Jacques Rogge nimmt Usain Bolt ins Gebet
Nach dem zweiten Einschlag des goldenen Blitzes Usain Bolt ließ der Donnerhall aus dem Olymp nicht lange auf sich warten. Kein Geringerer als der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) höchstpersönlich sah sich genötigt, den schnellsten Mann der Welt zur Ordnung zu rufen. In einem wohl einmaligen Vorgang mischte sich Jacques Rogge in den Jubel über die zwei Goldmedaillen und die zwei Weltrekorde des 22 Jahre alten „Lightning Bolt“ (Blitz) mit einer schweren Rüge.
Der Belgier betonte, er habe kein Problem etwas eigenwilligen Showeinlagen direkt vor dem Start. Er verstehe auch, wenn sich Usain Bolt über seine Siege freue. „Aber hinter der Ziellinie wäre eine faire Geste angemessen. Er sollte seinen Gegnern die Hand reichen oder ihnen auf die Schulter klopfen“, sagte Jacques Rogge und fügte mahnend, aber auch ein wenig verständnisvoll hinzu: „Er ist noch ein junger Mann, er muss noch lernen und sich entwickeln.“Die kritischen Worte klangen wie eine ernste Warnung vor einem jähen Absturz nach dem kometenhaften Höhenflug. Für den Fall der Fälle jedenfalls. Grundsätzlich ist freilich auch der IOC-Chef von den Leistungen des Doppel-Olympiasiegers beeindruckt. „Usain Bolt ist in einer anderen Dimension als Michael Phelps. Er muss wahrgenommen werden wie Jesse Owens in der Dreißiger Jahren“, sagte er und ergänzte: „Wenn er das aufrecht erhält, wird er ein Ereignis bleiben.“
Superman II
Der entthronte 200-Meter-Weltrekordler Michael Johnson (USA), der seine 19,32 Sekunden bei Olympia in Atlanta 12 Jahre zuvor gelaufen war, hatte seinen Nachfolger da bereits zu „Superman II“ erhoben. Im Nationalstadion ließ sich Usain Bolt denn auch wie ein überirdischer König aus einer unbekannten Galaxie feiern. Nach seinem zweiten Lauf in eine neue Zeitrechnung scheint die ganze Welt der schon unheimlichen Faszination des schnellsten Mannes der Welt zu erliegen. Umso bemerkenswerter, dass Jacques Rogge ihn nun zur Ordnung rief.
Ein Hang zur Überheblichkeit ist Usain Bolt tatsächlich nicht abzusprechen. „Ich möchte weder mit Michael Johnson noch mit sonstwem verglichen werden. Ich möchte einfach ich selbst sein“, sagte Usain Bolt, nachdem er sich mit erhobenen Fäusten den Journalisten präsentiert und dann an der Wiederholung seines Gold-Laufs auf den Bildschirmen berauscht hatte. Ein lautes „Wow!“ stieß er danach aus, als könne er selbst nicht glauben, was er zu leisten imstande ist.
Viele Fragen
Zwei Rennen, zwei Goldmedaillen, zwei fantastische Weltrekorde. Und dazu jede Menge Fragen: Wie ist das nur möglich? Warum ist Usain Bolt ein konkurrenzloser Sieger über die Zeit? Auch der Vorgänger wusste keine Antwort, auch er konnte nur staunen. „Das ist Superman II. Eine unglaubliche Vorstellung, eine unglaubliche Zeit, eine unglaubliche Leistung. Gratulation“, sagte Michael Johnson, Olympiasieger über 200 und 400 Meter und mittlerweile nur noch Weltrekordler über 400 Meter.
Auf die Frage nach seinen Zielen kennt Usain Bolt eine einfache Antwort: „Ich will mich jetzt erst einmal ausruhen und dann wieder darauf konzentrieren, Gold zu holen.“ Bereits am Freitag (22. August) kann er mit der 4x100-Meter-Staffel zum dritten Olympiasieg laufen und wäre dann der vierte Sprinter, der das Triple gewinnt. Dies war zuvor nur den drei US-Amerikanern Jesse Owens 1936 in Berlin, Bobby Morrow 1956 in Melbourne (Australien) und Carl Lewis 1984 in Los Angeles (USA) gelungen.
Quelle: Sport-Informations-Dienst
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