Iwan Thomas steckt voller Tatendrang ... Aber?
Was ist los mit Iwan Thomas? Nicht viel. „Es war fürchterlich“, schimpfte der sonst so kampflustige Waliser nach seiner schlappen Vorstellung bei den „Welsh Games“ in Cardiff, wo er weit abgeschlagen als Sechster in 47,17 Sekunden durchs Ziel trabte, „das war erst mein drittes Rennen in diesem Sommer, und ich fühlte mich nicht besonders gut.“ Thomas, der amtierende Europameister, ist verzweifelt auf der Suche nach seiner Form. „Aber kampflos“, verkündete er, „werde ich meinen Titel nicht preisgeben.“ Daran sei nicht zu denken.
Iwan Thomas blickt in diesen Tagen etwas nachdenklich
An diesem Wochenende ist Iwan Thomas wieder im Einsatz, wenn in Birmingham die „Norwich Union Trials“ ausgetragen werden. Drei Tage lang balgen sich die britischen Leichtathleten um die Tickets für die EM in München. „Natürlich hätte ich lieber etwas mehr Zeit zur Vorbereitung gehabt. Aber ich kann es nicht ändern. Also muss ich das Beste draus machen, auch wenn die Trials für mich zu früh kommen“, erklärte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur „Press Association“. „Am wichtigsten ist, dass ich mich qualifiziere und dabei bin.“ Leise Zweifel plagen ihn, den Pechvogel, der nach seinem imposanten Double vor vier Jahren, als er in Budapest Europameister und kurz darauf in Kuala Lumpur auch Commonwealth-Champion wurde, von immer neuen Verletzungen heimgesucht wurde.Iwan Thomas, der einstige Superstar, weiß nur zu gut, dass die Rivalen der Rennbahn ihn vom Sockel stoßen wollen. Ingo Schultz beispielsweise, der Schlacks aus Hamburg, der im rot-weißen Dress der LG Olympia Dortmund läuft, hat bereits eindrucksvoll bewiesen, wozu er fähig ist. 44,97 Sekunden erzielte er in Wattenscheid! Eine Zeit wie ein Donnerhall. „Ich schau nicht, was die Gegner machen“, sagte er nach seinem eindrucksvollen Meisterschaftsgewinn, „ich ziehe mein eigenes Ding durch.“ Ingo Schultz hat die Ruhe weg! Mit cooler Miene hockt er auf seinem Startblock und lässt alles locker auf sich zukommen.
Bleibt der EM-Titelverteidiger zuhause?
Der Kollege von der Insel ist schon ein wenig nervös. Ihm fehlt ein hochkarätiges Ergebnis. Mit 46,4 Sekunden kann er momentan keinen vom Hocker reißen. Wenn’s dumm läuft, bleibt ihm sogar der Sprung ins Nationalmannschafts-Aufgebot verwehrt. „Abwarten“, meinte Iwan Thomas, „ich war stets ein Mann für die großen Events.“ Im entscheidenden Moment, wenn’s hart auf hart geht, konnte er noch immer die entscheidenden Prozente aus seinem Körper herauskitzeln. Diesmal auch? Die einstige Vorherrschaft ist dahin. Die eigenen Landsleute haben derzeit die besseren Karten in der Hinterhand. Daniel Caines hat bereits eine 45,14 stehen, Jared Deacon eine 45,57 und Jamie Baulch eine 46,01.
Nur die ersten Zwei bei den Trials sind hundertprozentig gesetzt für München. Iwan Thomas, der große Blonde mit den schnellen Beinen, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Ich werde alles geben.“ Er ist ein eisenharter Fighter mit einem riesigen Erfahrungsschatz. 1996 Olympia-Fünfter, 1997 WM-Sechster und Vize-Weltmeister mit der Staffel, 1998 Doppel-Europameister im Einzel und mit der Staffel – das sind Pfunde, mit denen sich wuchern lässt.
Alter Lorbeer ist schnell verwelkt
Aber alter Lorbeer ist schnell verwelkt. Iwan Thomas kann nicht erwarten, dass ihm die werten Kollegen den goldenen Teppich auslegen, auf dem er problemlos ins Aufgebot spaziert. O-Ton Thomas: „Das wird hart.“ Knallhart sogar. Ob es nach einer ellenlangen Serie von Pleiten, Pech und Pannen für ihn ein Happy-End geben wird? Iwan Thomas, der Mann aus Hampshire, ist guter Dinge. „Ich muss mich qualifizieren“, betonte er, „danach bleibt mir noch einige Zeit, um an meiner Form zu arbeiten.“ Thomas, ein Kraftpaket von 80 Kilo, die sich auf 1,88 Meter Körperlänge verteilen, steckt allen Rückschlägen zum Trotz noch immer voller Tatendrang.