ISTAF - Zweitklassig ist erstklassig
Erstklassiges Meeting in Zeiten der Zweitklassigkeit: Trotz des freiwilligen Abstiegs in die zweite Liga der Leichtathletik versprühte das Berliner ISTAF am Sonntag reichlich Glanz. 46.512 Besucher machten das Stadionfest zu einem der zuschauerstärksten Meetings des Jahres, die Athleten verzauberten das Publikum mit starken Leistungen. Das ISTAF, das vor kurzem noch vor dem Aus stand, scheint mit der Rückkehr zur Bescheidenheit eine lukrative Nische gefunden zu haben.
"Das war eine geile Veranstaltung", sagte der Berliner Weltmeister Robert Harting, der in seinem "Wohnzimmer" Olympiastadion den Diskuswettbewerb gewann und anschließend mit den Fans eine große Party feierte: "Die Leute haben alle einen Sitz in meinem Wohnzimmer bekommen und haben gefeiert. Sie brauchten hinterher auch nicht sauber zu machen, ich bin ja ein guter Gastgeber."Als gute Gastgeber präsentierten sich ein Jahr nach der berauschenden WM aber vor allem die Organisatoren um ISTAF-Boss Gerhard Janetzky. Sie lehnten eine Einladung in die 14 Stationen umfassende Diamond League ab, sodass das Berliner Event erstmals seit zehn Jahren nicht mehr zur weltweit höchsten Meeting-Kategorie gehörte. "Diese Entscheidung war goldrichtig. Wir wollen uns keine Athleten oder Termine vorschreiben lassen", erklärte Gerhard Janetzky.
Günstiger Termin
So konnten die Organisatoren zum Beispiel kurzfristig nach dem sensationellen Europameister-Titel von Christian Reif (ABC Ludwigshafen) bei der EM in Barcelona (Spanien) einen Weitsprung-Wettbewerb ins Programm holen. Das deutsche Duell zwischen Christian Reif und Hallen-Europameister Sebastian Bayer (Hamburger SV) fesselte prompt das Publikum.
In der höchsten Kategorie hätte Berlin auch niemals den äußerst lukrativen Termin direkt nach der EM in Barcelona und zwischen den Meetings in Zürich (Schweiz) und Brüssel (Belgien) bekommen.
Diesen Vorteil genießt das ISTAF auch im kommenden Jahr, wenn das Sportfest am 11. September 2011 und damit nur eine Woche nach der WM in Daegu (Südkorea) stattfindet. "Dann müssen wir unseren Etat von derzeit 1,5 Millionen Euro aufstocken, denn Weltmeister sind teurer als Europameister", sagte Gerhard Janetzky.
Schwarze Null
Die 69. Auflage der Veranstaltung werde man wohl mit einer "schwarzen Null" abschließen, verriet der ISTAF-Macher. 800-Meter-Weltrekorder David Rudisha (1:41,09 min), der für den ersten ISTAF-Weltrekord seit elf Jahren eine Prämie von 50.000 US-Dollar kassierte, belaste das Budget nicht zusätzlich: "Für solche Fälle sind wir versichert."
Einziger Wermutstropfen der neuen Strategie ist, dass die Weltstars - ausgenommen 800-Meter-Weltmeisterin Caster Semenya, die nach ihrem bizarren Streit um ihre Geschlechterzugehörigkeit eine emotionale Rückkehr nach Berlin feierte - die blaue Tartanbahn im Olympiastadion mieden.
Das soll im nächsten Jahr anders werden - aber nicht um jeden Preis. "Natürlich werden wir versuchen, Usain Bolt oder Tyson Gay zu bekommen. Aber in Schulden stürzen wir uns für sie nicht", sagte Gerhard Janetzky. Gut so. Der Erfolg gibt ihm recht.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)