| Interview

Jannik Arbogast: „Eigentlich müsste ich jetzt aufhören“

Jannik Arbogast (LG Region Karlsruhe) war der große Überraschungssieger bei den Deutschen Meisterschaften über 10 Kilometer auf der Straße in Bremen, als er in 29:24 Minuten seinen ersten Meistertitel gewinnen konnte. Im Interview erzählt der Lehramtsstudent (Fächer Sport und Geographie), wieso er ohne große Erwartungen ins Rennen gegangen ist und wie er trotz vieler Verletzungen trainiert.
Birte Grote

Jannik Arbogast, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des deutschen Meistertitels. Sie haben sich in einer spannenden Spurt-Entscheidung durchgesetzt. Wann haben Sie gemerkt, dass es zum Sieg reichen kann?

Jannik Arbogast:
Das hat sich wirklich erst auf den letzten Metern abgespielt. Ich war am Ende in dieser vierköpfigen Spitzengruppe mit Samuel Fitwi Sibhatu, Florian Orth und Tobias Blum drin. Aber dass ich nun gewonnen habe, ist völlig überwältigend und macht mich sprachlos.

Wie ist das Rennen aus Ihrer Sicht verlaufen?

Jannik Arbogast:
Das Tempo war sehr verhalten. Zunächst waren wir eine große Gruppe und Tobias Blum hat lange für das Tempo gesorgt. Ich war dann vorne mit dabei, als wir uns abgesetzt haben. Ich habe während des Rennens eigentlich die ganze Zeit darauf gewartet, dass mein Schritt hart und schwer wird, aber das ist irgendwie nicht passiert.

Mit welchen Erwartungen sind Sie denn nach Bremen gereist? Hatten Sie den Titel im Blick?


Jannik Arbogast:
Meine Motivation war ursprünglich unsere Mannschaft, die ist jedoch kurzfristig geplatzt. So bin ich hergefahren, um für mich mitzulaufen und einfach mal zu schauen, was drin ist. Ich wusste, dass ich fit bin, war aber auch eine Woche krank und habe nur drei Wochen trainiert und daher gedacht, ich muss hier nicht laufen, ich mache mir keinen Druck. Ich habe für mich alleine ein paar Tempo-Einheiten gemacht, sodass ich wusste, ich habe ein bisschen was drauf, aber mit dem Titel hatte ich nicht gerechnet.

Wie ist die Saison bisher verlaufen?

Jannik Arbogast:
Das war ein Auf und Ab. Ich habe mich immer wieder rangekämpft. Seit 2015 habe ich durch Knöchelödeme mehr Leiden als Erfolge. Ich bin immer wieder verletzt. Und bis man in diesen Laufschritt wieder reinkommt, dauert es seine Zeit. Mit der Hallensaison war ich zufrieden. Es war aber nicht überragend, bei den Deutschen Meisterschaften bin ich eher hinterhergelaufen. Mein Highlight war, dass ich beim internationalen Indoor Meeting in Karlsruhe das Tempo machen durfte. Für die Bahnsaison habe ich mir viel vorgenommen, war dann aber wieder verletzt, sodass ich im Trainingslager nur geschwommen bin. Das waren 40 Kilometer in zehn Tagen. Als ich verletzungsfrei war, bin ich überraschend Achter bei den Deutschen Meisterschaften über 5.000 Meter geworden. Danach habe ich zwei Wochen Pause gebraucht, war in den Bergen wandern und hatte Uni-Veranstaltungen. So ging es lange hin und her bis hier nach Bremen als Deutscher Meister - verrückt!

Wie gestalten Sie das Training, wenn Sie immer wieder von Verletzungen geplagt werden?


Jannik Arbogast:
Für mich geht es immer wieder ins Wasser. Ich habe Spaß am Schwimmen gefunden und leite mittlerweile als Trainer eine Gruppe an. Ich gehe nur noch schwimmen, wenn ich andere dabei habe. Alleine schwimme ich sonst einfach zu hart und dann ist das muskulär zu beanspruchend. Wenn ich das Schwimmtraining gebe, schwimme ich locker mit und kann dadurch meine Muskeln lockern. So ist mein Fitness-Zustand auch gut.

Ist Triathlon dann auch eine Option?

Jannik Arbogast:
Ich habe das mal ausprobiert 2016 im Vorarlberg, aber das war wohl die falsche Wahl. Da ging es 2.000 Meter einen Pass hoch, 90 Kilometer mit dem Rad, das war nichts für mich. Aber ich trainiere  regelmäßig mit den Triathleten aus Ettlingen zusammen und habe da großen Spaß dran. Ansonsten ist das Triathlon-Training ja auch noch zeitaufwändiger. Da muss ich jetzt sowieso schauen, wie ich im nächsten Jahr, wenn ich in das Referendariat einsteige, alles unter einen Hut bekomme. Momentan habe ich Spaß daran und das interne Ziel, irgendwann mal Deutscher Meister zu werden, hat mich dabei gehalten, weiterzumachen.

Steht nun also auch zur Debatte aufzuhören, weil Sie Ihr Ziel erreicht haben?

Jannik Arbogast:
Ich habe das gerade schon zu meinem Trainer Günther Scheefer gesagt: Jetzt, wo ich Deutscher Meister geworden bin, muss ich eigentlich aufhören. Aber ich werde jetzt erst einmal wieder dieses Modell mit Schwimmen und Laufen weiter fahren und dann schauen, wohin die Reise geht. Verletzungsfrei zu bleiben, ist das Wichtigste für mich.

Gibt es eine Lieblingsstrecke, die Sie besonders gerne im Wettkampf laufen, und haben Sie noch bestimmte Zeiten im Kopf, die Sie gerne erreichen möchten?

Jannik Arbogast:
Ja, auf der Bahn die 5.000 und 10.000 Meter. Auf der Straße bin ich eigentlich noch nicht so richtig angekommen. Über 10.000 Meter würde ich gerne niedrige 29 Minuten laufen, was ja auch mit meiner Zeit von heute hinkommen würde. Es ist allerdings auch immer schwierig, über diese Distanz ein passendes Rennen mit guten Bedingungen zu finden und an diesem Tag die Topform zu haben.

Wie groß ist die Genugtuung, nach all den Verletzungen jetzt als Deutscher Meister dazustehen?

Jannik Arbogast:
Das ist auf jeden Fall eine Bestätigung. 2014 und 2015 war ich im Bundeskader, war richtig gut drauf, bin mehrmals Zweiter bei Deutschen Meisterschaften geworden. Aber ich war auch im Übertraining. Dann kamen die Probleme, und seitdem bin ich immer noch dabei auszuloten, wie das Training am besten für mich funktioniert. Es zeigt mir, dass es richtig war, nicht aufzuhören. Simon Boch ist da für mich das beste Beispiel, der auch so viele Jahre durch Durststrecken gehen musste. Im Ziel habe ich ihm gesagt, dass er mein Vorbild dafür war, immer noch dabei zu bleiben. Und die Unterstützung, die von meinem Verein kommt, ist auch wahnsinnig. Ohne die wäre ich definitiv kein Läufer mehr.

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