Jenn Suhr: „Bin hungrig nach mehr“
Jenn Suhr (USA) ist Olympiasiegerin, hält mit 5,02 Metern den Hallen-Weltrekord und ist neben der russischen Freiluft-Weltrekordlerin Yelena Isinbayeva (5,06 m) die einzige Frau, die jemals über fünf Meter gesprungen ist. Im Interview spricht die Stabhochspringerin über die mentale Barriere bei fünf Metern, ihre Ziele und die Konkurrenz aus Deutschland.

Jenn Suhr:
Ja definitiv. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Hallensaison ganz okay, aber ich war trotzdem nicht zufrieden. Mein Trainer und ich wussten, dass ich mein Potenzial nicht voll ausschöpfe. Wir waren beide etwas frustriert. Ich wusste, dass ich endlich zeigen musste, wozu ich fähig bin. In Albuquerque hatte ich dann das Gefühl für fünf Meter in mir.
Worin liegt der Unterschied, 4,92 oder 5,02 Meter zu springen?
Jenn Suhr: Es ging um Beständigkeit, das richtige Training, den richtigen Trainer. Mein Trainer, der auch mein Ehemann ist, weiß genau, was mein Körper braucht, um so hoch zu springen. Mein Training war sehr spezifisch und absolut auf mich abgestimmt. Er hatte vor Jahren schon ein Bild im Kopf, wie ich springen soll. Und wir haben uns diesem immer mehr angenähert. Mein Glaube in sein Training hat es mir ermöglicht, 5,02 Meter zu springen.
Und was ist nun Ihr nächstes Ziel? Sich bei diesen Höhen zu stabilisieren?
Jenn Suhr:
Ja. Aber das ist draußen schwieriger. Die Bedingungen können da wegen des Wetters komplizierter sein. Daher sind bestimmte Höhen nicht immer mein Ziel, manchmal geht es nur um den Sieg oder eine gute Platzierung. Ich will so gut vorbereitet sein, dass ich bei guten wie schlechten Bedingungen hoch springen kann.
Haben die fünf Meter Ihre Herangehensweise an die Sommersaison verändert?
Jenn Suhr:
Nachdem ich den Hallenweltrekord gesprungen bin, ist der Druck für den Sommer natürlich gestiegen. Aber es hat mich auch hungrig nach mehr gemacht. Nachdem ich die 5,02 Meter gesprungen war, konnte ich es nicht erwarten, wieder zu trainieren. Ich wollte auf keinen Fall etwas von dem verlieren, was ich mir erarbeitet hatte. Ich hoffe, dass ich gesund bleibe und noch einmal so hoch springe.
Welche Entwicklung erwarten Sie im Frauenstabhochsprung in den kommenden Jahren? Werden viele Frauen fünf Meter springen? Oder werden die fünf Meter wie bei den Männern die sechs Meter sein, wo die Entwicklung stagniert?
Jenn Suhr:
Um fünf Meter zu springen, braucht man schon eine Menge Kraft und Geschwindigkeit. Ich denke daher auch, dass sie in den kommenden Jahren noch eine besondere Marke bleiben werden. Ähnlich wie die sechs Meter bei den Männern.
Am 10. Mai startet in Doha die Diamond League-Serie. Werden Sie bei der Diamond League regelmäßig am Start sein?
Jenn Suhr:
Ich liebe die Veranstaltungen der Diamond League. Aber ich werde erst einmal nur am 25. Mai in New York starten. Es ist sehr schwer für mich, mich auf die Weltmeisterschaften in Moskau vorzubereiten, wenn ich Wettkämpfe in Übersee bestreite. Ich muss mich bei unseren Trials in den USA für die WM qualifizieren. Deshalb werde ich vor den Trials keine Wettkämpfe in Übersee bestreiten. Ich will keine Risiken eingehen und meine Stäbe verlieren oder außer Form kommen.
Was sind die größten Schwierigkeiten, wenn man mit Stäben reist?
Jenn Suhr:
Während manche Leute einen Ort mit einem Flug erreichen können, müssen wir oft zwei oder drei verschiedene Flüge nehmen, denn die Flugzeuge müssen eine bestimmte Größe haben. Das allererste Mal, als ich zu einem Wettkampf in Europa gereist bin, waren meine Stäbe nicht da. Reisen mit Stäben ist wirklich eine stressige Sache.
Was haben Sie sich für das Meeting in New York vorgenommen?
Jenn Suhr:
Ich weiß noch nicht so genau, was ich zu diesem Zeitpunkt erwarten kann. Es ist auch nicht ganz einfach, dort zu springen. Der Wind macht es in diesem Stadion immer etwas schwierig. Für mich geht es daher nicht um eine bestimmte Höhe, sondern eher darum, dass meine Technik stimmt und dass ich Stäbe testen kann.
Auch Yelena Isinbayeva hat ihr Comeback angekündigt und wird am 18. Mai beim Diamond League-Meeting in Schanghai ihren ersten Wettkampf seit den Olympischen Spielen bestreiten. Wie sehen Sie die Rivalität mit ihr?
Jenn Suhr:
Ich freue mich auf die Wettkämpfe gegen Yelena, und dass sie wieder zurück ist. Solch eine Rivalität ist gut für den Sport. Sie hat so viel für den Frauenstabhochsprung getan. Durch ihre Erfolge hat sie Aufmerksamkeit auf uns aber auch auf die Leichtathletik generell gelenkt.
Trauen Sie ihr wieder fünf Meter zu?
Jenn Suhr:
Ja. Sie ist so talentiert, und ich denke sie ist immer gut für Höhen um die fünf Meter. Wenn sie verletzungsfrei und in Form ist, kann sie mindestens 4,95 Meter springen.
Die WM findet in Russland statt, Yelena Isinbayevas Heimat. Haben Sie Bedenken, dort nicht nur gegen sie, sondern auch gegen das ganze russische Publikum zu springen?
Wenn ich nach Moskau komme, ist das, wie im letzten Jahr nach London zu kommen. Für mich geht es vor allem darum, mich auf die US-Trials zu konzentrieren.
Wie schätzen Sie die Konkurrenz aus Deutschland ein?
Jenn Suhr:
Es gibt viele gute Springerinnen in der Welt. Anna Rogowska, Fabiana Murer, Yarisley Silva und, und, und. Und in diese Liste gehören natürlich auch die Deutschen. Sie sind in den Bestenlisten immer vorn dabei. Ich habe sie immer auf der Rechnung. Silke Spiegelburg hat schon so viel erreicht, und sie ist so eine starke Kämpferin. Das gleiche gilt für Martina Strutz. Und dann gibt es ja auch noch Lisa Ryzih, sie ist echt auch gut!
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift