Allez, Mehdi, allez! Lauf, Mehdi, lauf!
Der dreimalige Weltmeister muss sich sputen. Denn der Europameister will ihn vom Thron stürzen. Mehdi Baala, die große Hoffnung im Land der Trikolore, brennt vor Ehrgeiz. Respekt hat er vor Hicham El-Guerrouj, dem Champion über 1500 Meter. Aber Angst? Nein. "Mehdi ist so heiß", schrieb "Le Figaro", Frankreichs renommierte Tageszeitung, "er frisst den Tartanbelag." Und den Titelverteidiger aus Marokko gleich mit?
Will heute die dritte französiche Medaille holen: Mehdi Baala. (Foto: Hörnemann)
Mehdi Baala, der noch vor zehn Tagen seinen 25. Geburtstag feierte, ist ein pfeilschneller Bursche. Auf der Bahn. Und auch auf der Straße. "Ich mag flotte Autos", erzählte er, "und hab' mir gleich einen Audi TT zugelegt, als ich mit der Lauferei Geld verdiene habe." Den sportlichen Flitzer aus Ingolstadt hat Baala mittlerweile eingetauscht: gegen einen anderen Exportschlager aus Deutschland. "Ich fahre jetzt BMW." Einen Fünfer mit mehr Platz im Kofferraum. "Den brauchen wir auch, seitdem wir eine Tochter haben." Denn jetzt braust er mit Kind und Kegel durch die Lande.Hanane Baala selbst gute 1500-Meter-Läuferin
Amelle heißt die Kleine. Auf dem Schoß der Mama saß sie am Montagabend im "Stade France" und schaute ihrem Papa zu, wie er mühelos den zweiten und letzten Halbfinallauf beherrschte. Seine Zeit lautete 3:39,73 Minuten. Seine Bestleistung liegt bei 3:30,97 Minuten, aufgestellt an gleicher Stätte vor genau 53 Tagen beim Golden League-Meeting "Gaz de France". Fouad Chouki, sein Landsmann, der ihm kürzlich im Zürcher Letzigrund-Stadion den französischen Rekord wieder entrissen hat, qualifizierte sich gleichfalls in 3:40,64 Minuten für den "Showdown", der heute um 21 Uhr eingangs der Gegengeraden gestartet wird.
Hanane, die bessere Hälfte im Hause Baala, wird dann wieder auf der Haupttribüne Platz nehmen. Mit Amelle wird sie ihrem Mann fest, ganz fest, die Daumen drücken. "Das Rennen", so ihre Prognose, "wird sehr schnell." Wie immer, wenn Hicham El Guerrouj dabei ist. "Ich hoffe, dass Mehdi eine Medaille gewinnt." Doch sie weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das sein wird. Denn Hanane Baala ist selber eine sehr gute Mittelstrecklerin, die ebenfalls die 1500 Meter favorisiert, aber nach der Schwangerschaft eine Pause eingelegt hat. "Doch ich traue Mehdi alles zu."
Treffen von Baala und Jazy
Eins seiner Vorbilder ist Michel Jazy, der in den sechziger Jahren ein grandioses Kapitel Leichtathletik-Geschichte geschrieben hat. 1960 in Rom war er Olympiazweiter über 1500 Meter und 1964 in Tokio Vierter über 5000 Meter. Jazy wurde außerdem zweimal Europameister: 1962 in Belgrad über 1500 Meter und 1966 in Budapest über 5000 Meter. "Früher, als ich noch bei meinen Eltern wohnte, hingen in meinem Zimmer immer Fotos von Michel Jazy an den Wänden", sagte Mehdi Baala seinem berühmten Vorläufer bei einem Treffen, das vom Sportblatt "L'Equipe" organisiert worden war, "doch ich habe ihn leider nie laufen gesehen."
Michel Jazy wurde in Oignies geboren, im Departement Pas-de-Calais, im Norden Frankreichs gelegen. Mehdi Baala kommt gebürtig aus Straßburg. Seine Mutter ist Französin, sein Vater in Afrika aufgewachsen. "Du weißt, Mehdi", erinnerte ihn Michel Jazy an seine Herkunft, "du bist der Sohn eines Einwanderers, genau wie ich, genau wie Zidane, Kopa und Platini." Auch die besten Fußballer der "Grande Nation", Zinedine Zidane, Raymond Kopa oder Michel Platini, haben ihre Wurzeln im Ausland.
70.000 Besucher erwartet
Der große Jazy fiebert mit seinem Nachfolger, der in München 2002 Europameister geworden ist und in Sydney 2000 Olympia-Vierter war. Ein wenig nervös sei er schon, gab der 67-jährige Sportheros zu, doch noch nervöser ist eine andere: Hanane Baala. Mit sechzehn haben sie sich kennen und lieben gelernt, als sie ihm einen Platz im Kino spendiert hat.
Ein hoffentlich spannender Film wird heute auch im "Stade de France" uraufgeführt. Als Spätvorstellung um 21 Uhr mit knapp 70.000 erwartungsfrohen Zuschauern. Mit Hicham El-Guerrouj und Mehdi Baala in den Hauptrollen und zehn weiteren Darstellern, die mehr sein wollen als nur Komparsen. Hanana Baala, Michel Jazy und alle Franzosen hoffen auf ein traumhaftes Happy-End.
Allez, Mehdi, allez! Lauf, Mehdi, lauf!