Jan Fitschen - „Irgendwann ein Marathon“
Beim Trainingslager des Top Teams Berlin 2009 des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in Monte Gordo (Portugal) war auch 10.000-Meter-Europameister Jan Fitschen (TV Wattenscheid 01) dabei. Im Interview mit leichtathletik.de spricht er unter anderem über seine Pläne, Rahmenbedingungen in der Leichtathletik, seine Verletzung und sein Ziel, irgendwann einmal einen Marathon zu laufen.
Jan Fitschen, Sie mussten in diesem Jahr ihre Teilnahme bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg wegen Problemen an der Plantar- und Achillessehne absagen. Der Traum von den Olympischen Spielen war damit endgültig geplatzt. Wie geht es Ihnen rund zehn Monate vor den Weltmeisterschaften in Berlin? Jan Fitschen:Ich habe noch immer Schmerzen beim Gehen und Laufen. An ein richtiges Training ist derzeit nicht zu denken, deshalb trainiere ich zurzeit zweimal täglich alternativ. Kommende Woche wird noch einmal eine Kernspintomographie gemacht, dann werde ich sehen wie es weiter geht.
Muss man befürchten, dass die WM 2009 in Berlin ohne Jan Fitschen stattfindet? Jan Fitschen:
Das glaube ich nicht. Sicherlich wird es keine Hallensaison für mich geben, aber spätestens im Mai werde ich wieder angreifen. Die Normen über 5.000 und 10.000 Meter habe ich alle schon einmal geschafft, deshalb bin ich mir sicher, dass ich mein WM-Ticket lösen werde, da der Qualifikationsdruck nicht so hoch sein wird wie in dieser Saison. Wie schwer war es denn für Sie, bei den Olympischen Spielen nicht dabei zu sein? Jan Fitschen:
Das hat unheimlich weh getan und an mir genagt. Meine ganze Familie hatte ja schon ein Ticket für Peking gebucht. Als ich die 10.000-Meter-Norm Anfang der Saison fast geschafft hatte, wollte ich es unbedingt noch einmal probieren. Rückblickend würde ich sagen: Ich hätte gleich die 5.000-Meter-Norm angehen sollen. Doch hinterher ist man immer klüger. Nach den Spielen stand die Leichtathletik wieder einmal in der Kritik. Wie sehen sie die Entwicklung in de Leichtathletik?
Jan Fitschen:
Leichtathletik ist ein Sport, den jeder überall auf der Welt betreiben kann. Deshalb genießt die Leichtathletik auch einen hohen Stellenwert. Im Leistungssport fehlen allerdings gerade für einen Sportler, der studiert, oft die nötigen Rahmenbedingungen. Ich kann mich zwar nicht beklagen, doch oft müssen sich viele an der Uni rechtfertigen, wenn sie mehr Zeit für das Training oder für Trainingslager brauchen. In den USA ist das anders: Da hat der Leistungssport einfach Vorrang vor dem Studium, oder ermöglicht dieses durch Stipendien erst. DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop hatte kürzlich das Modell eines Vertragsathleten vorgeschlagen. Dazu sind Wirtschaftspartner notwendig, die finanzielle Sicherheit für den einzelnen garantieren. Was halten Sie davon?
Jan Fitschen:
Es würde auf alle Fälle helfen, wenn man eine langfristige Perspektive hat, denn dann könnte man den Leistungssport professionell betreiben. Hat Ihnen Ihr EM-Titel geholfen, finanziell unabhängiger zu sein? Jan Fitschen: Auf jeden Fall. Vieles wird durch so einen Erfolg einfacher, da die Unterstützung von verschiedenen Seiten größer ist. Vor ein paar Jahren musste ich noch für ein Trainingslager in Flagstaff (USA) aus eigener Tasche 2.000 Euro zahlen. Das ist jetzt Gott sei Dank kein Thema mehr. Wie beurteilen Sie die Nachwuchssituation im Langstreckenbereich?
Jan Fitschen:
Insgesamt ist es im Nachwuchsbereich auf der Langstrecke eher schwierig. Viel hängt davon ab, möglichst verletzungsfrei zu bleiben. Wir werden sicherlich international bei einer EM mithalten können, doch auf Weltebene sieht das anders aus. Da ist eine Finalteilnahme über 5.000 oder 10.000 Meter schon ein großer Erfolg. Der Chemnitzer André Pollmächer ist in Frankfurt seinen ersten Marathon gelaufen. Wäre diese Distanz nicht auch für Sie eine Herausforderung? Jan Fitschen:
Zunächst freue ich mich, dass wir derzeit im Marathon wieder eine Aufwärtstendenz haben. André Pollmächer hat vor einer Woche in Frankfurt gezeigt, was er drauf hat, wobei es schade wäre, wenn er komplett auf den Marathon umsteigt. Was mich betrifft, werde ich auf jeden Fall irgendwann einmal auch einen Marathon laufen. Das ist mein Ziel.
Im Februar haben Sie Ihr Physikstudium mit einem Diplom an der Uni Bochum abgeschlossen. Ihre Diplomarbeit lautete: „Absorptionsspektroskopie an deuteriertem Ethan“. Dabei geht es um empirische Erhebungen im Zusammenhang mit der Technik von Gaszusammensetzungen. Ist dieser Abschluss für Sie die Absicherung für ihre Zeit nach der Sportkarriere? Jan Fitschen:
Natürlich. Ich bin erst einmal froh, dass ich jetzt einen guten Abschluss in der Tasche habe und somit eine Alternative für meine Zeit nach dem Sport. Inzwischen studiere ich „Managment and Economics“ mit dem Abschluss Bachelor, da dies eine gute Ergänzung zu meinem Physikstudium ist. Seit zwölf Jahren arbeiten Sie mit ihrem Trainer Tono Kirschbaum zusammen und gelten in Wattenscheid fast schon als Urgestein. Denken Sie noch einmal an einen Vereinswechsel? Jan Fitschen: In Wattenscheid fühle ich mich wohl, deshalb denke ich im Moment an keinen Vereinswechsel. Allerdings verliere ich mit Alexander Lubina, der seine Karriere beendet hat, meinen besten Trainingspartner. Wir hatten dasselbe Niveau. Vor Jahren gab es sogar mal ein Trainingslager in Flagstaff wo wir nur zu zweit vier Wochen trainiert haben. Das geht nur, wenn Du Dich absolut mit deinem Trainingspartner verstehst. Deshalb ist es sehr schade, dass Alexander Lubina jetzt aufhört, auch wenn ich seine Entscheidung nach seinen häufigen Verletzungen verstehen kann