläuferinnen. Ich persönlich habe auch hoffentlich noch einige weitere gute Jahre als Marathonläuferin vor mir. Ich denke da immer gerne an Kathrin Dörre-Heinig. Sie ist mit 40 Jahren noch tolle Zeiten gelaufen. Das gibt mir Mut, dass auch ich noch einen guten Weg vor mir habe und nimmt den augenblicklichen Druck.
In der Serie der World Marathon Majors (WMM) liegen Sie in der Wertung 2007/2008 auf Platz zwei. In der Wertung 2008/2009 führen Sie sogar zusammen mit Dire Tune (Äthiopien). Spielt diese Wertung in diesem Jahr eine Rolle für Sie? Immerhin geht es um 500.000 US-Dollar.
Irina Mikitenko:
Nein, das habe ich nicht im Hinterkopf. Vielleicht ändert sich das, wenn ich drei Rennen dieser Serie bestritten habe. 2008/2009 wird es sicher interessant für mich, aber 2007/2008 kommt wohl noch zu früh. Erst nach dem Olympia-Marathon werde ich entscheiden, ob ich überhaupt noch ein Rennen dieses Jahr absolviere. Das hängt davon ab, wie gut ich Peking verkrafte.
Der Berlin-Marathon im letzten Jahr war Ihr erstes Rennen überhaupt über 42,195 Kilometer. War es rückblickend genau der richtige Zeitpunkt, auf die Marathonstrecke zu wechseln?
Irina Mikitenko:
Vielleicht hätte ich es schon früher machen können. Viele Leute haben mir das immer gesagt und hätten mich schon gerne eher auf der Marathonstrecke gesehen. Damals habe ich immer gedacht, 42 Kilometer, das schaffst du nie. Ich glaube nicht, dass ich vom Kopf dafür reif gewesen wäre. Jetzt bin ich das. Ich merke das im Training. Ich will Marathon laufen. Ich merke, dass ich es kann. Und ich bin froh, dass ich den Schritt gegangen bin. Mein zweites Leben hat angefangen.
Wie sieht Ihre weitere Saisonplanung nun aus?
Irina Mikitenko:
Ich plane noch ein paar Wettkämpfe im Mai, wo darf ich leider noch nicht verraten. Und dann geht es Ende Mai ins Trainingslager nach Sankt Moritz und kurz vor Olympia noch einmal. Bei den Deutschen Meisterschaften werde ich allerdings sicher nicht über 5.000 Meter an den Start gehen. Das ist mir zu kurzfristig vor dem Marathon.
Am Sonntag sind Sie im Rahmen einer Promi-Staffel beim Mainz-Marathon an den Start gegangen. Hatten Sie nebenbei Zeit, das Rennen von Susanne Hahn zu verfolgen?
Irina Mikitenko:
Ja sicherlich. Ich bin begeistert, wie gut es bei ihr gelaufen ist. Ich wusste, dass sie diese Zeit laufen kann und freue mich jetzt, dass es geklappt hat.
Ist es für Sie überhaupt interessant, wer mit Ihnen zu den Olympischen Spielen fährt? Läuft dort nicht jede Athletin Ihr eigenes Rennen?
Irina Mikitenko:
Nein, man wünscht sich trotzdem, dort mit einer guten Mannschaft an den Start zu gehen. Zudem haben wir Marathonläuferinnen auch ab und zu zusammen trainiert. Ich denke, das hat uns gut getan. Wir werden mit einer guten Mannschaft nach Peking fahren.
Werden Sie auch vor den Olympischen Spielen zusammen trainieren?
Irina Mikitenko:
Wir sind auf jeden Fall zusammen im Trainingslager in Sankt Moritz. Natürlich kann man nicht jede Einheit zusammen machen. Aber wir werden sicherlich das eine oder andere Mal zusammen trainieren.
Bereits jetzt gibt es mehr deutsche Marathonläuferinnen mit Olympia-Norm als der DLV Startplätze zur Verfügung hat. Dies spricht für eine gute Mannschaft, wenn im Rahmen der WM im kommenden Jahr wieder der Weltcup ausgetragen wird, oder?
Irina Mikitenko:
Ja, bestimmt. Die Weltmeisterschaften in Berlin werden eine riesige Sache. Dort dürfen wir dann mit mehr Läuferinnen an den Start gehen und können dann eine richtig starke Mannschaft haben. Ich freue mich auf die Weltmeisterschaft in Berlin. Da können wir mit der Mannschaft sicher gut aussehen.
Viele trauen Ihnen bereits in diesem Jahr Olympia-Gold im Marathon zu. Welches Ziel haben Sie denn im Kopf, wenn Sie an Peking denken?
Irina Mikitenko:
Ich will mit den Bedingungen klarkommen, alles andere kann man trainieren. Die Bedingungen sind für alle gleich. Vor London hatte ich auch ein Ziel und habe es keinem verraten. Ähnlich ist es mit Olympia. Ich verrate es nicht, aber ich will etwas (lacht).