Janis Lusis feiert seinen 70. Geburtstag
Die Extraklasse von Janis Lusis wurde deutlich beim Olympiasieg 1968 in Mexiko-Stadt, seine wahre Größe vier Jahre später bei der Olympia-Niederlage von München. „Als ich ihn mit 90,48 Metern um zwei Zentimeter überbot, ist ihm zwar vor Schreck der Apfel aus dem Mund gefallen. Aber dann hat er mir ganz herzlich zu Gold gratuliert und auch später nie lamentiert, dass ein Kampfrichter möglicherweise zu meinen Gunsten gemessen hätte“, sagt Klaus Wolfermann über den Letten, der am Dienstag (19. Mai) 70 Jahre alt wird.
Die sportliche Haltung des hauchdünn Geschlagenen war an diesem für Sportfans historischen 3. September 1972 der Beginn einer ungewöhnlichen Sportfreundschaft zwischen dem lettischen Speerwerfer mit dem langen Pferdeschwanz und dem Deutschen mit dem schütteren Haar.Deshalb war es keine Frage für Janis Lusis, dass er Klaus Wolfermann wie einige andere Rivalen früherer Tage einladen würde zur großen Geburtstags-Fete nach Riga (Lettland). „Sie steigt erst am 23. Mai, wir fliegen an Himmelfahrt“, sagt Klaus Wolfermann. Vor zwei Jahren, als der deutsche München-Olympiasieger 60 wurde, war auch Janis Lusis gekommen. Als Überraschungsgast von Freunden in die Feier eingeschleust, saß er plötzlich im Sessel, verhüllt durch eine Decke. Klaus Wolfermann durfte das Geheimnis lüften, die Freude war groß.
Die Feier des Janis Lusis wird wohl weniger komfortabel als die des Deutschen. „Er muss in Riga mit 185 Euro Pension auskommen. Obwohl er in äußerst bescheidenen Verhältnissen lebt, hilft er noch anderen. Seine selbstlose Art verdient große Achtung. Er berät auch den lettischen Leichtathletik-Verband und gibt jungen Athleten sein Wissen um den Sport weiter“, sagt Klaus Wolfermann.
Talent an Sohn weitergegeben
Auch seinem Sohn gab Janis Lusis viel Speerwurf-Know-how weiter. Doch so ganz nach dem Wunsch des Vaters entwickelte sich Voldemars (84,19 Meter mit dem neuen Speer) nicht. Janis Lusis bedauert: „Ihm fehlte es leider an der richtigen Einstellung.“ Bei Olympia verpasste Voldemars Lusis 2000 und 2004 das Finale, war 2001 in Edmonton (Kanada) Elfter der WM.
Kein Vergleich zu den Erfolgen der Eltern. Janis Lusis gewann bei Olympia neben Gold (1968) und Silber (1972) auch Bronze (1964), ist mit vier EM-Titeln in Serie in der gleichen Disziplin (1962, 1966, 1969 und 1971) unübertroffen. Er warf zweimal Weltrekord, zuletzt mit 93,80 Metern kurz vor Olympia in München. „Ich war der Favorit, aber ich habe Klaus damals unterschätzt“, sagt Janis Lusis über den Wettkampf, der im Stadion 70.000 Leute und an den Bildschirmen Millionen fesselte.
Auch seine Frau war überaus erfolgreich
„Janis hatte damals technische Probleme“, sagte Klaus Wolfermann und entschuldigte den Letten, dem er am 5. Mai 1973 in Leverkusen mit 94,08 Metern den Weltrekord nahm. Janis Lusis‘ Ehefrau Elvira Osolina, die im Oktober 70 wird, war schon 1960 in Rom Speerwurf-Olympiasiegerin. Die gebürtige Russin erzielte viermal Weltrekord, scheiterte als erste 60-Meter-Werferin der Welt (61,38 m) Wochen später bei Olympia 1964 als Fünfte.
Wie Janis Lusis gewann sie 1962 in Belgrad EM-Gold. Die große, schlanke Werferin war die Liebe seines Lebens - auch wenn der Lette Janis Lusis mit den Russen stets sein Problem hatte, nachdem sein Vater kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu Hause von plündernden russischen Soldaten erschossen worden war. Janis Lusis wurde selbst Soldat, war zuletzt Major der Sowjet-Armee.
„Er hat sich dann stark politisch engagiert, als Lettland die Chance hatte, eigenständig zu werden“, sagt Klaus Wolfermann über seinen alten Freund, der heute mit Leidenschaft Angler ist. „Aber er liest auch sehr viel, liebt klassische Musik, ist ein sehr gebildeter Mensch.“
Quelle: Sport-Informations-Dienst