| Interview

Jana Sussmann: "Gehöre wieder dazu"

2011 war sie als WM-Teilnehmerin obenauf, dann kam eine Verletzungsmisere. Im belgischen Heusden-Zolder hat sich Hindernisläuferin Jana Sussmann am Samstag mit 9:43,52 Minuten zurückgemeldet und kratzte an der EM-Norm. Im Interview spricht die 23-Jährige unter anderem über schwere Stunden, verheilte Wunden und das Stadtleben.
Harald Koken

Jana Sussmann, durch Ihren Parforceritt von Heusden stehen Sie an 15. Stelle der europäischen Bestenliste. Hatten Sie das vorher auf dem Schirm?

Jana Sussmann:
Auf keinen Fall. Zehn Minuten waren mein Ziel. Dass ich dann fast Bestzeit gelaufen bin - unglaublich. Ich habe mich die ganze Zeit gut gefühlt und gewusst, dass ich im Zeitplan bin. Geholfen hat mir, dass ich eine Woche vorher einen Test gemacht habe. Da bin ich in diesem Tempo zwei Kilometer gelaufen und war danach nicht alle. Diesmal habe ich mich noch kraftvoller gefühlt und denke, jetzt kann ich auch noch schneller laufen.

Ist das auch der Grund dafür, dass Sie auf den letzten 600 Metern noch sieben Gegnerinnen einkassiert haben?

Jana Sussmann:
Ich möchte lieber Leute einkassieren als selber überholt zu werden. Deshalb wollte ich auf gar keinen Fall zu schnell angehen. Die Atmosphäre im Stadion war einzigartig, das Publikum hat mich beflügelt. Auch das Wetter: perfekt. Den ganzen Tag über war es viel zu warm. Das hab ich während des Rennens aber allenfalls am Wassergraben gespürt. Meine Güte ist das sommerlich, habe ich jedes Mal gedacht.

Ist Jana Sussmann wieder da, wo sie 2011 schon einmal stand?

Jana Sussmann:
Ja, definitiv. Nachdem ich neulich die 9:06,35 Minuten über 3.000 Meter gelaufen bin, habe ich sogar kurz gedacht, es wäre besser gewesen, die Zeit sei nicht so gut ausgefallen. Denn ich wusste, dass alle Leute nun von mir wieder etwas erwarten. Zumal es mit Hindernissen immer noch ein ganz anderer Schnack ist. Andererseits hat mich die Zeit auf jeden Fall sehr motiviert.

Wer 3.000 Meter in 9:06 Minuten läuft, müsste auch die für Zürich über 5.000 Meter geforderten 15:28 Minuten schaffen können. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?

Jana Sussmann:
Das Hochrechnen ist immer so eine Sache. Da glaube ich nicht unbedingt dran. Außerdem sind mir 5.000 Meter zu lang.

Wie geht es weiter?

Jana Sussmann:
Jetzt kommt Ulm. Da werde ich noch besser drauf sein. Und was die EM-Norm angeht, habe ich im Hinterkopf: Ich bekomme noch eine zweite Chance.

Was ist mit Ihren Verletzungsproblemen?

Jana Sussmann:

Die merke ich gar nicht mehr. An der Achillessehne hatte ich neulich eine leichte Entzündung. Das war noch eine Folge des Knochenödems am Sitzbein. Da hat sich an der rechten Seite dann immer alles verhärtet. Dadurch habe ich die Achillessehne anders belastet. Und wie das dann immer so ist, sind auch da Probleme aufgetreten. Aber das merke ich schon länger gar nicht mehr.

Seit 2011 haben Sie ja einige Rückschläge wegstecken müssen.

Jana Sussmann:
Da haben sich mehrere Sachen summiert. Vielleicht hat sich auch viel im Kopf abgespielt. Unter anderem hat eine zuvor nicht erkannte Allergie gegen Hausstaubmilben so sehr den Atemwegen zugesetzt, dass nichts mehr ging. Aber ich habe Atemübungen gemacht und dadurch die Sache in den Griff bekommen.

2011 haben Sie Gesa Krause den Platz bei der Team-EM abgeknöpft. Die Frankfurterin wurde 2012 EM-Vierte und Olympia-Achte. Sie mussten zuschauen, wie schwer war das für Sie?

Jana Sussmann:
Das war sehr schwer. Ich war sogar an dem Vorlauf-Tag in London im Olympiastadion. Das hätte ich echt nicht gedacht, dass mich das so quält. Ich bin dann raus gerannt und musste einige Zeit allein sein. Denn meine Familie war auch mit. Wir haben ein Vermögen für die Karten ausgegeben. Aber danach ging es. Ich habe auch Antje und Gesa gern. Und bin froh, dass ich jetzt auch wieder dazu gehöre.

Hatten Sie Angst, den Anschluss zu verpassen?

Jana Sussmann:
Ans Aufhören habe ich nie gedacht. Es hat mich richtig getroffen, als rumging, dass ich Schluss mache und nie wieder Leichtathletik betreiben werde. Das wiederum hat mich zusätzlich motiviert. Ich wusste, dass ich den Anschluss wieder herstellen würde, wenn ich verletzungsfrei bin.

Wobei Sie die Zeit genutzt haben, um beruflich voranzukommen.

Jana Sussmann:
Genau. Ich habe meine Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen und studiere jetzt in Hamburg Medien und Information. In ein paar Jahren stehe ich dann da, wo Sie jetzt sind und interviewe Sie (lacht).

Sind Sie wegen des Studiums auch von der LG Nordheide zum LT Haspa Marathon Hamburg gewechselt?

Jana Sussmann:
Als ich mich zum Wechsel entschlossen habe, war das Studium in Hamburg in Planung. Hinzu kam, dass ich auf eigenen Beinen stehen wollte, also raus aus dem Elternhaus, weg vom Dorf. Und ich wusste, dass da die Trainingsgruppe mit Elina und Diana Sujew ist und Beate Conrad als Trainerin. Super Bedingungen, die ich nutzen wollte. Das Training hat sich vom Umfang her reduziert. Je mehr man trainiert, desto besser wird man, nach dieser Devise verfahre ich schon lange nicht mehr. Ich höre viel mehr auf meinen Körper nach den zwei Jahren, in denen ich viel Negatives erlebt habe. Damit fahre ich anscheinend sehr gut.

Gibt es nicht auch Momente, an denen Sie wehmütig an zu Hause denken?

Jana Sussmann:
Sicher, wenn ich zum Beispiel in Hamburg bedürftige Menschen sehe, daran habe ich mich immer noch nicht richtig gewöhnt. Aber ich wohne in einer schönen Gegend und sehe, dass es Vorteile hat, in der Stadt zu leben. Zumal Hamburg gar nicht so groß ist. Ich erreiche alles mit dem Fahrrad. Das Leben ist ein ganz anderes. Ich fasse es immer noch nicht, dass alle fünf Minuten ein Bus fährt. Wo ich herkomme, da fährt nur einmal am Tag ein Bus und sonntags gar nicht. Natürlich fehlen mir die Dauerläufe über Wiesen und Felder. Wenn ich zuhause bin, dann nehme ich auf jeden Fall meine Laufschuhe mit, weil ich das Laufen dort liebe. Keine Ampeln, wenn man morgens läuft, sieht man Rehe und Kaninchen, grüßt jeden. Das ist natürlich in der Stadt nicht so. Und natürlich vermisse ich die Spaziergänge mit meinem Hund. Er freut sich jedes Mal, wenn ich da bin. Und ich freue mich auf ihn. In Hamburg habe ich eine Ein-Zimmer-Wohnung, das wäre ein bisschen eng für ihn.
<link http: www.leichtathletik.de news detail jana-sussmann-dicht-am-em-limit>
Jana Sussmann dicht am EM-Limit

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